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Bayerische Hoheit

Auf dem zugefrorenen See zeigt der Mini Cooper SE (J1) was er kann (Foto: press-inform / Mini / Bernhard Filser)

Gleich und doch anders: Der nächste elektrische Mini gleicht dem Modell mit Verbrennungsmotor. Allerdings kommen die Batterie und der Motor vom chinesischen Kooperationspartner Great Wall, aber der Münchner Autobauer legt Wert darauf, dass die Abstimmung in den Händen der eigenen Ingenieure liegt. Die machen einen guten Job, wie eine erste Mitfahrt zeigt.

Mini legt bei der nächsten Modellgeneration einen ziemlich anspruchsvollen Stunt hin. Obwohl die vollelektrischen Varianten des britischen Flitzers und die mit einem Verbrennungsmotor unter der Haube weitgehend identisch aussehen, stehen sie auf zwei völlig unterschiedlichen Plattformen. Während die konventionell befeuerten Versionen auf einer BMW-Architektur basieren, sind Teile der BEV-Versionen (interner Code J1) das Resultat der Zusammenarbeit mit dem chinesischen Autobauer Great Wall. Allerdings ist es nicht so wie beim nächsten Smart, bei dem einer Geely-Plattform ein anderer Hut aufgesetzt wird. Im Grunde fungiert Great Wall wie Magna einst beim BMW X3 als Zulieferer, bei dem Komponenten des Antriebsstrangs wie die Batterie samt Elektromotor eingekauft werden und eine Produktion hochgezogen wird. Das wird den Kollegen von BMW nicht sonderlich gut schmecken, die all das ebenfalls im Sortiment haben. Da jedem Elektroauto ein genau kalkuliertes Geschäftsmodell zugrunde legt und der Mini Cooper SE auch in China seine Abnehmer finden soll, dürfte der Preis eine wichtige Rolle gespielt haben. Zumindest auf den Sonnenblenden des Prototypen sind chinesische Schriftzeichen zu sehen.

Überhänge schrumpfen

Zudem findet auch in China, wo BMW-Ingenieure am Werk sind, grundlegende Entwicklungsarbeit statt, aber die gesamte Abstimmung der Hard- und Software liegt in den Händen der Techniker im Münchner Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ). Dass BMW auch beim elektrischen Mini alle Fäden in der Hand behalten will, ergibt noch mehr Sinn, wenn man sich die Modellpläne der Stromer-Minis vor Augen führt: Neben dem Dreitürer wird es einen fünftürigen Crossover geben, dessen Format an den ersten Countryman erinnert, dazu kommt noch ein echter BEV-Countryman.


Wir haben jetzt den ersten dynamischen Kontakt mit dem BEV-Dreitürer, von dem es zwei Varianten geplant sind: Den Cooper E mit 135kW /184 PS und einer 40 Kilowattstundenbatterie, die ihn bis zu 300 Kilometer weit bringt. Der Mini Cooper SE hat 165 kW / 224 PS und 50 kWh-Akkus, deren Energie eine Reichweite von bis zu 400 Kilometern ermöglicht. Wir gehen davon aus, dass diese beiden Varianten auch bei den anderen Mini-BEV-Modellen eingeführt werden. Der erste Blick auf den neuen Mini Cooper SE verrät einiges über das Lastenheft. Die kurzen Überhänge vorne und hinten versprechen mehr Fahrdynamik als beim Vorgänger. Die Nachfrage beim Fahrwerks-Experten Klaus Bramer bestätigt das Augenmaß: Der neue elektrische Mini., der im Frühjahr 2024 beim Händler steht, ist nur unwesentlich kürzer als das aktuelle Modell. Genauer: Die Überhänge (vor allem hinten) sind um etwa drei Zentimeter geschrumpft, die Spur um circa vier Zentimeter breiter und der Radstand ist um rund drei Zentimeter gewachsen. Das führt zu einer wesentlich ausgeglicheneren Achslastverteilung als beim derzeitigen Mini Cooper SE, die 60 zu 40 (vorne zu hinten) beträgt.

Untersteuern ist ein NoGo

Den tiefen Schwerpunkt der rein elektrischen Architektur nimmt man gerne als Extra an, dass der nächste Mini Cooper SE trotz der größeren Reichweite auch noch leichter als das aktuelle Modell ist, verspricht zusätzliche Fahrdynamik. Diese Details machen sich sofort auf dem Beifahrersitz bemerkbar. Im Vergleich zum aktuellen Modell lenkt der Vorderwagen deutlich begieriger ein und das Heck unterstützt diese Vorhaben aktiv. Auch technisch legen die Ingenieure noch eine Schippe drauf und verbessern die aus dem 1er BMW und dem BMW i3s bekannte Actornahe Radschlupfbegrenzung (ARB), indem diese präziser anspricht und das Durchdrehen der Räder noch feiner regelt. Das wird auf dem vereisten nordschwedischen See besonders deutlich: Der Mini Cooper SE agiert sehr neutral und lässt sich mit einem geringen Lenkeinschlag wieder einfangen.

Prototyp Mini Cooper SE (J1) (Foto: press-inform / Mini / Bernhard Filser)
Fahrwerks-Experte Klaus Bramer (rechts) erklärt die Geheimnisse des nächsten Mini (Foto: press-inform / Mini / Bernhard Filser)
Im nordschwedischen Arjeplog ist der Prototyp des Mini Cooper SE (J1) tiefen Temperaturen ausgesetzt (Foto: press-inform / Mini / Bernhard Filser)
(Foto: press-inform / Mini / Bernhard Filser)
(Foto: press-inform / Mini / Bernhard Filser)
(Foto: press-inform / Mini / Bernhard Filser)

Offenbar haben die Münchner ihre Lektion gelernt: "Wir wollen auf keinen Fall ein Untersteuern", erklärt Klaus Bramer. Dieses Ziel können die Techniker im Lastenheft guten Gewissens abhaken, obwohl noch 18 Monate Entwicklungszeit sind. "Wir werden uns keinesfalls verschlechtern", schmunzelt Bramer: Davon ist auszugehen. Auch beim Komfort spürt man die Fortschritte sofort. Der Mini Cooper federt harmonischer ab, als das beim aktuellen Elektro-Mini der Fall ist. Der größere Radstand macht nicht nur das Fahrverhalten stabiler und beherrschbarer, sondern verschafft den Fahrgästen mehr Platz, was vor allem im Fond dankbar zur Kenntnis genommen wird. Ein Raumwunder ist der Mini immer noch nicht, aber Mutter mit kleineren Kindern werden dieses Plus mit Freude zur Kenntnis nehmen.


Apropos Innenraum. Auch da wird sich einiges tun. Allerdings war das Interieur des Prototypen noch verhangen und übersät mit dicken Kabeln und Schaltern, die für den Testbetrieb nötig sind. Dennoch zeichnete sich das bekannte runde Display ab, das schon beim ungetarnten Testfahrzeug in China zu sehen war. Wir vermuten, dass der runde Monitor, dem der Konzeptstudie Urbanaut folgt und nicht mehr als Rahmen für einen rechteckigen Bildschirm dient, sondern die gesamte Fläche nutzt. Auch das dem aktuellen Modell nachempfundene Instrumenten-Display hinter dem Lenkrad wirkt wie nachträglich angebracht und eine klappbare Plexiglas-Navigationsscheibe suchten wir vergeblich. Gut möglich, dass diese beiden Elemente beim Serienauto nicht mehr gebraucht werden. Eine große Überraschung hatte der neue Mini Cooper SE ganz zum Schluss noch für uns parat: Als wir die rahmenlose Tür schlossen, fiel diese satt in das Schloss. Da schepperte also nichts. Ungewöhnlich für einen Prototypen, vor allem zu diesem Zeitpunkt. Man darf also durchaus gespannt sein.

(Foto: press-inform / Mini / Bernhard Filser)
(Foto: press-inform / Mini / Bernhard Filser)
(Foto: press-inform / Mini / Bernhard Filser)
(Foto: press-inform / Mini / Bernhard Filser)
(Foto: press-inform / Mini / Bernhard Filser)
(Foto: press-inform / Mini / Bernhard Filser)

 

 

 

Autor: Wolfgang Gomoll, Arjeplog  Stand: 23.03.2022
Fotos: press-inform / Mini / Bernhard Filser