Gattiker steigt aus seinem unscheinbaren BMW X5, der bereits zehn Jahre und mehr als 150.000 km auf dem Buckel hat, erklimmt schnellen Schrittes die Treppen in die erste Etage und geht an zahllosen Ferrari-, Aston-Martin- und Porsche-Modellen vorbei in die hintere Ecke, wo sein Liebling unter den anderen Preziosen parkt. An der Wand hängt die originale Karosse und nebenan steht sein silberner Mercedes 300 SL Flügeltürer, denn schließlich hatte Gattiker zwei Fahrzeuge, von denen er Chassis und Karosserie austauschen ließ. Der silberne 300 SL hat gerade einmal 63.000 Kilometer auf dem Tacho und steht ebenso wie die automobile blaue Mauritius da wie neu.
Ausfahrt am Abend
Nach den Recherchen zur Fahrzeughistorie stand schnell fest, dass das Chassis jenes mit der legendären Nummer 17 war, doch die Stahlkarosserie war nicht mehr original. "Ich bekam von zwei 300er-SL-Sammler schließlich einen Hinweis, dass diese wüssten, wo die originale Karosserie liegt", erinnert sich Gattiker, "sie befand sich seit 1963 in der Scheune eines Schmiedes in Neftenbach in der Nähe von Winterthur. Es hat über ein Jahr gedauert, ehe ich sie mir bei ihm anschauen durfte." Zwei Jahre verhandelte und bohrte Adrian Gattiker an dem betagten Schmied. Doch der hatte die stille Hoffnung, dass seine Söhne die verunfallte Alukarosserie eines Tages nochmals wieder zu einem fahrbaren Renner machen würden. So entschied Adrian Gattiker Ende 2012, seinen roten Flügeltürer mit dem legendären Rennchassis, im Classic Center von Mercedes in Fellbach restaurieren zu lassen. Er wollte an der Mille Miglia 2014 teilnehmen und die Zeit drängte. "Als die Restaurierung gerade begonnen wurde, meldete sich der Schmied bei mir und wollte seinen Flügeltürer mit der verunfallten Alukarosserie auf einmal doch verkaufen. Natürlich habe ich sofort zugeschlagen."
Die Karosserie des bayrisch-blauen 300 SL hatte in ihrer bewegten Rennhistorie nicht nur beim Einsatz auf der letzten historischen Mille Miglia 1957 mit René Cotton am Steuer und Beifahrer Alain Simone einiges erlebt. Sie hatte allerhand Blessuren und nach einem schweren Unfall im Jahre 1956 war der Hinterwagen aus Stahl nachgebaut worden. So entschied sich Gattiker, eine komplette Alukarosse neu aufbauen zu lassen. "Das war für die Werkstattleute ein einmaliges Projekt", erklärt er, "das hatte auch bei Mercedes noch keiner gemacht." Kurz vor der Mille Miglia 2014 wurde der Wagen fertig und Gattiker konnte die Neuauflage des Langstreckenklassikers mit seinem neuen alten Schmuckstück fahren, der längst in dem einzigartigen bayrisch-blau erstrahlte. Eine Freskenrestauratorin, die sonst Kirchenbilder restauriert, hatte die originale Farbe nach acht Wochen Kleinstarbeit im mehrfach überlackierten Armaturenbrett wieder zum Vorschein gebracht. Immer wieder abends holt Adrian Gattiker seinen bayrisch-blauen Flügeltürer heraus und dreht mit ihm noch eine Runde - "auf den kurvigen Landstraßen oberhalb des Zürichsees nach einem Arbeitstag ein Genuss", ergänzt der Schweizer. Heute ist dazu jedoch keine Zeit und auch die anderen Schönheiten bleiben heute in dem Automobiltresor geparkt. Vielleicht klappt es ja am Wochenende mit einer Tour.
Fotos: press-inform / Daimler / Gattiker
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- Veröffentlicht: 26. Juli 2017