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Klarer Blick

BMW führt jetzt auch Touchscreens ein (Foto: press-inform / Opel)

Apple und Google machen es vor, die Autobauer ziehen nach. Bei den Bedienkonzepten von morgen wird es eine kreative Koexistenz verschiedener Eingabemöglichkeiten geben. Vor allem die Steuerung mit Blicken treibt die Tüftler in Stuttgart, München und Wolfsburg gerade um.

Damit es der Fahrer einfacher hat, opfert BMW sogar heilige Kühe. Schließlich waberte das Dogma "keinen Touchscreen in einen BMW" jahrelang als Grundsatz durch die iDrive-Entwicklungs-Labors. Das war einmal: Beim neuen 7er ist das Bedienkonzept um einen Touchscreen erweitert worden. "Aufgrund der Smartphones und der Tablets sind die Kunden mittlerweile viel mehr an die Touchscreens gewöhnt und legen sehr viel Wert auf dieses Bedien-Element", erklärt Marcus Behrendt Leiter Anzeige- und Bedienkonzepte und Bedienqualität bei BMW den Paradigmenwechsel.

Verschmelzung zweier Welten

Der Touchscreen scheint den Autofahrern noch eine Weile erhalten zu bleiben, da fast jeder ein Smartphone oder ein Tablet besitzt. Die Bedienlogik der Automobilisten folgt fast stringent der der Haushaltselektronik, da die Nutzer sich an diese Art und Weise der Eingabe gewöhnt haben. Systeme, wie MirrorLink, auf das Opel und Skoda setzen, spiegeln den Bildschirm des Smartphones auf den Infotainment-Bildschirm, damit sich die Fahrer leichter zurechtfindet. So geben Elektronik-Riesen wie Apple und Samsung die Richtung vor. Also werden Apps in Zukunft eine große Rolle bei der Bedienung spielen. Diesem Trend kann sich niemand entziehen: Auch Ford will bei seinem neuen Bedienkonzept Sync3 Apple CarPlay und Android Auto mit einem Update nachrüsten.


Diesen Weg verfolgt auch Mercedes und führt ihn in Zukunft noch weiter. Unlängst haben die Schwaben die Mercedes-Benz Companion App vorgestellt mit der Consumer-Electronics und die des Automobils weiter verschmelzen sollen. Erst sucht der Fahrer per Sprachbefehl auf der Apple Watch nach einem Restaurant. Hat er seine Wahl getroffen, steht diese Adresse automatisch im Navigationssystem des Autos zur Verfügung. Der Fahrer braucht sie nur noch zu bestätigen und los geht es. "Wir schauen uns immer genau an, mit welcher Art der Bedienung die Menschen am besten zurechtkommen, und wenn ein Bediensystem ganz oder teilweise nicht mehr benötigt wird, dann schalten wir das ab.", sagt Sajjad Khan, Vice President Connected Car, Telematics and User Interaction Mercedes-Benz Cars. Wohin die Reise geht, wird klar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die aktuelle S-Klasse 40 bis 50 Prozent weniger Tasten im Auto hat, als der Vorgänger.

Friedliche Koexsistenz

Ein ganz heißes Thema, an dem die Bedienungsexperten tüfteln ist die Blick-Steuerung, die der Handy-Hersteller Samsung schon beim Smartphone Galaxy S4 eingesetzt hat. Allerdings ist diese Aufgabe für die Automobilisten deutlich schwerer. Die Blickerfassung wird heute schon bei Assistenzsystemen wie den Müdigkeits-Assistenten genutzt, aber die echte Steuerung durch Blicke ist deutlich schwerer. Bis zur Serienreife dieser Technologie wird noch einige Zeit vergehen. Davon ist zumindest Dr. Andreas Titze, Leiter interaktive Elektronik bei Volkswagen überzeugt: "Wenn wir eine Technologie im Bereich Anzeige und Bedienung einsetzen, muss sie im Volumenmarkt funktionieren. Das Auto wird in Zukunft auch ein rollender Wahrsager sein, der die Intentionen des Fahrers antizipiert und ihm dann auch bei der Bedienung die passenden Elemente präsentiert, damit er sich nicht durch ein Menü-Dickicht klicken muss. Dabei lernt die Software aus den Gewohnheiten der Menschen und bereitet die Bedienung dementsprechend einfach auf. Das fängt bei der Navigation an und hört bei der Einbindung von Musik-Streamingdiensten auf.

Beim Opel Adam wird das Handy quasi "gespiegelt" (Foto: press-inform / Opel)
Der VW-Konzern setzt auf MirrorLink (Foto: press-inform / VW)
Mercedes setzt bei der Einbindung von Smartphones auf Apple (Foto: press-inform)
(Foto: press-inform / Ford)
(Foto: press-inform / BMW)
(Foto: press-inform / BMW)

Die Zukunft der Bedienung im Auto wird eine friedliche Koexistenz der verschiedenen Eingabearten sein. Da sind sich die Experten einig. Die Menschen wollen je nach Situation wechseln: Im Stau gerne per Touchscreen, bei der Navigations-Eingabe während der Fahrt ist die Spracheingabe die erste Wahl. Aufgrund immer besser werdender Software, sind auch diese Befehle immer einfacher zu erteilen. Die Adresse "Hamburg, Hafenstraße 116" per Wischbewegungen einzugeben, würde wohl nur eingefleischte Waldorfschüler glücklich machen. In Zukunft wird auch der Fahrerarbeitsplatz als Ganzes immer wichtiger: Wenn man ein Bedienelement platziert, muss es auch leicht zu erreichen sein, ohne den Fahrer zu sehr abzulenken.


Die Experten unterscheiden zwischen feste Eingabe-Modalitäten, wie zum Beispiel den Drehknopf oder den Touchscreen. Bei den Autobauern herrscht ein Konsens darüber, dass mit diesen stationären Eingabemöglichkeiten alle Aufgaben erledigt werden können. Die freien Modalitäten, wie zum Beispiel die Gestik ergänzen diese und sind nur dafür da, um die Bedienung mit einfachen Handbewegungen abzukürzen - wie das bei einkommenden Telefonanrufen leicht möglich ist. "Wir sind überzeugt, dass die Gestensteuerung der nächste logische Schritt unserer Bedienphilosophie ist. Natürlich gibt es dann auch noch die Unterscheidung in Komfort- und Sicherheitsfunktionen. Das heißt den Warnblinkschalter wird es vermutlich noch ein paar Jahre in Hardware geben", erklärt Andreas Titze. Ein entscheidendes Merkmal für die Bedienkonzepte der Zukunft wird sein, dass die Eingabe mit einem anderen System nahtlos fortgesetzt wird. Also erst Drehknopf dann Touchscreen und umgekehrt. Der Fahrer soll die Wahl aus verschiedenen Systemen haben. "Da soll für uns die Reise bei den Bedienkonzepten hingehen", sagt Marcus Behrendt. Doch der Grat zwischen opulenten Möglichkeiten und Verzettelung ist schmal sehr schmal. Nur eines erscheint klar: Mittelkonsolen mit Knopforgien sind Vergangenheit.

(Foto: press-inform / BMW)
(Foto: press-inform / BMW)
(Foto: press-inform / VW)
(Foto: press-inform / VW)
(Foto: press-inform / VW)
(Foto: press-inform / VW)

 

 

 

Autor: Wolfgang Gomoll, München  Stand: 21.07.2015
Fotos: press-inform / Opel