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Schwabenstreich

Rußpartikelfilter im Diesel-Peugeot (Foto: Hersteller)

Die Nachricht hat eingeschlagen wie eine Bombe: Stuttgart, seit vielen Jahren deutsche Feinstaubhochburg, will ab 2018 Dieselfahrzeuge aussperren, die nicht die strenge Schadstoffnorm Euro6 schaffen.

Bisher kannten allein Hunde und deren Besitzer das Hinweisschild "wir müssen leider draußen bleiben". Stuttgart ist die erste deutsche Stadt, die dem allergrößten Teil der Dieselfahrzeuge zukünftig die Einfahrt in die Innenstadt versagen will. Alle Dieselmodelle, die die seit Ende 2015 gültige Schadstoffnorm Euro6 nicht schaffen, sollen ab Anfang 2018 zu Feinstaubzeiten nicht mehr nach Stuttgart einfahren dürfen. Für viele war das schönste an Stuttgart die Autobahn nach München. Das dürfte sich nach den neuesten Planungen der schwarz-grünen Landesregierung noch intensivieren. Denn selbst moderne Dieselfahrzeuge der Schadstoffeinstufung Euro 4 oder gar Euro5 dürfen nach aktuellen Plänen nicht mehr einfahren. So will Stuttgart versuchen, der lokalen Feinstaubbelastung Herr zu werden. Andere Städten könnten der schwäbischen Androhung jedoch zeitnah folgen. Wer sich kein neues Auto kaufen will, dem bleiben wenige stimmungsvolle Möglichkeiten. Er macht entweder einen Bogen um die Stuttgarter Innenstadt, wenn er dort nicht wohnt oder bedient sich bald öffentlicher Verkehrsmittel. Mit dem eigenen Dieselfahrzeug ohne Euro-6-Einstufung gibt es zu Feinstaubzeiten keinen Einlass mehr in den "Stuttgarter Kessel".

Was kann man tun?

Bei den Autofahrern stehen die Diesel spätestens seit den frühen 90er Jahren hoch im Kurs. Die der TDI-Welle des Volkswagen-Konzerns, sowie zunehmend dynamischen Selbstzündern von BMW oder Mercedes legten die Dieselmotoren von einst ihr Wanderdünen-Image ab. Wer sich 2010, 2012 oder sogar noch 2015 einen nach seiner Meinung aktuelles Fahrzeug mit hochmodernem Dieselmotor gekauft hat, schaut ab 2018 wohl in die Röhre. Doch was kann man tun? Nach Aussagen der Stadt Stuttgart liegt der innerstädtische Dieselanteil bei rund 50 Prozent. Nicht alle werden sich bis zum Jahresende 2017 ein neues Auto kaufen wollen. Gerade bei teuren Dieselmodellen kommt die temporäre Aussperrung aus der Innenstadt einer partiellen Enteignung gleich.


Wer sich ein neues Auto kaufen will, ist auf der sicheren Seite. Seit Ende 2015 erfüllen alle Dieselneufahrzeuge die Abgasnorm Euro6. Wer sich einen Diesel als Gebrauchtwagen kaufen will, muss daher darauf achten, dass dieser die strenge Abgasnorm Euro6 erfüllt. In den meisten Fällen wird dies jedoch nur von Autos ab dem Modelljahr 2016 erreicht. Diese Fahrzeuge sind jedoch gerade einmal sechs bis 15 Monate alt und entsprechend teuer. Für Besitzer von älteren Dieselfahrzeugen bleibt allein die Möglichkeit, auf ein Auto mit Benzinmotor umzusteigen. Diese sind aktuell nicht von der Feinstaubdiskussion betroffen und daher ist man zumindest zunächst einmal auf der sicheren Seite.

Kommen jetzt die Benziner?

Gerade bei Kleinwagen lohnen die Dieselmotoren ohnehin kaum. Die Fahrzeuge der Liga aus VW Up / Polo, Ford Fiesta / Ka, Peugeot 108 / 208, Kia Piccanto / Rio oder ähnliche Modelle rechnen sich oftmals ohnehin nicht mit einem Dieselmotor, der teurer als ein vergleichbarer Benziner ist. Die Benzinmotoren sind in den vergangenen Jahren gerade durch Turboaufladungen zumindest auf dem Papier deutlich effizienter geworden. Ein Diesel lohnt daher ohnehin nur bei entsprechender Fahrzeuggröße und einer entsprechenden Jahreslaufleistung, die selten unter 20.000 / 25.000 km liegt.

Jaguar XF 3.0 Diesel S Pace - auch er schafft Euro6 nicht (Foto: Hersteller)
HDI-Blue-Abgasstrang mit SCR-Katalysator vor dem Partikelfilter (Foto: Hersteller)
Mercedes ML 250 Bluetec - keine Chance auf Euro6 (Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)

Wer in der Kompaktklasse einen Gebrauchtwagen sucht, dem dürfte der Umstieg auf einen Benziner vergleichsweise leichtfallen. Wer bisher in einem Audi A3 1.6 TDI mit 105 PS (Baujahr 2011 / ca. 10.000 Euro) unterwegs war, bekommt für das gleiche oder gar etwas weniger Geld einen nahezu gleichstarken Benziner mit 102 PS oder gar den moderneren A3 1.4 TFSI mit 125 PS. Kaum anders sieht es bei Ford Focus, VW Golf oder Opel Astra aus. Ein Ford Focus Turnier 1.6 TDCi mit 109 PS (Baujahr 2010 / ca. 7.500 Euro) lässt sich schnell durch einen sogar etwas günstigeren 1,6-Liter-Benziner ersetzen.


Schmerzhafter sieht der Schwabenstreich bei den Limousinen, Kombis und SUV / Geländewagen ab der Mittelklasse aus. Hier galten Fahrzeuge mit Benzinmotor bisher abgesehen von leistungsstarken Sportversionen als beinahe unverkäuflich. Wer zu VW Passat, BMW 3er, Audi A6, Mercedes M-Klasse, Opel Insignia oder Kia Sorento griff, der wählte in den allermeisten Fällen einen ebenso drehmomentstarken wie effizienten Dieselmotor. Nicht selten werden für Firma, Familie oder Urlaub pro Jahr mehr als 30.000 Kilometer zurückgelegt. Da rechnet sich der Diesel bei jeder Fahrt. Unwahrscheinlich, dass sich Fahrer eines BMW 320d (184 PS) ohne Bauchschmerzen in den deutlich zahnloseren BMW 320i (ebenfalls 184 PS) vergucken, der aus dem Baujahr 2012 ebenso rund 18.000 Euro kostet, wenn er rund 50.000 Kilometer gelaufen hat.

Je größer das Auto, desto mehr geht die Schere bei der Symbiose aus Verbrauch und Leistung auseinander. Verbraucht ein VW Touareg mit V8-Benziner pro 100 Kilometern in der Realität rund 15 bis 18 Liter, begnügt sich der drehmomentstarke 3.0 TDI-V6 mit rund zehn Litern. Viele der Fahrer von SUV, Ober- und Luxuslimousinen werden sich daher kaum für Benziner erwärmen kostet. Ihnen bleibt nur die Möglichkeit, sich ein neues oder sehr junges Gebrauchtauto zu kaufen - oder nach dem Weihnachtsgeschäft 2017 einen Bogen um Städte wie Stuttgart zu machen.  Autor: Stefan Grundhoff, Stuttgart  Stand: 22.02.2017
Fotos: Hersteller  

(Foto: Hersteller)