Der graue Star

Selbst viele Renault-Verantwortliche sahen den europäischen Marktstart der Billigtochter Dacia in den späten 2000ern mit Argwohn. Doch gerade in den vergangenen Jahren hat sich das Bild gewandelt. Der einst rumänische Billigheimer hat sich bis zum Ende der Dekade viel vorgenommen und will schrittweise elektrisch werden.
Die Konkurrenz schaut sich Dacia seit Jahren ganz genau an. Es wird analysiert, durchleuchtet und nachgestellt – kann man so etwas wie Dacia auch hinbekommen? Die Franzosen verdienen mit preiswerten Autos gutes Geld, machten um die Elektromobilität lange einen großen Bogen und haben keine Angst, das Wort „billig“ in den Mund zu nehmen, wenn es um ihre eigenen Produkte geht. Doch jetzt beginnt eine neue Zeitrechnung. Denn lange ging es gut ohne den Elektroantrieb, der bei allen Marken die Erträge schrumpfen ließ. Das Erstlingswerk des Dacia Spring ist zwar elektrisch, aber in Sachen Sicherheit, Verarbeitung oder Ausstattung das mit Abstand schlechteste Modell, dass die Renault-Tochter seinen Kunden anbietet. Schrittweise wird auch Dacia anfangen, sein gesamtes Portfolio zu elektrifizieren. Viele Kunden haben bereits auf den familienfreundlichen Jogger gewartet, der nunmehr zumindest in einer Hybridvariante mit Antriebstechnik der Schwestermarken Nissan und Renault zu bekommen ist.
Die Marke wandelt sich
Dacia ist europaweit besonders erfolgreich bei den Privatkunden und belegt in fast allen europäischen Ländern Spitzenplätze; in acht Ländern ist man unter den ersten drei. „In Deutschland hat Dacia in diesem Vertriebskanal einen Anteil von fünf Prozent und ist dort die zweitstärkste Marke im Privatkundengeschäft, wenn man nur die Marktsegmente betrachtet, in denen Dacia vertreten ist“, erklärt Thilo Schmidt, ein Mann, der ein profunder Kenner der Renault-Gruppe ist, der er vor 18 Jahren beigetreten ist und die Marke seit Anfang 2022 leitet. Doch eben auch diese so wichtigen Privatkunden schauen sich auch in den unteren Preissegmenten immer mehr nach elektrifizierten Fahrzeugen um. Dacia hat sich in den vergangenen Monaten neu erfunden. Dem neuen Markenauftritt werden neue Modelle folgen – langfristig auch mit Stecker. Zu den kommenden Neuvorstellungen gehören der 4,60 Meter lange C-Segment-SUV Bigster, der auf der CMF-B-Plattform im Herbst als Serienfahrzeug vorgestellt wird sowie ein zweites, noch nicht bekannt gegebenes Modell, das vermutlich ebenfalls im C-Segment angesiedelt sein wird. Luca de Meo, CEO der Renault-Markengruppe, hatte jüngst eine neue Zielgröße für die Gewinnmarge ausgegeben, die von 10 auf 15 Prozent steigen soll. Gleichzeitig soll der internationale Markenclaim von „Low Cost“ zu „Value for Money“ aufsteigen.
- Details
- Veröffentlicht: 21. Februar 2023