Für das Topmodell Bentley Mulsanne benötigt der Autobauer 14 bis 16 Tierhäute. Das Leder kommt wegen der geforderten einzigartigen Qualität ausschließlich aus Bayern, weil die Tiere in Süddeutschland nicht nur qualitativ hervorragend sind, sondern ihre Lederhäute auch besonders wenig Beschädigungen in sich tragen. An einem überdimensionalen Schneidetisch nimmt einer der Handwerker die Lederhäute mit genauem Blick Zentimeter für Zentimeter unter die Lupe. Gibt es eine Beschädigung, wird diese angekreidet, damit diese sich hinterher nicht auf dem Ledersitz eines Fahrzeugs wiederfindet. Ein Laser schneidet die mächtigen Tierhäute gemäß der Modellvorgabe danach in die zahlreichen Lederelemente, die zwei Arbeitsstationen weiter an einer Art Fließband zusammengenäht werden. Hier drückt die Zeit besonders, denn ein Arbeitstakt dauert gerade einmal neun Minuten. Dann zieht der Arbeitskorb mit den Lederteilen für das jeweilige Fahrzeug weiter. Näherin Sharon näht wie fast jeden Tag gerade an einer Dürrkopp Adler Nähmaschine mit der Inventarnummer 12684 braune Sitzelemente für einen Continental GT zusammen. Je nach Modell hat ein Fahrzeug rund 300 Lederteile, die aufwendig mit Nadel, Faden und Nähmaschine zusammengefügt werden müssen. Gearbeitet wird wegen der großen Nachfrage im Drei-Schicht-Betrieb. Der ungenutzte Lederverschnitt geht dabei keinesfalls in den Müll. "Diese kleinen Lederteile verkaufen wir nach China, wo andere Firmen Kleinteile wie Geldbörsen oder Schlüsselanhänger daraus machen", sagt Lee Seaney, Kopf über 90 Mitarbeiter.
Bentley bietet seinen Kunden aktuell 30 Innenfarben an ohne das hauseigene Individualisierungsprogramm Mulliner, bei dem jeder noch so ungewöhnliche Wunsch in die Tat umgesetzt wird. Dabei geht es oftmals nicht um die Lederfarbe oder eine besondere Kontrastnaht, sondern das Einsticken von Signets, Namen oder bunten Familienwappen. Das geschieht parallel an sechs Nähmaschinen, die nach den Vorgaben einer Computerprogrammierung die gewünschten Details millimetergenau in die Tierhäute aufbringen. Dorothea, hellblond gefärbt, hat mit ihren kunterbunten Fingernägeln alle Hände voll zu tun, die einzelnen Lederstücke in die Maschinen zu spannen. Gerade die Fahrzeuge, die in die Vereinigten Arabischen Emirate gehen, werden in den meisten Fällen mit eingestickten Schriftzügen auf Rückenlehnen oder Kopfstützen versehen. Wer möchte, kann das eigene Wappen natürlich auch in die Holzdekorflächen bei Richard Bell und seinem Team im Armaturenbrett oder der Mittelkonsole aufbringen lassen. Am Ende des Fließbandes sitzt in aller Ruhe auf einem Drehstuhl Angela, ein echtes Urgestein in der Abteilung. Sie kontrolliert mit stechendem Blick nochmals jedes noch so kleine Lederstück bevor es zum Beziehen der Sitze und Verkleidungen geht. Der Kunde ist eben König.
Fotos: Bentley
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- Veröffentlicht: 02. August 2019