Von wegen Taxi

Der Mercedes Strich-Achter wurde in Europa und Afrika gleichermaßen zur Legende. Die üppig dimensionierte Wanderdüne bestimmte in den 70ern das Straßenbild als elfenbeinfarbener Dauerläufer. Bis heute ist kein Taxi ist mehr Taxi als der Strich-Achter.
Doch es geht eben auch ganz anders. Denn auch wenn die meisten Strich-Achter (offizielle Bezeichnung W 114 / 115) als schwächlich motorisierte Taxis erst den europäischen und dann den afrikanischen Kontinent mit ihrer unverwüstlichen Langlebigkeit in Besitz nahmen, war der als Vorläufer der aktuellen E-Klasse-Generation nicht nur als müde motorisierter 200 D, kaum stärkerer 220 D oder als 240 D zu bekommen. Gerade in den USA machten die leistungsstärkeren Versionen 250, 280 und 280 E von sich reden. Das Topmodell 280 E ist auch nach heutigen Maßstäben eine Versuchung und wird auf dem Oldtimermarkt kaum angeboten.
Blasse Alltags-Noblesse
Man muss kein Pädagoge sein, der sich mit zahllosen Taxi-Nachtschichten ebenso mühsam wie schlafarm sein Endlos-Studium finanzierte, um den Strich-Achter wie einen guten, alten Freund Achter zu kennen. Die meisten hockten beinahe rund um die Uhr auf heruntergerockten Kilometerfressern in Elfenbeinlackierung, technisch nicht aus der Ruhe zu bringen und vergleichsweise kostengünstig zu reparieren. Beim Strich-Achter kommen viele bis heute ins Schwelgen, lassen ihre Studienzeit Revue passieren oder erinnern sich an wilde Fummeleien im väterlichen Familienfahrzeug mit der damaligen Freundin. Die Mercedes Baureihe W 114 (Sechszylinder) und W 115 (Vier- und Fünfzylinder), von 1968 bis 1976 produziert, waren das erste echte Volumenmodell von Mercedes-Benz. Mit knapp zwei Millionen produzierten Fahrzeugen verkaufte Daimler so viele Strich-Achter wie vorher von allen Mercedes-Fahrzeugen zusammen. Der Strich-Achter mit der größten nachgewiesenen Laufleistung ist ein 240 D, der von 1976 bis 2004 unglaubliche 4,6 Millionen Kilometer zurücklegte und es damit ins Daimler-Museum schaffte.
- Details
- Veröffentlicht: 03. Mai 2016