Herbstliebe

Der Sommer ist vorbei - auch wenn die Sonne tagsüber noch wunderbar wärmt, färben sich die ersten Blätter langsam gelb und morgens ist es bereits empfindlich kühl. Trotzdem könnte es keine Zeit geben, die sich mehr für eine Tour in der letzten je produzierten Pagode eignet.
Im Sommer ein Cabrio zu bewegen ist langweilig - und wie. Alle fahren offen und tagsüber ist es bisweilen so heiß, dass man das Dach am liebsten schließen möchte, wollte man sich nicht vollends der Lächerlichkeit preisgeben. Das kann einem im beginnenden Herbst nicht passieren. Viele Cabriolets sind bereits abgemeldet; wohlig verstaut in düsteren Garagen warten sie darauf, dass das kommende Frühjahr sein blaues Band wieder über seichten Hügelketten spannt. Die Zeit bis dahin scheint nahezu endlos. Echte Cabriofans dagegen fahren ganzjährig offen und der farbenfrohe Herbst ist fraglos die schönste Jahreszeit für ein Oben-ohne-Intermezzo mit Suchtpotenzial. Geeignete Fortbewegungsmittel gibt es viele, doch kaum eines ist so betörend schön wie die Mercedes Pagode - jener Mercedes SL, der in Personalunion die schwere Nachfolge von Mercedes 190 SL und 300 SL antreten sollte. Das Design eher nüchtern und zurückhaltend mit gelungenen Proportionen ohne echte Glanzpunkte. So oft man den 113er auch sieht - er ist mehr eine schöne Sie als ein schicker Er. Auffallend vorne die überdimensionierten Frontscheinwerfer mit integrierten Nebelleuchten und Blinkern, die den breiten Grill umrahmen während die winzigen Rückleuchten das Heck zusammen mit dem grobschlächtigen Tankeinfüllstutzen filigran und fast zerbrechlich wirken lassen.
Topmodell 280 SL
Man täte der Pagode Unrecht, würde man sie allein als Mercedes 280 SL bezeichnen oder gar die seelenlose Bezeichnung W 113 hinzufügen. Die Probandin, die uns den Samstagnachmittag verzaubert, ist keinesfalls irgendeine Pagode. Es ist die letzte je produzierte Pagode; vom Band gerollt am 15. März 1971. Die Farbe sandbeigemetallic mit dem Farbcode 467 könnte perfekter für einen Herbstausflug kaum sein. Innen gibt es keine gefärbte Tierhaut, sondern das bei vielen weniger geliebte MB-Tex, ein Kunstleder, das sich zumindest in seiner Farbe Cognac (Farbcode 140) perfekt ins herbstliche Bild einfügt. Die letzte aller Pagoden ist auch in unseren Breiten eine Schau. Ursprünglich zog es den offenen Beau wie viele seiner knapp 49.000 Geschwister in den sonnigen Teil der USA. Die Datenkarte belegt nicht nur solide Sonderausstattungen wie Einzelsitze vorn, Coupédach, Servolenkung, wärmedämmendes Glas oder Weißwandreifen, sondern mit Ausstattungscodes wie 491 (USA-Ausführung) oder 515 (Radio Europa USA) auch, dass sie nach der Produktion eben jene weite Reise über den Atlantik antrat, bevor sie den Erstbesitzer zum Strahlen brachte.
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- Veröffentlicht: 26. September 2017