So langsam scheinen bei Rolls-Royce neue Lebensgeister erwacht. Der ehemalige Erzrivale Bentley hat den BMW-Ableger aus Goodwood mit seinen zahllosen Continental-Derivaten und dem kompromisslosen Bekenntnis zu Luxus, Allradantrieb und Motorleistung längst weit hinter sich gelassen. Während Rolls-Royce pro Jahr rund 4.000 Fahrzeuge verkauft, liegen die konkurrierenden Briten aus Crewe als Ableger des Volkswagen-Konzern längst beim Vierfachen. Rolls-Royce ist nicht zuletzt deshalb dabei, sein gesamtes Portfolio umzukrempeln. Die betagte Phantom-Generation läuft aktuell aus. Einen Nachfolger gibt es jedoch erst Ende 2018. Bis dahin müssen es die Versionen von Ghost, Wraith, Dawn und die Abverkäufe des Phantom-Triumvirats richten. In Zeiten mächtiger Schlagzahlen und großen Modelldrucks ein gefährliches Unterfangen. Schließlich wollen gerade die jungen Kunden, um die sich auch Rolls-Royce mehr als bisher reißen will, immer das neueste, modernste und innovativste. Insofern nicht ganz unproblematisch, dass der Rolls-Royce Dawn als luxuriösestes Cabriolet der Welt technisch noch auf den altem Siebener BMW basiert. Einige Sicherheits- und Komfortausstattungen blieben bei dem 5,20 Meter langen Brit-Beau daher außen vor.
Hybrid ein Muss
Hier werden die neuen Modellgenerationen Phantom und die Serienversion des Cullinan SUV deutlich mehr bieten müssen. Komplette Vernetzungen, High-Tech-Assistenzsysteme oder Komfortfunktionen des nächsten Jahrzehnts müssen es schon sein, sonst drehen die potenziellen Kunden, die von vielen Markenexperten nur noch als so genannte Millenials (Jahrgänge 1981 bis 1999) bezeichnet werden, schneller ab, als sie kamen. Markentreue und Modellgeneigtheit waren gestern. Auch bei den Antriebe muss es das neueste und beste sein. Daher dürften die kommenden Rolls-Royce-Generationen zwar bestens ohne einen sparsamen und drehmomentstarken Diesel auskommen, ohne Plug-In-Hybriden dürfte es jedoch schwierig werden. Dabei geht es weniger um ein neues Maß an Rolls-Royce-Effizienz, sondern eher das technisch machbare und die Möglichkeit, die letzten Kilometer in der Innenstadt auf Wunsch oder gesetzliches Erfordernis auch rein elektrisch zurücklegen zu können. Die rein elektrische Studie des Rolls-Royce EX 102 aus dem Jahre 2011 war dabei mit ihrem 71 kWh großen Akkupaket dabei nur ein Gedankenspiel, um eine erste Rückmeldung zu alternativen Antrieben aus der finanzstarken Öffentlichkeit zu bekommen. Die Serienversion des Rolls-Royce Cullinan dürfte auf den Märkten in den USA und Asien ohne eine Hybridvariante ebenso ihre Schwierigkeiten haben wie die kommende Phantom-Generation. Undenkbar erscheint dabei eine Teilelektrifizierung wie beim kleinen Bruder dem BMW 740e. Wenig standesgemäß ist das Elektromodul bei der bayrischen Luxuslimousine mit einem aufgeladenen Vierzylinder mit zwei Litern gekoppelt. So ist die Kombination mit einem aufgeladenen Sechszylinder der Drei-Liter-Klasse deutlich wahrscheinlicher und dessen hybrides Doppelherz dürfte dann mindestens 450 PS leisten. Eine rein elektrische Reichweite von über 50 bis 75 Kilometern erscheint schon wegen der zu erwartenden Vorgaben ein Muss.
Die Kernmotorisierung von Cullinan und Phantom wird jedoch jeweils ein V12-Triebwerk bleiben, eng mit dem 610 PS starken Turbo des BMW M 760 Li xDrive verwandt, der im Herbst auf den Markt kommt. Mittelfristig dürfte der Geländewagen, der noch oberhalb von Bentley Bentayga und Range Rover positioniert werden soll, nicht der einzige Rolls-Royce mit Allradantrieb sein. Angesichts von immer größeren Motorleistungen, Drehmomenten sowie lauter werdenden Kundennachfragen erscheint ein Ableger von BMWs xDrive-Antrieb für die Emily-Modelle nur eine Frage der Zeit. Schließlich wird auch der Ghost beizeiten einen Nachfolger bekommen. Und der dürfte schon wegen des Konkurrenzumfeldes kaum nur über eine Achse angetrieben werden. Wie erfolgreich das auch in der Luxusklasse sein kann, hat nicht zuletzt Bentley vorgemacht.
Fotos: Hersteller
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- Veröffentlicht: 19. April 2016