Lotse aus dem Reagenzglas
Die Idee klingt abgefahren: Ein "chemischer Prozessor", der die Reaktion zwischen Säure und Lauge nutzt, soll in Zukunft die Navigationsgeräte noch schneller machen. Wissenschaftler tüfteln schon an der Zukunft des automobilen Lotsen-Verfahrens.
Die Szenerie gleicht einem Hollywood-Kassenschlager: Eine Gruppe von Wissenschaftlern starrt gebannt auf einen Bildschirm. Jeder weiß, irgendetwas passiert jetzt gleich. In dem Labor ist es so mucksmäuschenstill, dass man die berühmte Haarnadel fallen hören könnte. Das Ereignis, das, die Forscher so fesselt, ist auf den ersten Blick nicht besonders aufregend: Eine magentafarbene Flüssigkeit bahnt sich den Weg durch ein Labyrinth. Als die Schlange den Ausgang erreicht hat, huscht ein Lächeln über das Gesicht der Tüftler. Der Grund: Die Farbspur hat sich nicht durch irgendeinen beliebigen Irrgarten geschlängelt, das knapp ein Quadratzentimeter große Straßengewirr entsprach einem Budapester Quartier und das Ziel war eine Pizzeria. Das Prinzip hinter diesem blitzschnellen Lotsen ist einfach: Die Wissenschaftler nutzen sich die Gesetze der Chemie. Am Zielpunkt des mit alkalischer Flüssigkeit gefüllten Straßennetzes wird ein mit Säure angereichertes Gel angebracht, dagegen injizierten Forscher am Ausgangspunkt eine gefärbte Lauge.
Parallele Berechnung
Was dann passiert, bezeichnen die Chemiker als "Marangoni-Effekt", bei dem die Lauge von dem Gemisch aus alkalischer Flüssigkeit und Säure zur Säurequelle am Ausgang geschoben wird. Da die Flüssigkeit gefärbt ist, ist der Weg deutlich sichtbar. Das Resultat ist beeindruckend: Der chemische Prozessor "kalkuliert" zwar auch Alternativ-Routen, aber im Endeffekt wählt die gefärbte Flüssigkeit immer den schnellsten Weg. Dieser Orientierungssinn ist naturgegeben: Genauso, wie das Lichts immer den kürzesten Weg durch verschiedenen dicke Gegenstände findet oder der Stein den direkten Weg zum Boden.
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- Geschrieben von wolfgang-gomoll
- Veröffentlicht: 10. November 2014