Den Power-Vogel schießt Martin Vettermann ab. Der Schiffsbau-Konstrukteur hat in seinen Beetle kurzerhand einen Motor aus dem Passat R36 implantiert. Bis das V6-Triebwerk in den engen Motorraum des kleineren VWs passte, waren 100 Stunden Vorbereitung nötig. Die meisten Teile fand der 60jährige gebraucht bei ebay und passte sie auf den Beetle an, zum Beispiel musste der Kabelbaum neu gelötet werden. "Mechanisch gesehen war der Umbau dann aufgrund des VW-Baukasten-Systems einfach", erklärt Vettermann. Er besteht darauf, dass das 300-PS-Monster auch bei Nässe recht einfach zu fahren ist. Damit die 265er Hinterreifen nicht den Kontakt verlieren, helfen die gleichmäßige Kraftentwicklung des Saugers, ein KW-Clubsport-Gewinde-Fahrwerk und die Bremsanlage aus dem Audi RS Q3. Kaufanfragen lehnt der freundliche Norddeutsche ab. Sein Beetle ist ein laufendes Projekt. Als nächstes kommt der Innenraum dran.
Tolerante Atmosphäre
Bei allem Spektakel, das aus den Verbrennungsmaschinen für Krawall sorgt, ist die Beetle-Gemeinde eher gesetzt und entspannt unterwegs. Während beim GTI-Treffen am Wörthersee solange Donuts gedreht werden, bis dicke weiße Rauchschwaden, die nach verbrannten Gummi riechen, das knallende Ende der Pneus ankündigen und Bierdosen-Burgen sich neben dem Spannferkel-Grill türmen, gibt es in Travemünde einen Stand mit veganem Essen. "Ich bin noch immer Lactose intolerant", sagt eine junge Frau. Bei den Beetlianern geht es entspannt und tolerant zu. Als eine 17jährige, die von ihrem Vater für das betreute Fahren ein Beetle-Cabrio bekommen hat, freimütig zugibt, dass sie sich einen Mini Cooper gewünscht hatte, ist nur leichtes Murren zu vernehmen. Man stelle sich eine solche Aussage beim Opel Treffen in Oschersleben vor, da hätte das Pfeifkonzert bei jedem Anwesenden zu einem Tinnitus geführt. Die junge Frau ist mittlerweile bekehrt, denn sie will ihren Beetle so lange fahren, bis der ein H-Kennzeichen bekommt. Das sind noch 18 Jahre. Da brandete dann doch begeisterter Applaus auf.
Die New Beetle Gemeinde, die sich jedes Jahr auf der Festwiese Brügmanngarten trifft, wächst jedes Jahr. Was 2004 als eine Ausfahrt einer kleinen Gruppe von Beetle-Begeisterten begann, ist mittlerweile eine Veranstaltung, die den Rahmen an der Ostsee zu sprengen droht: Über 600 Autos und mehr als 4.000 Teilnehmer bevölkern das beschauliche Travemünde. Manche haben keine Mühen gescheut und sind mit ihren fahrbaren Untersätzen aus der Ukraine und Spanien angereist. Langweilig wird es nie, schließlich gibt es ja genug Autos zu bestaunen, die fein säuberlich nebeneinander aufgereiht auf dem Rasen stehen. Ein bisschen GTI-Treffen-Rock-n-Roll steckt aber auch in den Beetle-Fans. Abends beschallt eine Live-Band die Gegend dermaßen, dass ältere Urlaubsgäste, die auf der Strand-Promenade flanieren, überrascht die Hälse recken. Den ganzen Tag über werden die schönsten Autos prämiert. Das Motto des diesjährigen Treffens lautet dieses Jahr "Crazy, nichts für Spießer!" Neben einigen tiefergelegten Boliden, bei denen die Reifen in den Radläufen verschwinden, ist der silbern schimmernde Beetle RSi ein Blickfang. Nicht wegen seiner extravaganten Optik, sondern der Tatsache, dass das Auto die Zulassungsnummer 001 hat.
Fotos: press-inform / VW
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- Geschrieben von wolfgang-gomoll
- Veröffentlicht: 21. August 2016