Der organisatorische Aufwand, 1.700 Kilometer durch halb Italien mit einer Horde von 450 Teilnehmern, einer kaum kleineren Zahl von Teamfahrzeugen und ungefähr dem Doppelten an Schaulustigen und Möchtegern-Teilnehmern zu donnern, ist gigantisch. Einst war die Mille Miglia Storico im autobegeisterten Italien unantastbar. Sie verzauberte über Jahre die Massen landauf landab und wurde zu einem mobilen Volksfest. Geschäfte bekamen Sonderöffnungszeiten, Schüler durften der Schule fernbleiben und Verkehrsregelungen waren für die Dauer der Tour sowieso außer Kraft gesetzt. Doch immer mehr Kommunen winken mittlerweile ab, wenn es um die Routenführung geht. Sie wollen keine allenfalls dreistündige Durchfahrt ihrer Stadtgrenzen. Denn die kleinen Orte profitieren kaum von dem Klassiktross. Vorbei sind daher in vielen Regionen die Zeiten, in denen die Kinder des Ortes Fähnchen in die Hand bekamen um die neuzeitlichen Heroen hinter dem Steuer mit einem Fahnenmeer zu empfangen. Groß war das Gezeter vor Jahren, als die ersten Kommunen ihre Pforten für die Mille-Miglia-Organisatoren dichtmachten oder die geduldeten Geschwindigkeitsüberschreitungen im Nachgang teuer ahndeten. Die Andenken der Mille Miglia war so nicht nur Teamkleidung, exklusiver Chronometer und Sonnenbräune, sondern ein 500-Euro-Ticket in den Wochen danach.
Die Werkstattteams vollbringen während des viertägigen Rennens sportliche Höchstleistungen. Zum einen müssen sie dem donnernden Tross am Rande der Legalität mit Höchstgeschwindigkeit im bisweilen turbulenten italienischen Straßenverkehr folgen. Die 1.700 Kilometer für die Oldtimer der 20er bis 50er Jahre kein Pappenstiel - Pannen sind an der Tagesordnung. Da heißt es schnell helfen. Zum anderen beginnt der Tag für die Mechaniker zwei Stunden früher als für die Starter und nicht selten bringt die Nacht keinen echten Schlaf. Denn wenn sich Pilot und Beifahrer nach langen und allemal kräftezehrenden Etappen voller Erlebnisse des Renntages in den Kissen wälzen, werden an den Oldtimern Räder und Antriebe kontrolliert, Flüssigkeiten nachgefüllt oder ganze Komponenten gewechselt. Da sich dies mit den erlaubten Arbeitszeiten kaum darstellen lässt, sind jeweils durchweg mehrere Monteurteams vor Ort, die im Zwei- bzw. Dreischichtbetrieb arbeiten. "Im einfachen Fall kommen auf jedes Teilnahmefahrzeug eines Herstellerteams vier Techniker", erklärt Alexander E. Klein von Porsche, "im realistischen Fall kommen auf jedes Teilnahmefahrzeug eines Herstellerteams sechs Techniker, ein Dreischichtbetrieb."
"Allein unsere Rennvorbereitungen dauern pro Fahrzeug bei uns ein bis zwei Tage", sagt Stefan Behr, seit Jahren für BMW im Veranstaltungsteam der Mille Miglia dabei, "doch vor Ort gibt es viel zu tun. Da sind nachts auch schon Getriebe gewechselt oder während des Rennens in kleinen Ortschaften Schweißarbeiten durchgeführt worden." Dabei sind die Werkstattteams nicht die einzigen, die an den Tagen Höchstleistungen vollbringen. Unsichtbare Organisationsteams sorgen dafür, dass Ersatzteile herbeigeschafft, Zimmer umgebucht oder Sonderwünsche der Teilnehmer erfüllt werden. Jedes der Rennteams hat zudem einen Rennarzt dabei, der sich um die kleineren und größeren Blessuren der Teilnehmer kümmert. Und wenn der Mittagsstopp nicht rechtzeitig fertig wird, "wird hier ein Transporter zur Pizzeria umfunktioniert und hieraus serviert", erinnert sich Alexander E. Klein. Und wenn einer der Teilnehmer seinen Zimmerschlüssel in der Hosentasche vergessen hat, bringen unsichtbare Helfer diesen in Windeseile zurück. Während der Mille Miglia geschieht auch bei Ihnen alles im Renntempo - im Gegensatz zu den Piloten der rasenden Klassiker sieht das jedoch keiner.
Fotos: press-inform
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- Veröffentlicht: 16. Mai 2016