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Alles beim alten

VW Polo VI Prototyp - das Serienmodell kommt im Herbst (Foto: Martin Meiners)

Alle wollen SUV. Da hat es der kommende VW Polo noch etwas schwerer als ohnehin schon. Wir waren bei den letzten Erprobungsfahrten im Süden Afrikas dabei und fuhren einen Polo, der fast das Zeug zum Golfjäger hat - versprochen.

Besser und langweiliger als im VW Polo kann man in der Einstiegsklasse kaum unterwegs sein. Wem ein Kleinstmobil zu klein und ein Kompaktklassemodell wie der Golf zu groß und teuer ist, der steigt seit Jahr und Tag aus vollster Überzeugung in seinen Polo. Der hat sich trotz seiner vielen Modellgenerationen nie alt angefühlt, war immer auf der Höhe, hatte keine Schwächen, konnte aber noch nie begeistern. Wieso auch? Wer in der Einsteigerklasse ein Auto sucht, will gut, preiswert, bequem und sicher von A nach B kommen. Gefühle stehen da nicht einmal an zweiter Stelle. Da gibt es andere und wenn es ein VW sein soll, hat sich konzernintern sowieso der Konzernbruder Seat Ibiza erkämpft. Der Spanier fährt dem VW Polo diesmal zumindest zeitlich vorne weg, denn er steht in diesen Tagen bereits beim Händler; der neue Polo lässt noch fast sechs Monate auf sich warten.

Großer Schritt?

"Der Polo ein Langweiler? Wir haben beim Up gelernt, wie man ein buntes, lebenslustiges Auto macht. Davon lassen wir uns auch beim Polo inspirieren", sagt Baureihenchef Klaus-Gerhard Wolpert beinahe etwas gekränkt. Der VW Polo ist seit vielen Jahren der Maßstab für Qualität und Wertstabilität unterhalb der Kompaktklasse. Doch Modelle wie der Ford Fiesta oder ein Renault Clio haben ihm in den vergangenen Jahren kräftig zugesetzt. Der Franzose punktet mit frischem, coolen Design, während der Polo das ist, was er schon immer war. Das wird sich bei der neuen Polo-Generation nicht nennenswert ändern. Trotz der verwirrenden Tarnfolien ist klar zu erkennen, dass Polo Nummer sechs die automobile Kleinwagenwelt in Sachen Design nicht noch erfinden kann oder will. Er ist ein Polo und genau so sieht der 4,05 Meter lange Kleinwagen auch aus. Proportionen, Abmessungen, Linien - wüsste man es nicht besser, könnte es auch eine Modellpflege sein.


Baureihen-Kopf Wolpert sieht das Ganze durchaus euphorischer. "Wir haben innerhalb der Klasse einen riesigen Schritt gemacht. Der neue Polo ist ein Technologiesprung; auch weil wir unseren wichtigsten Baukasten MQB nach unten hin ausgerollt haben." Auf den alles andere als guten Straßen im Nordwesten Südafrikas zeigt sich der Prototyp überaus erwachsen. Trotz seines frühen Stadiums klappert kaum etwas und die Oberflächen können sich auch bei den heißen Temperaturen anfassen lassen - angenehm unterschäumt, wenn auch weit entfernt von premium. Die Sitze sind für ein Fahrzeug dieser Klasse vorbildlich, die Instrumente erstrahlen in der von Volkswagen gelernten Nüchternheit und wäre da nicht das Schnattern des Triebwerks im Hintergrund, man könnte fast meinen, in einem neuen VW Golf Platz genommen zu haben. Das gilt auch für die Fahrerassistenzsysteme, die denen des Golf in nichts nachstehen sollen. Das bietet derzeit kein anderer in dieser Klasse.

Benziner vor Diesel

Unter der Haube rattert und schnattert ein Dreizylinder, der aus seinem Zylinderdefizit kein Hehl macht. Das Zylindertrio ist im neuen VW Polo der Dreh- und Angelpunkt der Antriebspalette. Sind die beiden Einstiegsversionen (65 / 75 PS) nicht von einem Turbolader beatmet, so geht es oberhalb standesgemäßer zu. Hier hat der Polo-Interessent die Wahl zwischen guten 95 und strammen 115 PS - beide sind flott, beide mehr als ausreichend und abgesehen vom leicht nervigen Klang passen diese Triebwerke gut in den VW-Einsteiger. Wer mehr will, der schielt zum 150 PS starken 1.5 TSI des wohl kommenden VW Polo GT oder gar dem 200 PS starken Polo GTI herüber. Alle Modelle mit Turboaufladung sind wahlweise mit Sechsgang-Handschaltung oder Siebengang-Doppelkupplung zu bekommen. Unter Druck dürften jedoch die beiden 1,6 TDI mit 80 PS und 95 PS geraten, die serienmäßig über einen SCR-Kat verfügen und wohl unter vier Litern verbrauchen werden. Doch wenn ein 115 PS starker Benziner für rund 19.000 Euro mit einem Normverbrauch von 4,6 Litern Super auf 100 Kilometern lockt, wird die Luft dünner als dünn für einen Selbstzünder.

VW Polo VI Prototyp - die Abmessungen sind nahezu identisch zum Vorgänger (Foto: Martin Meiners)
VW Polo VI Prototyp - 65 bis 200 PS stark (Foto: Martin Meiners)
VW Polo VI Prototyp - der Polo macht Druck auf den Golf (Foto: Martin Meiners)
(Foto: Martin Meiners)
(Foto: Martin Meiners)
(Foto: Martin Meiners)

Dank mehr Spurweite, mehr Radstand, größeren Rädern und einer steiferen Karosserie fährt sich der kleine Wolfsburger komfortabler und präziser als bisher. Die sehr direkte Lenkung gefällt, die geringen Windgeräusche ebenso wie das leicht schaltbare Getriebe. So fährt sich ein Polo und so gut fährt sich in der kleinen Kompaktklasse (der Polo ist mittlerweile so groß wie ein Golf III) kein anderer. Das Platzangebot im Innern liegt vorn ungefähr auf dem Niveau des Vorgängers. Gerade im Fond gibt es durch die neue MQB-A0-Plattform ein paar Zentimeter mehr, die sich an Knien und Schultern angenehm bemerkbar machen. Auch wenn die VW-Entwickler sich unter der sengenden Hitze mit exakten Aussagen zurückhalten, scheint der Laderaum deutlich größer geworden zu sein. Über 350 Liter sind es bei dem neuen Seat Ibiza, dem technischen Zwilling des Polo VI. Gezeigt wird der neue VW Polo ohne Tarnung erstmals in diesem Sommer und der Marktstart erfolgt direkt nach der IAA im Herbst. "Der Preis des neuen VW Polo soll auf dem alten Niveau bleiben", schließt Klaus-Gerhard Wolpert ab, "der Kunde bekommt mehr wert für sein Geld." Heißt: bei rund 12.000 Euro sollte es im Herbst losgehen. Und wer noch nicht weiß, ob der neue Polo etwas für ihn ist: der Polo SUV lässt nicht mehr lange auf sich warten. Das bedeutet echte Gefahr für den Bestseller.

Autor: Stefan Grundhoff, Südafrika  Stand: 16.04.2017
Fotos: Martin Meiners  

 

(Foto: Martin Meiners)
(Foto: Martin Meiners)
(Foto: Martin Meiners)
(Foto: Martin Meiners)
(Foto: Martin Meiners)
(Foto: Martin Meiners)