Ein tiefer Schwerpunkt, kurze Überhänge, eine breite Spur und ein kurzer Radstand bei einer Gesamtlänge von 3,66 Metern, machen klar: Das simple Tempo-Bolzen ist dem Abarth 695 biposto zu trivial. Es soll mit Karacho um die Ecken gehen. Die Lenkung reagiert auf jedes Zucken der Handgelenke, die 18-Zoll-Walzen verhaken sich in den Asphalt und der kleine Flitzer schnalzt um die Ecke. Ist der Untergrund feucht, muss der Biposto mit sanfter Hand und präziser Linie um die Kurve geführt werden, da der Brutalo-Fiat bei Lastwechseln sofort mit dem Heck zuckt.
Akustisches Erlebnis
Der Innenraum mit den Carbon-Applikationen und den Schalensitzen ist eine Schau. Vor allem der grandiose Anblick des Dogring-Getriebes macht klar: Wenn Biposto, dann nur mit diesem mechanischen Getriebe. Der bloße Anblick des chromglitzernden Schaltgestänges verzückt jeden Fan echter Auto-Mechanik. Eine offene Schaltkulisse, der lange Hebel, die kurzen knackigen Wege und die Möglichkeit, beim Hochschalten die Gänge ohne Kupplung durchzureißen, lassen echtes Rennsport-Feeling aufkommen. Das Dogring-Getriebe ist eine unsynchronisierte mechanische Schaltung, die auch deswegen ein Muss ist, weil nur mit ihm an der Vorderachse ein Sperrdifferential verbaut ist, das dem Fronttriebler ein wichtiges Plus an fahrdynamikbringender Traktion bringt. Schnell und hart die Gänge reinknüppeln ist ausdrücklich erwünscht. "Wir wollten im Zeitalter der Elektronik die mechanische Schaltung zurückbringen", erklärt Abarth-Produktmanager Maurizio Consalvo. Allerdings lassen sich die Italiener den Spaß mit 10.000 Euro teuer bezahlen.
Im Vergleich dazu ist die Basis-Version mit den Serien-Getriebe und einem erweiterten ESP, das mit Bremseingriffen ein Differential simuliert, eher etwas für die Hausfrau, die auch mal auf der Autobahn schnell geradeaus brettern will. Dafür reicht auch ein Abarth 695 Turismo. Der hat zwar 30 PS weniger, kostet aber auch knapp 18.000 Euro weniger. Bewegt man den Abarth 695 biposto artgerecht, wird jeder Meter zum akustischen Erlebnis. Der Motor krakeelt seine Potenz voller Inbrunst hinaus. Das Fahrwerk ist aber so straff, dass jeder Kieselstein sofort an die Insassen gemeldet wird. Bei schnellen Richtungsänderungen, macht sich der kurze Radstand bemerkbar, dann tänzelt der Abarth etwas, was aber dank ESP kein Problem ist. Trotzdem ist der Biposto nichts für Fahranfänger oder Sänften-Fans, da auch diese Technik bisweilen an ihre Grenzen stößt. So muss sich der legendäre Lügenbaron Münchhausen bei seinem Ritt auf der Kanonenkugel gefühlt haben. Mit einem Durchschnittsverbrauch von 6,2 Litern pro 100 Kilometer kostet dieser Spaß auch nicht zu viel Sprit. Zumindest auf dem Papier. In der Realität sieht die Sache dann vermutlich schon anders aus.
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- Geschrieben von wolfgang-gomoll
- Veröffentlicht: 03. Dezember 2014