Anders als bei anderen Firmen ist die Fluktuation bei der Mercedes-Belegschaft vergleichsweise gering. Wechseln normalerweise 20 Prozent jährlich den Job, sind es bei Mercedes in Bangalore gerade Mal sieben Prozent, die woanders anheuern. "Die Strahlkraft der Marke ist sehr hoch"; erklärt Saale. Auch wenn sich die wenigsten einen Mercedes leisten können, spürt man in jedem Winkel der Gebäude den Stolz der Mitarbeiter, die tatkräftig an der Verbesserung der Prozesse mitarbeiten. Die besten Ideen werden prämiert und der Angestellte mit einem Photo an der "Wall of Fame" gewürdigt. Die Flure und Wände sind fast antiseptisch sauber. In der Kantine die aus allen Nähten platzt, ist das Essen umsonst.
Vorreiterrolle aufgrund des chaotischen Verkehrs
Außerhalb von Sindelfingen ist der indische Entwicklungsstandort der zahlenstärkste im weltweiten Verbund des Mercedes-Konzerns. Die Rolle der Techniker, die in der drittgrößten indischen Stadt ihren Job verrichten wird immer wichtiger und geht im digitalen Zeitalter zunehmend über das bloße Programmieren von Ideen, die aus Sindelfingen und dem kalifornischen Silicon Valley kommen, hinaus: Die IT-Expertise betrifft übrigens nicht nur Autos, sondern auch das Planen von Fabriken. Die Schwaben nutzen so den Zeitunterschied und natürlich auch den Kostenvorteil: Ein indischer Ingenieur kostet etwa ein Drittel des deutschen Pendants.
Rund 3.900 Ingenieure sitzen in Großraum-Büros und lassen die Köpfe rauchen. Nur kleine Stehwände trennen die einzelnen Arbeitsplätze, Konzentration ist oberste Ingenieurs-Pflicht. es ist so leise, dass man eine Stecknadel fallen hören kann. Neben den aufwendigen Simulations-Berechnungen tüfteln die Mitarbeiter auch an Telematik-Software: "Die neue E-Klasse hat auch hier fahren gelernt", strahlt Manu Saale. Das Entwickeln von Apps und Software, die Verbesserung von Telematik, die künstliche Intelligenz sowie komplexe Simulationen laufen in den rechteckigen Gebäudekomplexen ab. Das zeigt, dass sich die Zeit der reinen Erfüllungsarbeiten sich dem Ende zuneigt. Aus Bangalore kommen witzige und nützliche Ideen, wie die Möbel-Beladungs-App "pactris", die Daimler-Chef Dieter Zetsche auf der IFA vorstellte, ist in Bangalore entstanden. Durch das Scannen des Barcodes eines Möbelstücks gibt die Software Tipps, wie man einen Smart so intelligent belädt, dass alle Einkäufe in den Kofferraum passen.
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- Geschrieben von wolfgang-gomoll
- Veröffentlicht: 11. November 2016