Kilometer-Millionär wider Willen

Michael Nickl legte in knapp 25 Jahren eine Million Kilometer in seinem Mercedes 200 D zurück und täglich kommen neue hinzu. Bald ist das rollende Familienmitglied reif für das Altenteil; hofft zumindest seine Frau Margot.
Es gibt schönere, gepflegtere und luxuriösere Mercedes Limousinen der Baureihe W 124. Das Lieblingskind vieler Taxler wurde nach anfänglichen Problemen zum Sinnbild für Daimlers Dauerhaltbarkeit. Wer könnte das besser beurteilen als Michael Nickl? Seit 1987 arbeitet der bei Daimler und fährt Tag für Tag mit seinem 200er Diesel. "Als mein Bafög zurückgezahlt war, hatte ich genug Geld, mir endlich einen Mercedes zu kaufen", erinnert sich der grauhaarige Oberpfälzer, zuvor lange Jahre mit einem Golf Diesel unterwegs, "am 16. Juli 1992 habe ich den Wagen aus dem Werk Sindelfingen abgeholt; bezahlt seinerzeit per EC-Karte." Inklusiv Mitarbeiterrabatt bezahlte er für seinen Mercedes 200 D der Baureihe W 124 in Sparausstattung inkl. 21 Prozent Mitarbeiterrabatt immerhin 42.523,81 D-Mark. Dafür gab es einen dunkelblauen Uni-Lack, elektrisches Schiebedach, Kopfstützen hinten, Mittelarmlehne, Zentralverriegelung, Radiovorbereitung und ein Fünfgang-Getriebe. Nicht nur nach heutigen Maßstäben überschaubar für eine Limousine der schwäbischen Oberklasse. Der robuste Basisdiesel vom Typ OM 601, nach der Modellpflege inklusiv Katalysator von 72 auf 75 PS erstarkt, war schon nach damaligen Maßstäben schwach motorisiert. "Doch der 300 D war zu teuer und einen Fünfzylinder wollte ich einfach nicht. So wurde es der 200er", lacht Michael Nickl, "heute machen die Lastwagen schon einen Bogen, wenn ich auf die Autobahn auffahre." Und dass obschon der Daimler-Ingenieur auf dem Heckdeckel in weiser Voraussicht den verräterischen 200-D-Schriftzug entfernen ließ.
Pro Jahr 42.000 km
Nickl ist kein vernarrter Klassikjünger wie viele andere. Doch er ist seit nunmehr fast 30 Jahren Daimler-Mitarbeiter durch und durch. Einst in der Achskonstruktion in Untertürkheim begonnen, werkelt er heute Tag für Tag in Sindelfingen an der GLE-Klasse. Auf dem Mitarbeiterparkplatz steht jedoch nach wie vor sein 200er Diesel - in mittlerweile leicht angerostetem Dunkelbau mit der internen Farbbezeichnung 904. "Ich bin alles andere als ein echter Autofan. Für mich ist mein Auto ein Gebrauchsgegenstand. Gewaschen wird der Wagen nur selten", überrascht der frisch gebackene Kilometermillionär, dessen Familienmobil nach der Umrundung aktuell stolze 6.666 Kilometer auf dem Tachometer zeigt. Der dunkelblaue Lack ist größtenteils noch immer der erste. "Ich habe mittlerweile einige Roststellen an den Radläufen, der Haube oder am Heckdeckel", erzählt er nüchtern, "die vier Türen habe ich schon vor Jahren ausgetauscht." Ihnen hatte ebenfalls der schwäbische Rost zugesetzt, denn Nickl fährt seinen W 124er jeden Tag - pro Jahr rund 42.000 Kilometer. Seit dem Tag der Erstzulassung führt er peinlich genau Buch. Unterhalts- und Dieselkosten sowie der Durchschnittsverbrauch - alles lässt sich in den peniblen Excel-Dateien ablesen. Aktuell liegen die Unterhaltskosten bei 58.563,26 Euro und die Tankkosten bei 53.786,28 Euro. Inklusiv der Anschaffung im Jahre 1992 hat der dunkelblaue Mercedes 200 Diesel Familie Nickl bislang 134.499,22 Euro gekostet. Der Durchschnittsverbrauch in knapp 25 Jahren: kaum mehr als sechs Liter.
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- Veröffentlicht: 08. November 2016