Doch während die meisten hier den Staudamm besichtigen, andere in die nächste Zeitzone nach Arizona stapfen oder das eigene Speedboot zu Wasser lassen, geht es Dirk Hohmann um etwas ganz anderes. Die Wellen, die ihn beschäftigen, zerschellen nicht am Bug des weißen Sportbootes, das gerade auf dem Lake Mead vorbeidonnert, sondern es sind die Störwellen am Hoover Dam. Die riesigen Stromtrassen sind eine harte Prüfung für die automobile Bordelektronik. Funktionieren trotzdem Navigation, digitale Instrumente und die Reifendruckkontrolle? Es passt alles - keine Probleme. "Die magnetischen Wellen sind kaum irgendwo größer als hier", erklärt Entwickler Dirk Hohmann, "aber wir machen die Tests zum Beispiel auch in Los Angeles und San Diego mit den dortigen Militäreinrichtungen." Dass immer mehr Touristen auf die Prototypen oberhalb des Hoover Dams aufmerksam werden, Fotos machen und sogar neben dem getarnten Dreier posieren, stört die Entwickler nicht. Der G20 wurde in den vergangenen Monaten bereits zahlreich abgeschossen und so gibt es nichts Offensichtliches mehr zu verheimlichen. Die wirklichen Details bei Design und Ausstattung lassen sich hinter den Tarnfolien ohnehin nicht erkennen. Bevor es weiter geht, leeren Lutz Hahn und Dirk Hohmann gekühlte Wasserflaschen und steigen wieder in ihre Autos. Noch zweimal über den Hoover Dam und die Messungen kontrollieren bevor es nach Henderson zum statischen Hitzetest geht.
Die Zeit drängt - und wie
Danach stehen in der Nähe von Pahrump dreckige Staubtests in der Steppe an. Nachdem mit einer Sprühdose und einem Lappen alles abgewedelt wird, führt einen die Ash Meadows Road Richtung Devils Hole zwölf Meilen im dichten Staub hin und wieder zurück. Neben dem Staubbild werden auch andere Fahrfunktionen getestet. "Mit den neuen Bremsen, die wir bei diesem G20 verbaut haben, bin ich sehr zufrieden", nickt Dirk Hohmann zufrieden, "und auch die Lenkung passt. Vorhin gab es jedoch ein Schaltruckeln vom Getriebe." Treten derlei Probleme auf, drückt der Entwicklungsingenieur den Trigger, der den Fehler und seine Rahmenbedingungen aufzeichnet. Nach jeder Testfahrt werden die Daten ausgelesen, verarbeitet und etwaige Ungereimtheiten gelöst.
Derzeit gehen die Erprobungen am neuen Dreier BMW in die finale Phase. Im März 2019 kommt die Mittelklasselimousine als neuer Konkurrent der jüngst überarbeiteten Mercedes C-Klasse und des Audi A4 auf den Markt. Ganz so viel Zeit hat Thomas Bäumer nicht mehr. Er leitet das Projekt Dreier BMW und so laufen bei ihm nicht nur alle Fäden bei Entwicklung und Tests zusammen, sondern auch alle Probleme ein. Wie sehr die Zeit drängt, sieht Bäumer jeden Morgen, wenn er sein nüchternes Büro in der zweiten Etage des BMW-Entwicklungszentrums FIZ betritt. Eine rot schimmernde Digitaluhr zeigt ihm unweigerlich, wie viele Tage es noch bis zum Produktionsstart des neuen Dreiers sind. Thomas Bäumer und sein Team liegen gut in der Zeit, doch es gibt keinen Grund für Entspannung, auch wenn in den vergangenen knapp drei Jahren fast jedes noch so große Problem gelöst wurde, das sich den Entwicklern stellte. Mal wollte das Designelement des Fensterrahmens an der C-Säule nicht passen, man war der Durchmesser der Kabelstränge hinter den Innenverkleidungen zu klein und mal pfiffen die Lüfterklappen. Jetzt stehen nur noch Detailarbeiten und Validierungen an, ehe das neue Mittelklassemodell aus München in Produktion gehen kann.
- Details
- Veröffentlicht: 02. August 2018