Auf dem Boden der Werkstatt stehen ein alter V8-Motor und ein Reihensechszylinder, die beide schon bessere Zeiten gesehen hat. Doch das ist schon lange her. Benzintriebwerke aus Zeiten, in denen wohlhabende Amerikaner die Karibikinsel zu ihrem liebsten Feriendomizil auserkoren hatten. Sie brachten in den 40er und 50er Jahren die ausladenden Straßenkreuzer mit, um hier standesgemäß zu reisen. Als die politische Lage 1959 kippte, verschwanden die enteigneten Amerikaner und nur ihre Autos blieben. Bis heute sichern betagten Chevys, Cadillacs und Fords die Mobilität eines ganzen Volkes. Viele Autos sind zerborsten, zusammengeschustert und wurden mehr schlecht als recht am Leben erhalten. Wer an der Straßenkreuzung den charismatisch blubbernden V8-Klang vermisst, hat keinen Hörschaden. Stattdessen rasselt und klappert es, wie im Rucksack vom Nikolaus. "Natürlich mag ich auch einem liebsten einen 400 PS starken V8, der in einem Chevy blubbert", lächelt Horge, "aber das ist Vergangenheit. Die gibt es hier kaum noch, weil es keine Ersatzteile mehr gab und die Dinger einfach zu durstig waren. Stattdessen sind in den meisten Straßenkreuzern Dieseltriebwerke von Mercedes, Peugeot oder VM verbaut. Die verbrauchen weniger und sind aus Europa auch zu bekommen. Die meisten Teile kommen aus Spanien."
Hightech in Oldies
Moderne Autos sieht man auf den Straßen von Havanna nur wenige. Hier und da unterbrechen Peugeot 301, VW Käfer oder ein paar neuere Hyundai-Modelle das Bild der historischen US-Klassiker. Peugeot ist neben Hyundai und Mercedes einer der wenigen Hersteller, der in Kuba ernsthaft auf dem Markt präsent ist. Der Marktanteil der Franzosen: stattliche 15 Prozent. Nach IHS-Informationen wurden in den letzten 20 Jahren jeweils 1.500 bis 5.000 Neufahrzeuge nach Kuba eingeführt. Neben Behörden und dem Militär gingen die meisten Modelle in die Hände von Ärzten, Künstlern und Politikern. In den nächsten Jahren rechnen viele jedoch mit einem weitgehenden Aufbrechen des Handelsembargos. Bis zum Jahr 2020 könnten dann 15.000 bis 20.000 Fahrzeuge pro Jahr eingeführt werden. Geld ist im Ausland schließlich genügend vorhanden. 1,5 der zwölf Millionen Kubaner wohnen allein im Großraum Miami.
Pedro cruist mit seinem hellgrünen Chevy Bel Air von 1954 die Küstenstraße von Havanna entlang. Er biegt nach rechts in eines der Touristendistrikte. In Blinkern und Außenspiegel entflammen grelle LED-Blitze. "Habe ich erst gerade einbauen lassen. Klasse oder?", lacht Pedro und klappt die rechte Sonnenblende herunter, "natürlich mit DVD-Player." Die Kubaner sind autoverrückt. Spricht man Pedro auf seinen blitzblanken Bel Air an, kommt er nur auf Nachfrage auf den 2,8 Liter großen Toyota-Vierzylinder-Diesel unter der polierten Haube zu sprechen. Nach der Revolution im Jahre 1959 dauerte es bis 2011 ehe die kubanische Regierung wieder einen Autohandel zwischen Privatleuten zuließ. Zuvor durften Kubaner nur dann ein eigenes Auto besitzen, das vor 1959 eingeführt wurde. Seit 2014 dürfen Neufahrzeuge eingeführt werden, wobei der Staat das Einfuhrmonopol hält. Astronomische Preise sorgen dafür, dass sich jedoch auch weiterhin alles um die US-Klassiker dreht. Ein Peugeot 206 kostet nach Angaben der Analysten von IHS umgerechnet 90.000 Dollar. Verrückte Welt: elektrische Fensterheber sind übrigens ebenso gesetzlich verboten wie Benzinmotoren.
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- Veröffentlicht: 07. Juli 2016