Wie viele von den Bugatti EB 110 dort direkt an der Autobahn zwischen Verona und Modena entstanden, weiß keiner genau. Offizielle Aufzeichnungen sprechen von knapp über 130 Fahrzeugen, 96 GT- und 34 oder 36 SS-Modelle. "Die letzten beiden Bugatti EB 110 wurden noch zusammengeschustert, als die Zwangsvollstrecker vor dem großen Eingangstor standen", erzählt Bugatti-Chefdesigner Achim Anscheidt. Der Bugatti EB 110 war der mit Abstand ungewöhnlichste Supersportwagen seiner Zeit. Er sollte das Beste vom Besten sein und seine Technik war einzigartig, doch eben auch trotz des Kaufpreises von mehr als 700.000 D-Mark für die Firma dahinter unbezahlbar. Bereits beim Design hakte es, denn mit der eigentlichen Kreation war Firmenpatron Romano Artioli nicht zufrieden. Es gab eine Reihe von Verbesserungsversuchen, die nicht den gewünschten Erfolg brachten. Schließlich sorgte Giampaolo Benedini für den letzten Schliff und der war der Architekt, der das Gebäude am Firmensitz in Campogalliano kreierte.
Pleite im Herbst 1995
Er versuchte sich als Autodesigner und sorgte beim strauchelnden EB 110-Äußeren für den letzten Schliff. Angetrieben wurde der Konkurrent des Ferrari F40 von einem 3,5 Liter großen V12-Motor mit vier Turboladern. Damit die Kraft von anfangs 560 und später über 600 PS und bis zu 630 Nm maximalem Drehmoment überhaupt auf den Boden kam, gab es einen Allradantrieb. Der EB 110 wurde mit 351 km/h schnellstes Serienfahrzeug der Welt und fuhr ab dem ersten Fahrzeug Verluste ein. Dafür sorgte die astronomisch teure Fabrik, die noch teurere Technik des Supersportwagens mit einem Materialmix aus Karbon, Aluminium und speziellen Kunststoffen. Die überschnelle Entwicklungszeit erhöhte de Kosten und sorgte dafür, dass der Bugatti nicht so leicht und nicht so sportlich wurde, wie sein Hauptgegner Ferrari F40. "Verglichen mit einem Ferrari F40, bei dem man die Hände kaum vom Steuer nehmen konnte, fuhr sich der EB 110 viel leichter und weniger herausfordernd", sagt Bugatti-Testfahrer Andy Wallace, "unten herum passiert nicht viel, doch wenn die Turbos kommen, wird es brachial."
Seit der Firmenpleite im Herbst 1995 steht das Gelände der Sportwagenmanufaktur leer. Pläne gab es für das Areal viele, doch weder das Einkaufszentrum, noch ein Autopark oder eine Erlebniswelt kamen über den Planungsstand hinaus. Die ehemalige Bugatti-Fertigung ist heute eine Zeitkapsel, wie es im Norden Italiens eine ganze Reihe gibt. Doch nur bei wenigen ist die Geschichte derart lebendig und automobil wie beim alten Bugatti Werk in Campogalliano. Dass alles nicht komplett zerfallen oder zerstört worden ist, dafür sorgt ein Vater mit seinem Sohn - seit Jahr und Tag unentgeltlich. Ezio Pavesi liebt die Bugatti-Fabrik wohl kaum weniger als seine Frau. Sein Vater war einer der 150 Angestellten in der Sportwagenmanufaktur, deren Existenz man bei Volkswagen nach der Übernahme und dem Neuaufbau der Marke in Molsheim, lange verschwieg.
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- Veröffentlicht: 29. Juli 2019