Familienausflug

Im Zeitalter von Elektroautos und allgegenwärtiger Crossover werden manche verdrängt haben, dass es einmal einen gigantischen Van-Trend gab. Dieser wurde in Europa Mitte der 1980er Jahre mit dem Renault Espace eingeläutet. Bald kommt die sechste Generation, doch eine Schau war gerade die Nummer eins.
Geht es um die besten oder imposantesten Fahrzeuge aus Europa – da werden nur wenige auf einen französischen Autohersteller kommen und der Name Renault fällt wohl nur selten. Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn es um die innovativsten Fahrzeuge geht, denn hier sind nicht nur die Marken aus Frankreich, sondern speziell Renault einer der großen Treiber vergangener Jahrzehnte. Doch es geht nicht allein um Modelle wie R4 / R5, den grandiosen Twingo oder einen spektakulären Avantime. Eine fahrende Legende ist seit nunmehr vier Jahrzehnten der Renault Espace, der die amerikanische Vanidee des Chrysler Voyager nach Europa brachte und diesseits des Atlantiks mehr als ein Segment begründete. Philippe Guedon, damaliger technischen Leiter des Autoherstellers und Technologiekonzerns Matra, fiel bei seinen US-Besuchen auf, dass neben großen Limousinen und Geländewagen dort Familienvans das Straßenbild beherrschten. Zurück in der Heimat steht Ende der 1970er Jahre der erste fertige Matra Prototyp eines für Europa zugeschnittenen, kompakten Vans im Matra-Designstudio. Der gut vier Meter lange P16 war jedoch noch nicht ganz ausgereift. Nach dem wenig überzeugenden P17 schafft es der Prototyp P18 schließlich 1982, die Tür zu einem ersten Anschauungstermin beim damaligen Renault-Chef Bernard Hanon aufzustoßen. „Zu diesem Auto kommt man von selbst, wenn man alle automobilen Eitelkeiten beiseitelässt“, ist sein Kommentar zu dem ab sofort unter dem offiziellen Projektcode P23 für die Serienentwicklung freigegebenen Modell. Damit die ersten Kunden beim Anblick des rollenden Schuhkartons nicht direkt auf der Stelle wieder Adieu sagen, feilten die Designer Jacques Nocher und Gerard Ascensio an dem zukünftigen Serienfahrzeug herum. Die ersten Testfahrten finden im März 1983 statt. Technischer Höhepunkt im Innern des 4,25 Meter langen und 1,78 Meter breiten Franzosen sind die von Produktchef Jacques Cheinisse entworfenen herausnehmbaren Sitze.
Neun Bestellungen
Mit stolzer Brust und voller Erwartung feiern die Renault-Mitarbeiter im März 1984 die Markteinführung des Espace, was ins Deutsche übersetzt „Raum“ bedeutet. „Die Modellbezeichnung ,Espace’ ist in Frankreich und auf der ganzen Welt sehr bekannt. Sie ist inzwischen fast ein Gattungsbegriff“, sagt Sylvia dos Santos, bei Renault für die Produktbezeichnungen verantwortlich. Der französische Werbeslogan „Renault Espace, la route de l’innovation“ bezieht sich auf das einzigartige One-Box-Design des Modells – ähnlich dem des ersten französischen Hochgeschwindigkeitszuges TGV, der einige Jahre zuvor den Verkehr aufgenommen hatte. Innovativ ist nicht allein das Design und der variable Innenraum, sondern insbesondere die Bauart. Die stählerne Karosseriestruktur des Espace wird verzinkt und schließlich mit Kunststoffteilen verkleidet. Das reduzierte das Gewicht des Fronttrieblers und hielt es unter 1,3 Tonnen.
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- Veröffentlicht: 27. März 2023