Ezio wohnt mit seiner Familie direkt am Firmengelände. Seine Leidenschaft für Bugatti hat er längst an seinen Sohn Enrico übertragen, der sich seitdem ebenso darum kümmert, dass der Geist Ettore Bugattis hier nicht entschwindet. Als die Fabrik 1995 schloss, brach für die Arbeiter eine Welt zusammen. "Für sie war Bugatti mehr als eine Arbeit", erzählt Ezio Pavesi durch seinen Sohn Enrico, "sie machten keinen Urlaub und wollten abends nicht nach Hause. So sehr haben sie sich mit der Marke identifiziert." Das hat sich bis heute nicht geändert. Ehemalige Arbeiter kommen immer wieder an die Stätte eines automobilen Traumes, der nur kurz fliegen durfte. Ezio Pavesi hat mit dem Kapitel Bugatti bis heute nicht abgeschlossen. Jeden Morgen und jeden Abend macht er, der das Firmengelände und die Geschichte wie kein anderer kennt, einen Rundgang über das Areal. "Wenn es nachts stark regnet, geht mein Vater rüber und stellt Eimer unter die zahlreichen Löcher im Dach und leert die Eimer wenn es sein muss auch mehrfach auch", lächelt sein Sohn Enrico.
Als der Volkswagen Konzern die Marke 1998 unter Regie von Ferdinand Piech kaufte, hatten die Wolfsburger kein Interesse an der Produktionsstätte in Campogalliano, denn man wollte einen Neustart am traditionsreichen Standort in Molsheim im Elsass. So gab es die Auflage, das gigantische Bugatti Signet außen an der blauen Fertigungshalle zu übermalen. "Das haben die Arbeiter nicht fertiggebracht und daher wurde es nur mit einer blauen Folie überzogen", erzählt Enrico Pavesi stolz, während seinem Vater die Tränen in die Augen treten. Über die letzten 20 Jahre setzte die starke Sonneneinstrahlung der Folie mächtig zu und längst kann man das alte Bugatti Logo wieder erkennen. Nicht übertüncht werden konnten ohnehin die zahllosen eingemauerten EB-Signets, die sich auf vielen Wänden befinden und an den Gründer der Marke erinnern.
In den Hallen selbst ist die Zeit stehen geblieben - vor fast einem Viertel Jahrhundert. Die Maschinen sind verschwunden, die Scheiben sind ebenso verdreckt wie der Boden und an der Decke hängen noch die Bedieninseln für Strom, Licht und den Hebemechanismus, mit dem sich V12-Triebwerk und Karbonkarosserie einst aufwendig vermählten. Firmenpatron Romano Artioli kreierte in den 80er Jahren eine Manufaktur, die nicht nur das beste Auto der Welt fertigen sollte. Auch die Fabrik sollte die beste und modernste auf der ganzen Welt sein. Die Maschinen waren die exquisitesten, die es für Geld zu kaufen gab, die Fertigung war offen, variabler und komfortabler als alle vergleichbaren. Topmanagement und Werker aßen zusammen mit einer lichtdurchfluteten Kantine im ersten Geschoss und plauderten bei sanfter Musik aus Hightech-Lautsprechern über die Erlebnisse des Alltags, während die frisch zubereiteten Speisen auf edlem Porzellan mit Bugatti-Signet vertilgt wurden. Bevor es im Produktionsgebäude hinaufgeht zur Kantine mit, zeugt eine schwere Holztür von der Bugatti-Historie und dem Schulterschluss zwischen dem ehemaligen Firmensitz in Molsheim und der damals neuen Fertigung in Campogalliano. Seinerzeit wollte man so die enge Verbindung und den Schulterschluss zwischen den Molsheim und Campogalliano ausdrücken. Zwei große Designfresken in der Kantine sollten in der Vergangenheit mehrfach entfernt werden. Bugatti-Sammler hatten ebenso Interesse daran, wie die Bugatti Designabteilung unter Achim Anscheidt. "Doch die beiden Bilder lassen sich nicht entfernen", erzählt Anscheidt mit Blick auf die beiden gigantischen Wandbilder, "im Laufe der Jahre sind diese mit der Wand verwachsen." Wie schon beim einst mit Folie überklebten Bugatti-Signet an der blauen Außenwand scheint es so, dass das Werk in Campogalliano seinen Ursprung nicht preisgeben will und insgeheim auf eine Wiederbelebung hofft.
Fotos: Daniel Wollstein
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- Veröffentlicht: 29. Juli 2019