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Trügerische Sicherheit

Google-Urgesteine: Eric Schmidt Larry Page und Sergey Brin in einem selbstfahrenden Google Car 2011 (Foto: press-inform / D. Weyhenmeyer)

Apple und Google rüsten im automobilen Bereich auf. Während der Suchmaschinen-Spezialist schon ein autonom fahrendes Auto vorgestellt hat, schnappte sich die iPhone-Firma einen Top-Manager von Mercedes.

Martin Winterkorn ist bekannt dafür, dass er eindeutig Stellung bezieht. Auf das Schreckensszenario angesprochen, dass die IT-Giganten wie Apple und Google die etablierten Automobilhersteller beim autonomen Fahren links überholen, lässt der temperamentvolle Volkswagen-Chef keine Zweifel aufkommen. "Angst haben wir nicht. Bei der Digitalisierung im Fahrzeug und dem Bedienkomfort ist Apple ein Wettbewerber. Was Autos betrifft, sicher nicht", so Winterkorn im Interview mit dem "Stern".

Nichtangriffspakt wackelt

Die Aussagen des Google-Top-Managers für das autonome Fahren, Chris Urmson, geben dem VW-Konzernlenker Recht. Scheinbar. "Wir glauben, dass die Zusammenarbeit mit einem Automobil-Hersteller. Die sind richtig gut, in dem, was sie tun", folgt Urmson im Gespräch mit "Car and Driver" Winterkorns Argumentation, der sich ebenso auf die über 100jährige Erfahrung bei der Entwicklung bei Automobilen beruft. Dass die Lenker der IT-Giganten die Pläne ein autonom fahrendes Auto auf den Markt zu bringen, nicht freiwillig offenbaren, dürfte niemanden ernsthaft überraschen. Wer weckt schon gerne schlafende Hunde.


Doch die oft bemühte normative Kraft des Faktischen lässt auch diesen automobilen Nichtangriffspakt zwischen den beiden Silicon-Valley-Top-Firmen und den etablierten Autobauern in einem anderen Licht erscheinen. Google hat schon längst ein eigenes selbstständiges Auto vorgestellt. Das Google-Car gewinnt sicher keinen Design-Preis und wird auf der Rennstrecke auch keine Rundenrekorde brechen. Doch das selbstlenkende Ei aus dem Suchmaschinen-Labor hat schon mehrere Testläufe innerhalb verschiedener Städte erfolgreich absolviert. Höchstgeschwindigkeit: rund 40 km/h. Das kommt nicht von ungefähr. Die Google-Ingenieure haben mit ihren selbstfahrenden Autos schon mehrere hunderttausend Test-Kilometer zurückgelegt. Die Daten, die beim Projekt Google-Street-View gesammelt werden, sind bei der Realisierung eines Autos, das selbstständig fahren soll, sicher auch hilfreich.

Apple wildert bei Mercedes

Die deutschen Autobauer wiegen sich noch in Sicherheit. "Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass Google am autonomen Fahren arbeitet. Sie verfolgen das gleiche Ziel, wie wir, aber mit einem anderen Anwendungsfall", sagt der BMW-Statthalter im Silicon Valley, Uwe Higgen, der im gleichen Atemzug die Freude am Fahren anführt. Auch in Zukunft soll der Fahrer bei einem BMW die Möglichkeit haben, auf kurvigen Landstraßen die Querdynamik des Fahrzeugs zu erleben. Doch das fahrdynamische Know-how und die Entwicklung sowie Produktion eines Autos kann man sich heutzutage ohne Problem kaufen. Ein gutes Beispiel ist Qoros. Die Chinesen schafften es, innerhalb weniger Jahre vernünftige Automobile auf die Räder zu stellen, die auch im NCAP-Test überzeugen.

So stellt sich Mercedes die Zukunft das autonome Fahren vor: Mercedes F 015 Luxury in Motion (Foto: press-inform / D. Weyhenmeyer)
Der Mercedes F 015 gleitet automatisch dahin (Foto: press-inform / D. Weyhenmeyer)
BMW präsentierte auf der CES 2015 eine neue Version des autonomen Fahren (Foto: press-inform / BMW)
(Foto: press-inform / Audi)
(Foto: press-inform / Bosch)
(Foto: press-inform)

Ein wichtiger Partner des Autobauers aus dem Reich der Mitte ist Magna Steyr. Angeblich ist der große Automobilzulieferer bereits mit Apple in Gesprächen, um eine Kooperation auszuloten. Geld, um ein Auto nach eigenen Vorstellungen aus dem Boden zu stampfen, ist sowohl bei Apple und Google genug vorhanden. Zumal Magna Steyr durchaus über die Fähigkeit verfügt, eine Automobilproduktion umzusetzen. Die österreichische Dependance des Zulieferers fertigt für verschiedene europäische Automobil-Hersteller, darunter BMW beziehungsweise Mini, Peugeot und Mercedes.


Apple hat sich zudem mit Johann Jungwirth den ehemaligen Forschungs- und Entwicklungschef von Mercedes North America geangelt. Alle Versuche des deutschen Premium-Herstellers den Experten zu halten, scheiterten. Der Top-Manger bringt jede Menge Wissen mit in die Apple Zentrale in Silicon Valley. Die Neuerwerbung ergibt Sinn, wenn man Großes in der Autobranche vorhat. "In der Apple Philosophie werden aber häufig gut designte Hardware und intelligente Software miteinander verknüpft. Daher ist es auch denkbar, dass Apple von einem Auftragsfertiger nach seinen Vorgaben ein Auto bauen lässt. Ich rechne jedoch nicht die nächsten 5 Jahre mit serienreifen Google oder Apple Cars. Danach ist vieles möglich", sagt Professor Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Potenzielle Partner stehen bereit. Zumal Zulieferer wie Delphi oder Bosch ebenfalls Erfolge im Streben nach dem robotergelenkten Automobil vermelden können.

(Foto: press-inform / Delphi)
(Foto: press-inform / Audi)
(Foto: press-inform / Audi)
(Foto: Volvo)
(Foto: press-inform / Audi)
(Foto: Volvo)

Dazu kommt das Apple und Google schon längst mit den Auto-Herstellern zusammenarbeiten, um die Konnektivität und das Zusammenspiel der automobilen Hardware mit den Apple-Geräten beziehungsweise den Smartphones und Tablets zu gewährleisten, die mit dem Google-Betriebssystem Android laufen. In diesem Jahr kommen rund 40 neue Modelle auf den Markt, bei denen Apple Car Play installiert ist. Schon heute haben einige Autos die Rechenpower von mehr als 20 PCs, Tendenz steigend. Die nächste Generation wird in diesem Bereich noch einmal zulegen. Kein Wunder bei der Armada von Assistenzsystemen und Sensoren. "Die Hardware, also die Sensoren und Kameras für das automatisierte Fahren sind vorhanden. "Die Intelligenz liegt in der Verarbeitung der Daten", sagt Martin Friedl Projektleiter Valet Parking bei BMW. Und wer kennt sich im Umgang mit Daten besser aus als Apple und vor allem Google.

 

 

Autor: Wolfgang Gomoll, München  Stand: 24.03.2015
Fotos: press-inform / D. Weyhenmeyer