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Flotte weiße Mäuse

Dieser Rijkspolitie-Porsche wurde am 10. Oktober 2014 für 235.750 Euro bei einer Bonhams-Auktion versteigert (Foto: Bonhams)

In den Niederlanden sorgen bis 1996 Straßenpolizisten in deutschen Sportwagen für Ordnung. Einer der ersten zwölf Rijkspolitie-Porsche wurde vor zwei Jahren für 235.750 Euro versteigert.

Wenn in Dubai mal wieder ein neues Polizeiauto zu einem Preis vorgestellt wird, der hierzulande das Jahresbudget einer ganzen Polizeiwache sprengen würde, ist das lange nichts Besonderes mehr. Ein Bugatti Veyron für fast zwei Millionen Euro oder ein Porsche 918 Spyder für 800.000 Euro machen dort im Wüstenstaat den Braten auch nicht mehr fett. Wenn sich jedoch unsere direkten Nachbarn aus den Niederlanden in einem flotten Zuffenhäuser auf Gangsterjagd begeben, dann ist das zumindest einen zweiten Blick wert - auch, wenn dies nun schon ein paar Jahre her ist. Genauer gesagt entsteigt im Jahr 1996 der letzte niederländische Verkehrspolizist der Rijkspolitie seinem 964 Carrera 2-Dienstporsche mit dem Rufzeichen Alex 82. Während Deutschland die Fußball-EM in England gewinnt, haben also ein paar Niederländer nicht nur mal wieder ein Viertelfinale verloren, sondern etwas für sie viel Wichtigeres: ihren äußerst sehenswerten Arbeitsplatz. Einer der ersten von ihnen wurde am 10. Oktober 2014 für 235.750 Euro bei einer Bonhams-Auktion versteigert.

Testsieger

Genauer gesagt ist dieses Porsche 356 B Cabriolet aus dem Jahr 1962 einer der ersten zwölf Dienstporsche, die im Jahre 1962 der Sektion Surveillancegroep Autosnelwegen, kurz SAS, der niederländischen Reichspolizei mit der Zentrale in Driebergen bei Utrecht zur Verfügung gestellt werden. Das Zuffenhäuser Exemplar mit der Chassisnummer 156096 und der Motorennummer 811648 zählt heute zu den letzten drei vorhandenen Rijkspolitie-Porsche dieser Ära. Insgesamt erhält die SAS 40 Fahrzeuge dieses Typs. Die Zweimann-Besatzung ist stets mit einem weiß-orangen Helm, einem weißen Mantel sowie weißen Handschuhen bekleidet, denn bis zu einer Außentemperatur von zwei Grad Celsius muss laut Vorschrift offen gefahren werden. Bei Nichtbeachtung folgt eine drakonische Strafe in Form von Kuchen-Mitbringen. "Diese Männer waren die gesündesten Polizisten von allen. Es gab kaum Krankheitsausfälle", weiß Hand Blonk, der Porsche und die Reichspolizei vor über einem halben Jahrhundert überhaupt erst zusammen brachte. Die Aufgabe der schnell als weiße Mäuse bezeichneten Porsche-Polizisten besteht zum größten Teil darin, die zum damaligen Zeitpunkt über keinerlei Tempolimits verfügende Autobahn sicherer zu gestalten. Denn schwere Unfälle sind an der Tagesordnung. 1.600 Unfälle mit tödlichem Ausgang verzeichnen die Niederlande Anfang der 60er Jahre.


Nicht ohne Grund holen sich die Niederländer bei der deutschen Polizei aus Nordrhein-Westfalen Tipps, wie sie ihrer 500 Autobahn-Kilometer Herr werden können. Im Jahr 1960 fährt der erste, 17.610 Gulden, umgerechnet knapp 8.000 Euro teure Test-Porsche ohne Wissen des Justizministeriums in den Niederlanden Test-Streife. Es wurden auch andere Fahrzeuge wie ein Fiat 124 Abarth Spider, ein Alfa Romeo 2.0 Spider oder auch ein Triumph TR6 und ein Citroen DS Chapron Cabriolet unter die Lupe genommen, doch der Porsche überzeugte. Dem Test folgt die nun auch von höchster Stelle genehmigte Bestellung des ersten flotten Dutzends. "Die damals eingesetzten Alfa Romeo überhitzten regelmäßig beim Rückwärtsfahren auf der Autobahn. Der luftgekühlte Heckmotor des Porsche hatte damit keine Probleme", erzählt der 84-jährige Hans Blonk, der zusammen mit elf Vertretern der niederländischen Polizei die dienstbereit ausgestatteten Vierzylinder aus Deutschland abholte. Ein spezieller Kabelbaum für die Ansteuerung der Sirene, des Blitzlichtes und der Kontrollleuchten sowie ein neues Armaturenbrett werden im Werk montiert. Zudem wird das Handschuhfach vergrößert, um für den Polizeifunk Platz zu schaffen. Am Heck des Porsche wird ein Stop-Schild und an einer speziellen Targa-Halterung das Blaulicht installiert.

Die größte Porsche-Flotte der Welt

Bevor die weiß-orangen deutschen Sportwagen im Dienste der niederländischen Polizei auf die Autobahn gelassen werden, muss aber erst noch eine Elitetruppe geformt werden. Die Voraussetzungen, um Teil dieser Spezialeinheit zu werden, sind nicht ohne. Dass gute Fahrkünste und Verkehrserfahrungen vorhanden sein müssen, ist klar. Zudem müssen die Anwärter über eine sehr gute körperliche Verfassung verfügen und mindestens 25 Jahre alt sein. Das war aber noch nicht alles. Sie müssen zudem verheiratet sein und sollten vorzugsweise Kinder haben, da dies eine verantwortungsbewusste Fahrweise fördern und eine unnötige Risikobereitschaft ausschließen soll. Was nicht heißt, dass sie zwangsläufig einer Verfolgungsjagd abgeneigt sind. 1984 sorgt Formel 1-Pilot Jan Lammers in seinem Alpine Renault A 310 zumindest für die Bekannteste von ihnen. Erst von einem Lkw gestoppt gelingt es der Polizei ihn zu stellen. Der Führerschein war weg. Allerdings gewinnt der Raser noch im selben Jahr sein erstes großes Rennen in der Gruppe C. Und nein, nicht mit einem Renault, sondern mit einem Porsche.

Dieses Porsche 356 B Cabriolet aus dem Jahr 1962 ist einer der ersten zwölf Dienst-Porsche der SAS. (Foto: Bonhams)
Das Zuffenhäuser Exemplar mit der Chassisnummer 156096 und der Motorennummer 811648 zählt heute zu den letzten drei vorhandenen Rijkspolitie-Porsche dieser Ära. (Foto: Bonhams)
Die damals eingesetzten Alfa Romeo überhitzten regelmäßig beim Rückwärtsfahren auf der Autobahn. Der luftgekühlte Heckmotor des Porsche hatte damit keine Probleme. (Foto: Bonhams)
(Foto: Bonhams)
(Foto: Bonhams)
(Foto: Bonhams)

Das versteigerte Fahrzeug mit dem Rufzeichen Alex 2707 wird am 21. März 1962 von Pons Automobielhandel ausgeliefert und während seiner vierjährigen Dienstzeit von den beiden Elite-Polizisten Van Rijn und De Steen geführt. Ihre mit Alex beginnenden Rufzeichen verdanken die Fahrzeuge im Übrigen der Alexander-Kaserne in Den Haag. Während seiner vier Dienstjahre auf den Autobahnen 2, 26, 4 und 4a legt Alex 2707 fast 200.000 Kilometer zurück und bekommt zwischendurch einen neuen Motor verpasst. Am Ende seiner Einsatzwagen-Laufbahn werden ihm sein Blaulicht, sein nach hinten ausgerichteter Lautsprecher, zwei Innenrückspiegel, ein großes Stop-Signal, Funk und weitere Polizei-Ausrüstungsgegenstände entfernt und er wird als normaler Porsche 356 verkauft. Laut Aufzeichnungen wird davon ausgegangen, dass er nie die Niederlande verlassen hat.


Den insgesamt 40 Porsche 356 Cabriolets folgen Mitte der 60er Jahre die ersten 911er nach Driebergen. Die ersten 911 Targas verfügen über einen 2,0 Liter großen Motor. Auf sie folgen 2.2 und 2.4 Modelle und das G-Modell mit einem 2,7 Liter großen Motor im Jahre 1974. 1978 rollt der 3.0 SC und 1984 der 3.2 Carrera Targa mit 231 PS zur Rijkspolitie. Sechs Jahre später fährt der 964 Carrera 2 mit einem 3,6 Liter großen Motor auf den Polizeihof - zu Beginn als Targa, später als Cabrio. Zwischendurch fährt die niederländische Spezialeinheit auch noch die Porschemodelle 912, 914/4, 914/6 und einen wassergekühlten 924 mit T-Dach. Insgesamt umfasst die Rijkspolitie-Porsche-Flotte im Laufe der 34 Jahre ungefähr 507 Fahrzeuge. Die Rijkspolitie ist damit bis heute der größte Porsche-Flottenbesitzer in der Geschichte der deutschen Sportwagenmarke.

(Foto: Bonhams)
(Foto: Bonhams)
(Foto: Bonhams)
(Foto: Bonhams)
(Foto: Bonhams)
(Foto: Bonhams)

 

 

 

Autor: Marcel Sommer  Stand: 06.09.2016
Fotos: Bonhams