Bei der Routenführung sollte man sich vorab davon verabschieden, flott unterwegs sein zu wollen. Der 1,6 Liter große Vierzylinder-Boxer im schnatternden Heck des Thing leistet schmale 28 kW / 44 PS und ein kaum messbares Drehmoment. Bergauf über die zahlreichen Brückenkonstrukte im Süden der USA geht es bei entsprechender Beladung oftmals nur mit Zurückschalten in den dritten Gang und ausdrehen des selbigen. 115 km/h Höchstgeschwindigkeit sind 72 Meilen pro Stunde und die schafft das rund eine Tonne schwere Kantholz nur an guten Tagen. Deutlich besser ist man daher auf den kleinen Landstraßen aufgehoben und wo besser als hier könnte man die unberührte Natur der Südstaaten besser erkunden? Das flatterige PVC-Dach hinten geklappt, die Steckscheiben raus und wenn es ganz mutig sein soll, wird sogar noch die Windschutzscheibe nach vorne gedrückt. Dann stürmt im Innern des Kübels jedoch ein Orkan und der Fahrtwind peitscht ins Gesicht. Doch so kann man die Natur bestens ins sich aufsaugen. Im Heck rasselt emotional aber wenig engagiert der Boxer, der erst 1974 auf immerhin 48 PS erstarkte, während die Umgebung beim Charme des gelben Geburtstagskinds schier aus dem Häuschen ist. An Tankstellen, vor Coffeeshops, beim Einkaufen oder vor Hotelvorfahrten interessiert sich niemand mehr für die in dieser Region ohnehin nur schwer anzutreffenden Luxuskarossen oder Sportwagen. A Star is born - the Thing.
Buntes Treiben in New Orleans
Keine Frage - der gelbe 181 hat die Show im Kasten. Überall. Trucker hupen lautstark, wenn sie einen überholen, Harley-Biker recken den Daumen in die Höhe und steht man erst einmal an einer Ampel kommt man kaum umhin, die begeisterten Zuschauer in das kantige Wellblech eintauchen zu lassen. Hat man die naturbelassene Küstenregion zwischen Tallahassee und Pensacola, die im Herbst letzten Jahres von Hurrican Michael übel zugerichtet wurde, erst einmal hinter sich gelassen, dominieren neben Sümpfen die bunten Pfahlhäuser das Bild entlang der Bundesstraße 98. Das Wetter ist deutlich kühler als erwartet und der starke Wind sorgt dafür, dass man die nicht funktionierende Heizung des VW 181 schmerzlich vermisst. Die Moskitos scheinen die kühlen Temperaturen kaum zu stören, denn sie finden den gelben Lack von The Thing beinahe so anziehend wie das Blut der Insassen beim abendlichen Essen.
Man kann die Südstaaten kaum mit anderen Regionen in den USA vergleichen. Da gibt es in Alabama und in Louisiana die großen Grundstücke mit ihren beeindruckenden Magnolien, die weißen Gartenzäune und mächtige Tore. Size matters - und alles ist ein paar Nummern größer. Das gilt auch für die Autos. Natürlich liebt man Pick Ups und baut in Küstennähe zumeist aus gutem Grund auf mächtigen Pfahlbauten. Regelmäßig gibt es Hochwasser vom lebensspendenden Golf von Mexiko, der Fische, Krebse, Krabben und Co. zu einer ernsthaften kulinarischen Alternative der Steakindustrie werden lässt. Die Zahl der großen Städte ist überschaubar, doch dem Charme von New Orleans und dem Mississippi-Delta kann man sich trotz der Touristenströme nur schwer entziehen. Mardi Grad ist gerade erst eine Woche vorbei, doch gefeiert wird hier jeden Abend. Während der Schaufelraddampfer Steamer Natchez sich zur Dinnercruise verabschiedet, brandet rund um die Bourbon Street das bunte Leben auf. Doch selbst zwischen den vergnügungssüchtigen Touristen fällt the Yellow Thing auf. Der eine oder andere hält ihn in Feierlaune für automobilen Voodoo. Dass der Valet-Parkservice den VW 181 vor dem Hotelportal stehen lässt, weil hier niemand mit einer Handschaltung fahren kann, sichert zusätzliche Aufmerksamkeit und einen schnellen Zugriff aufs Fahrzeug. Um den für Diebe zu erschweren, werden bei der Fahrt die Koffer durch Fahrradschlösser gesichert.
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- Veröffentlicht: 19. März 2019