Mit einem Dreh am Zündschlüssel, links, versteht sich, erwachen die sechs Töpfe im Heck des Vehikels zum Leben. Heißer röchelnd, wild sprotzelnd, ungehemmt und frei hochjubelnd, sich selbst zelebrierend ohne irgendwelche Beschränkungen. Die waren damals - 1972 - noch weit weg. Mit jeder Bewegung des Gasfußes erwacht der Zeiger des Drehzahlmessers zum Leben, wild zuckend, wie eine giftige Kobra, die auf ihr Opfer zuschnellt. Erst jenseits der 7.000er-Marke, signalisiert ein schmaler roter Bereich das Ende des Umdrehungsfestivals. Intuitiv wandert der Griff zum Ganghebel. Knack, spürbar rastet der erste Gang ein. Die Sportgene des RS sind deutlich fühlbar, das gilt auch für die Kupplung, die es mit einem einen sehr exakten Druckpunkt dem Fahrer leicht macht. Schon nach wenigen Metern ist klar: Der Kult um dieses Auto, der in astronomischen Preisen kulminiert, ist berechtigt.
Feuer frei
Auch nach vierzig Jahren fühlt sich dieser 911er porschiger an, als so manches aufgepumpte Vierzylinder-Vehikel unserer Tage. Unglaublich, wie präzise diese Rennmaschine mit Straßenzulassung mit dem coupierten Asphalt spielt. Die Stahlfedern vernichten jegliche kinetische Energie, die der Untergrund gegen die Karosserie wirft. Die Lenkung ist die Verlängerung des Handgelenks. Der Pilot gibt die Richtung vor, der 1.075 Kilogramm schwere Bolide folgt mit der Selbstverständlichkeit eines Sportlers, dessen Athletik nur dem einen Zweck dient, eine Strecke möglichst schnell zu überwinden. Egal, wie viele Kurven oder Hügel den Weg zum Ziel erschweren. Hinten sägt, kreischt der Boxermotor metallisch, dass einem das Blut in den Adern gefriert, und fordert den Fahrer mit jeder Umdrehung der Kurbelwelle: "Tritt mich, jage mich, hol alles aus mir raus!"
Wer sich nicht der Dominanz der 210-PS-Maschine unterwirft, stiehlt dem Porsche RS 2.7 seine Lebenslust. Die spielt sich nur im Hochdrehzahlbereich ab, unter 4.500 Touren geht nicht viel. Umso mehr im 2.800-U/min-Drehzahlband bis zum roten Bereich. Garniert wird der puristische Tanz der mechanischen Urgewalten mit dem exakt zu führenden Fünfgang-Getriebe. Die endorphine-lösende Erfolgsformel wiederholt sich hunderte Male. Anbremsen, auskuppeln, jubelndes Zwischengas, einkuppeln, Scheitel anvisieren, draufhalten und Feuer frei. Der knapp 45 Jahre alte 911er ist eine Granate, die heute noch viele Sportwagen alt aussehen lässt. Jetzt versteht man auch, warum die Seitenspiegel so winzig sind. Mit diesem Porsche kam eh kein Fahrzeug mit. Übrigens: Das Flehen des Fahrers nach einer Zeitmaschine, um ins Jahr 1973 zu reisen und sich einen dieser Wunderwerke für knapp 34.000 D-Mark zu holen, wurde nicht erhört. Doch ein Traum wurde wahr: einmal einen echten Porsche 911 RS 2.7 zu bewegen.
Fotos: press-inform / Porsche
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- Geschrieben von wolfgang-gomoll
- Veröffentlicht: 23. Juli 2016