Die Autohersteller entwickeln Fahrzeuge, die erste einige Jahre später auf den Markt kommen. Doch welche Trends herrschen dann vor und welches Design ist im entsprechenden Segment dann das richtige? Ein geheimes Buch mit sieben Siegeln sind die Auto- oder Kundenkliniken, die in die Wunderkugel blicken.
Blick in die Glaskugel
Die Autohersteller entwickeln Fahrzeuge, die erste einige Jahre später auf den Markt kommen. Doch welche Trends herrschen dann vor und welches Design ist im entsprechenden Segment dann das richtige? Ein geheimes Buch mit sieben Siegeln sind die Auto- oder Kundenkliniken, die in die Wunderkugel blicken.
Irgendeine große Halle am Ende einer Sackgasse in einem namenlosen Industriegebiet in der Nähe von Essen. Nebenan auf dem Gelände stapeln sich Kisten, das nachbarschaftliche Lager für Rohre quillt über und eine Großbäckerei versorgt von hier ihre zahlreichen Filialen. Die nüchterne Halle mit Vorraum und kahlen Wänden hat keine Fenster und der dazugehörige Parkplatz platzt aus allen Nähten. Vor dem Portal lümmeln sich ein paar Raucher herum und neben dem Sicherheitsmann prangt auf der Tür ein großes Schild "Zutritt verboten - Mobiltelefone verboten". Keine Frage, hier geht es geheimnisvoll zu, denn auch die Leute vor der Tür sprechen augenscheinlich nur die nötigsten Worte miteinander. Das, was wie in einem Agententhriller aus den frühen 1980er Jahren anmutet, ist für die Autoproduzenten lebendiger Alltag. Regelmäßig veranstalten die Hersteller selbst oder von ihnen beauftragte Agenturen sogenannte Auto- oder Kundenkliniken. Dabei geht darum, den Geschmack der Kunden herausfinden und zwar möglichst präzise jenen, der erst in ein paar Jahren vorherrscht. Bei den Kundenklinken werden den Probanden Fahrzeuge, Technologien oder Innenausstattungen gezeigt, die sie möglichst neutral bewerten sollen. Oftmals kann man bei den Kliniken Fahrzeuge verschiedener Marken miteinander vergleichen, bisweilen sind von einem Hersteller jedoch ähnliche Fahrzeuge mit unterschiedlichen Designdetails oder Karosserieformen zu beäugen - zumeist ohne Firmenlogos oder Modellnamen.
Streng geheim - streng bewacht
Der Grund für die Geheimnistuerei ist einfacher denn je. Die Autofirmen müssen für die Entwicklung eines neuen Fahrzeugs zumeist hunderte von Millionen Euro in die Hand nehmen. Ist es sogar ein völlig neues Modell, dass weltweit in verschiedenen Varianten in unterschiedlichen Werken produziert werden soll, kostet so eine Entwicklung mitunter mehrere Milliarden. Daher darf bei Entwicklung und Design nichts daneben laufen, denn jeder Fehler ist teuer - sehr teuer. Aus diesem Zweck veranstalten die Autohersteller ebenso Kundenkliniken wie dies Firmen bei Unterhaltungselektronik, Lebensmitteln oder Bekleidung tun. Allerdings geht es in der Autoindustrie um Summen, von denen andere Branchen nur träumen können. Die Kundenklinken finden dabei auf verschiedenen Ebenen statt und haben verschiedene Adressatenkreise. Geht um ein neues Segment, fragen die Firmen in den streng gesicherten Anlagen generelle Meinungen und Trends ab, um das Fahrzeug zu positionieren. Das kann mitunter vier bis sechs Jahre stattfinden, bevor das vermeintliche Fahrzeug auf den Markt kommt. Geht es um das konkrete Modell, so finden die finalen Kundenbefragungen zumeist vor dem finalen Design- oder Technikprozess statt. Das sind meist zweieinhalb bis vier Jahre bevor es final losgeht und gegebenenfalls nur noch kleine Details geändert werden können.
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- Veröffentlicht: 03. Februar 2022