Der Bus der BRT-Linie 300 fällt wegen seinen grau-silbernen Lackierung auf, denn die anderen Busse sind knallrot lackiert. Die zahlreichen Kameras hinter der mächtigen Frontscheibe und an den Flanken fallen keinem der Fahrgäste auf. Er rollt langsam heran und die Türen öffnen sich. Der Bus fährt an und nach wenigen Metern färbt sich die Deckenbeleuchtung blau statt zuvor weiß. Heißt, der Busfahrer hat sein Steuer per Tastendruck an den unsichtbaren Autopiloten übergeben. Er nimmt die Füße von Gas sowie Bremse und lässt auch das große Buslenkrad wie von Geisterhand seinen Dienst tun. Fortan überwachen zahllose Sensoren des City Piloten jeden Millimeter der Fahrt. Der Bus der Zukunft ist unter anderem mit Fern- und Nahbereichsradar, sowie einer Vielzahl von Kameras sowie dem satellitengesteuerten Ortungssystem GPS ausgestattet, die allesamt miteinander vernetzt sind. Techniker Peter Schumacher: "Es geht um eine möglichst genaue Lokalisierung des Busses. So können wir den Bus präzise über die Fahrbahn führen und an den Haltestellen die Türen öffnen und schließen lassen."
Autonom ins neue Jahrzehnt
"Der City Pilot ist eine Weiterentwicklung des Highway Pilot, speziell für Großstädte", sagt Wolfgang Bernhard, im Daimler-Konzern verantwortlich für Trucks und Busse, "damit fahren wir teilautonom auf speziell ausgewiesenen Busspuren. Das macht den öffentlichen Nahverkehr effizienter, sicherer und leistungsfähiger: mehr Menschen können schnell, pünktlich und komfortabel von A nach B kommen. Busbetreiber, Busfahrer, Fahrgäste - alle profitieren." Vollautomatisch hält der Bus mit dem deutschen Kennzechen MA - IN 2016 an der nächsten Haltestelle De Hoek. Keiner da, die Türen bleiben zu und es geht weiter auf der Busspur. Nur ein paar Meter daneben verläuft die Landstraße; dahinter ziehen grüne Getreidefelder vorbei. An der dritten Haltestelle Beukenhorst wird es dem höchst menschlichen Fahrer des nachfolgendes Busses der Linie 300 zu bunt. Er überholt. Kein Wunder, denn der teilautonome Proband lässt es mitten im normalen Fahrplanbetrieb zwischen Schiphol und Haarlem zaghaft angehen. Maximal fährt er auf freier Strecke Tempo 70 und rollt betulich und träge an die einzelnen Haltepunkte der BRT-Linie heran. Dafür hält er zentimetergenau an Haltestellen und Ampeln, fährt automatisch an, durchquert Tunnel, bremst für Hindernisse sowie Fußgänger auf der Fahrbahn und kommuniziert mit Signalanlagen. Der Fahrer ist an Bord und überwacht das System. Als beim Anfahren am Haltepunkt Toolenburg ein Fußgänger auf die Fahrtrasse läuft, bremst der Bus automatisch ab. Alles gut gegangen und der Busfahrer musste nicht einmal eingreifen.
Die Passagiere sitzen in einem Linienbus, der trotz seiner autonomen Zukunftsqualitäten nicht elektrisch oder mit einem Wasserstoffmodul angetrieben wird. Im Heck des Testbusses dieselt ein Selbstzünder laut vernehmbar vor sich hin, während im Innern harte, aber loungige Sitzmöbel und indirekte Beleuchtungen zum Verweilen einladen. Wie man es von aktuellen Linienbussen kennt, gibt es Stehplätze und Sitzplätze für ältere Personen. Die Haltegriffe sind wahlweise dezent oder betont auffällig inszeniert und neben den Sitzmöbeln gibt es unscheinbare Flächen, auf denen man sein Smartfon kabellos aufladen kann. WLan und moderne LED-Beleuchtungen sind ebenso selbstverständlich, wie das überdimensionale Info-Display für die Passagiere.
- Details
- Veröffentlicht: 18. Juli 2016