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Problemkind Diesel

Dieselmotoren sorgten schon immer für brummende Schädel bei Ingenieuren. (Foto: Hersteller)

Das aktuelle Spießrutenlaufen der VW Manager kommt nicht ganz unerwartet. Schon lange bringt der Dieselantrieb Ingenieure aus aller Welt an ihre Grenzen.

Als am 27. Februar 1892 Rudolf Christian Karl Diesel beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin das Patent auf eine Neue rationelle Wärmekraftmaschine einreichte, ahnte noch niemand, welch großen Stein er damit ins Rollen beziehungsweise fahren gebracht hat. Mit den aktuellsten Motoren-Generationen hat sein Werk zwar nicht mehr viel gemein. Doch wünschte sich so manch Manager in den vergangenen zwei Wochen eine ähnliche Gesetzgebung, wie sie noch vor über 120 Jahren galt. Aber wo liegt denn eigentlich das Problem bei einem Dieselmotor? Denn so wie jeder weiß, ist der Treibstoffverbrauch stets geringer als bei einem Benzinmotor und das zählt doch eigentlich nur beim Kauf eines Autos. Oder doch nicht?

Euro 6 - Norm sorgt für Wirbel

Werden fossile Brennstoffe motorisch verbrannt, entstehen neben den Verbrennungsprodukten Wasserdampf und Kohlendioxid zwangsläufig unerwünschte Nebenprodukte. Dazu zählen Kohlenmonoxid, unverbrannte Kohlenwasserstoffe, Partikel und Stickstoffoxide. Vor allem letztere, unter ihrem chemischen Namen NOx bekannt geworden, sind unter anderem für den sauren Regen mitverantwortlich - und die aktuelle Miesere im VW Konzern. Es wundert daher nicht, dass der Schwerpunkt bei zukünftigen Abgasreduzierungen neben den Partikelemissionen auch auf der drastischen Senkung des Stickstoffoxid-Ausstoßes liegt.


Warum nur Dieselmotoren von dem aktuellen Skandal betroffen sind, liegt an der Wirkungsweise der Motoren. Bei geregelten Benzinmotoren hat sich als Konzept für die Abgasreinigung der Drei-Wege-Katalysator durchgesetzt - Vier-Wege-Katalysatoren sind bereits entwickelt. Aufgrund der mageren Betriebsweise ist dieses Verfahren für den Dieselmotor nicht möglich. Sie entsteht aus der inhomogenen Gemischbildung und einem hohen Luftüberschuss. Noch vor einigen Jahren wurde diese Eigenschaft des Dieselaggregats bei der Gesetzgebung berücksichtig. Mit der im September 2014 eingeführten EURO-6-Norm gelten erstmals die gleichen NOx-Grenzwerte für Benzin- und Dieselfahrzeuge. Also, was tun?

Die Lösung des Problems?

In einem Selbstzünder entfernt ein Diesel-Oxidationskatalysator, kurz DOC, unverbrannte Kohlenwasserstoffe und das Atemgift Kohlenmonoxid, wegen dem in Tiefgaragen der Motor ausgestellt werden sollte. Er besteht aus einer keramischen oder metallischen Trägerstruktur, die mit einer Vielzahl dünnwändiger Kanäle durchzogen ist, die von Abgasen durchströmt werden. Dem DOC wird seit einigen Jahren ein Ruß(partikel)filter nachgeschaltet. Hier lagern sich durch Adhäsion an der porösen Wand die Rußpartikel ab. Diese müssen von Zeit zu Zeit abgebrannt werden. Dazu sind Abgastemperaturen von über 600 Grad Celsius notwendig. Erreicht werden solche Temperaturen durch eine angepasste Einspritzung in den Brennraum oder durch Einspritzung und Oxidation von Kraftstoff im Abgassystem. Ein ähnliches Resultat wird durch die Zugabe von katalytisch wirksamen Additiven erreicht. Genauer gesagt wird auf diese Weise die notwendige Temperatur herabgesetzt.

Das Additiv AdBlue von BASF. (Foto: Hersteller)
Einfüllstutzen für das AdBlue-Additiv (Foto: Hersteller)
Audi CleanDiesel mit Adblue (Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
 
 

Bereits seit den späten 1970er Jahren hat sich das SCR-Verfahren, sprich selektive katalytische Reduktion, etabliert. Dank der derzeit vorgeschriebenen Grenzwerte, die sowohl in Europa als auch den USA verlangen, dass SCR-Katalysatoren den Stickoxidgehalt im Dieselabgas um mehr als 95 Prozent senken, ist es seit Kurzem auch bei Pkw im Einsatz. Es beruht auf der selektiven Reduktion von Stickoxiden am Katalysator bei Zugabe von Ammoniak. Da das Mitführen von Ammoniak aus Sicherheitsgründen nicht möglich ist, wird das als AdBlue bekannt gewordene Reduktionsmittel in einem separaten Tank im Fahrzeug mitgeführt und mittels einer Dosiereinrichtung vor den SCR-Katalysator in das heiße Abgas eingedüst. Aus der Harnstoffwasserlösung wird dabei Ammoniak freigesetzt. Und genau an dieser Stelle hat der VW Konzern gemogelt. Bei den manipulierten Autos war es so, dass bei Prüfstandtests zu viel des sehr teuren Kraftstoffzusatzes zugegeben wurde und im Straßentest sehr viel weniger.


In der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, kurz Empa, wird daher nicht erst seit heute an einer Optimierung des Systems geforscht. Aktuell wird versucht eine möglichst optimale Zerstäubung und homogene Verteilung der wässrigen Harnstofflösung im Abgasstrom zu erreichen. Dabei setzen die Forscher lasergestützte optische Messverfahren ein, um die winzigen AdBlue-Tröpfchen im Abgasstrom zu quantifizieren und zu visualisieren und deren Verdampfung und chemischen Umwandlung zu untersuchen.

Noch einen Schritt weiter gehen seit langem Untersuchungen, die unter der Abkürzung HCCI bekannt geworden sind. Das Konzept der Homogenen Kompressionszündung beschreibt einen Motor, der bis etwa 2.000 Umdrehungen pro Minute mit einer gleichmäßigen Gemischverteilung und weniger Luftüberschuss betrieben wird. Aktuelle und erst recht die künftigen Emissionsvorschriften könnten das damit verbundene Thema Dieselhybrid wieder bezahlbar machen. Wilfried Nietschke, Mitglied der Geschäftleitung der IAV GmbH erklärt gern: "Der Dieselmotor wird nicht wie der Ottomotor mit konstantem Luft-Kraftstoff-Verhältnis betrieben, sodass je nach Lastzustand vor allem die Stickstoffoxid- und Rußemissionen stark variieren. Besonders viele Emissionen treten normalerweise in den dynamischen Betriebszuständen auf, also zum Beispiel unter hoher Last. In Verbindung mit einem Elektromotor kann man den Dieselmotor genau in diesen Situationen unterstützen, sodass auch seine Emissionen sinken. Man könnte auch sagen, der Elektromotor zieht den Verbrennungsmotor aus den kritischen Bereichen."

 

 

Autor: Marcel Sommer  Stand: 30.09.2015
Fotos: Hersteller