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- Veröffentlicht: 04. Juli 2016
Wer den 537 PS starken Briten aus Stand oder jedem nur erdenklichen Fahrbetrieb beschleunigt, wundert sich nicht, dass der stählernen Bentley-Kühlerfigur, auf Wunsch vergoldet, versilbert oder schamlos düster getönt, die Flügel nach hinten gereckt wurden. Die 1.100 Nm maximales Drehmoment pressen einen derart massiv in die handschuhweichen Ledersitze, dass man kurzfristig der Überzeugung ist, in einem Privatjet durchzustarten. Und tatsächlich sind die Ähnlichkeiten von Bentley Mulsanne Speed und einem privaten Fluggefährt auffällig. Beide Vehikel lassen sich nahezu grenzenlos individualisieren, beide sichern den Transport abseits der hektischen Umwelt und bei beiden Beförderungsmethoden ist jede Meile ein wahrhafter Genuss - unabhängig vom Tempo. Dafür sorgen spektakuläre Komfortstühle mit zahllosen Verstellmöglichkeiten, Jalousien rundum, die einen der Welt auch durch das Dämmglas entrückt sein lassen und einen Antrieb, der über jeden Zweifel erhaben ist.
Leder, Holz, Intarsien
Historisch bedingt hat der 6 ¾ Liter große Achtzylinder seit einem halben Jahrhundert Tradition; doch an sich müsste man in dieser Klasse mit einem glatten Dutzend Brennkammern und natürlich auch souveränen Allradantrieb unterwegs sein, der den gigantischen Tatendrang in Verbindung mit der exzellent abgestimmten Achtgang-Automatik noch eindrucksvoller auf den Asphalt zu bannen im Stande wäre. Dabei geht es weniger um die 305 km/h, die in dieser Liga abseits der dynamischeren Luxuslimousinen BMW M 760 Li xDrive, Mercedes AMG S 65 oder des kommenden Audi A8 W12 ebenso konkurrenzlos sind, wie die durstigen 15 Liter Normverbrauch, die sich beim Leistungsaufruf problemlos in die Richtung 20-Liter-Marke oder darüber hinaus schrauben. Es ist die Tatsache, dass in dieser Klasse zwölf Zylinder einfach gesetzt sind. Die Kunden, die sich in dieser Liga entweder in Asien chauffieren lassen oder in den USA oder Europa selbst ins Steuerrad greifen, für die sind Image und Auftritt eben alles. Und so eindrucksvoll der überarbeitete Mulsanne an Front, Flanke und Rückleuchten mit seinem Markeninsignium, dem Flying B spielt, so sehr fehlen vier Brennkammern unter der Motorhaube ohne, dass man dem doppelt aufgeladenen Achtzylinder abseits der Trunkenheit irgendeinen Vorwurf machen könnte.
Der Innenraum ist das Beste, was in Sachen Verarbeitung, Materialauswahl und Individualisierung derzeit zu bekommen ist. Dass das komplette Entertainmentpaket einschließlich der elektrisch ausfahrbaren und entnehmbaren Fondbildschirme gigantische 17.719 Euro kostet oder die Individuallackierungen bis zu mächtigen 29.000 Euro verschlingen, mag nur Kunden eines ebenso teuren Mittelklassemodells den Schlaf rauben. Schon angesichts von Leistung und 2,7 Tonnen Leergewicht sind die 15.470 Euro teuren Carbon-Keramikbremsen dagegen gut angelegt, weil sie für Sicherheit sorgen, während Füße nebst rahmengenähter Pferdelederschuhe auf den optionalen Lammwollteppichen durchatmen. Dass Details wie eine Rückfahrkamera (1.094 Euro) oder ein Abstandstempomat (3.474 Euro) zusätzliches Aufgeld kosten oder viele Assistenzsysteme gar nicht verfügbar sind, ist klassenbedingt schlicht inakzeptabel.