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Nägel mit Köpfen

Der Denza ist ab September erhältlich (Foto: Hersteller)

Vor vier Jahren beschlossen Daimler und BYD den Bau eines Elektro-Autos. Nach nur 36 Monaten Entwicklungszeit ist der Denza fertig und beeindruckt mit großer Reichweite und hoher Praxistauglichkeit.

China und Deutschland - das klappt. Zumindest bei Denza, der Kooperation zwischen Mercedes-Benz und dem Autobauer BYD. Mercedes-Mann Frank Schweickhardt ist von der Zusammenarbeit mit den asiatischen Kollegen durchaus angetan. "Die arbeiten sehr pragmatisch", erzählt der Denza-Entwicklungschef. Das erste Resultat dieser Kooperation zwischen dem chinesischen Hersteller und Daimler ist ein reinrassiges Elektromobil. Das Konzept für den Denza stammt von der Mercedes B-Klasse (W245), wie man an dem doppelten Unterboden erkennen kann. Nur so war die - für Automobilverhältnisse - schnelle Entwicklungszeit von rund 48 Monaten möglich. Allerdings hat das chinesisch-deutsche E-Mobil mit dem Mercedes-Benz außer den Türgriffen und ein paar Kleinteilen nichts mehr gemein.

Zwei Fahrprogramme

Im Vergleich zum Mercedes ist der asiatische Verwandte ein ziemliches Trumm von Auto. Der Denza ist 4,64 Meter lang, schlägt damit den schwäbischen Verwandten um 28 Zentimeter und bringt stattliche 2,1 Tonnen auf die Waage. Das liegt vor allem an der Batterie, die eine Kapazität von 47,5 kWh hat und alleine 550 Kilogramm wiegt. Auf der Haben-Seite dieses Monster-Akkus steht eine Reichweite von 335 km. Die elektrifizierte B-Klasse schafft dagegen mit einer 28,5-kWh-Batterie rund 200 Kilometer. Allerdings raubt der Einsatz elektrischer Verbraucher auch der großen Batterie im Denza Energie, sodass sich die Fahrtstrecke bis zum nächsten Strom-Tankstopp merklich verkürzt. Die Techniker in BYD-Zentrum, das nahe Hong Kong liegt, entschieden sich für einen Lithiumeisenphosphat Energiespeicher. Damit nahmen sie zwar eine geringere Energiedichte und deshalb mehr Größe in Kauf, bekamen dafür aber einen Akku, der Temperaturschwankungen besser wegsteckt. Deswegen muss die Batterie nicht eigens gekühlt werden und funktioniert bei Minusgraden. Auch ein Dorn, der quer durch die Zellen getrieben wird oder eine ausgiebige Benzin-Dusche inklusive anschließendem Feuer steckt die Batterie weg. Ebenso wie jede Art von Unfall. Der Trick dahinter: Ein 95 Kilogramm schwerer Alurahmen umschließt den Akku und schützt diesen. "Die Batterie war nach jedem nur erdenklichen Crash voll funktionsfähig", freut sich Frank Schweickhardt.


Rund 650 Kilogramm im doppelten Unterboden sind natürlich eine schwere Last, die das Gewicht des Denza auf über zwei Tonnen steigert. Auf der anderen Seite hilft ein niedriger Schwerpunkt bei der Fahrdynamik. Selbst bei schnell genommenen Kurven untersteuert das E-Mobil gutmütig und kann mit einem Verringern der Geschwindigkeit schnell wieder beruhigt werden, ehe das ESP eingreifen muss. Im Straßenverkehr schwimmt der Denza locker mit und lässt sich problemlos bewegen. Zur Auswahl stehen zwei Fahrmodi: Normal und Sport. Wählt man "Normal", konzentriert sich die Technik darauf, die größtmögliche Reichweite zu erzielen. Dann wird maximal rekuperiert und der Motor reagiert nicht mit voller Leistung auf die Beschleunigungsbefehle. Mit Ausnahme des Kickdowns. Da holt der Denza auch im Normal-Betrieb alles aus sich heraus. .

Zwei Ausstattungsversionen

Bei "Sport" wird jede Bewegung des rechten Fußes bestmöglich umgesetzt und die Energiegewinnung beim Verzögern reduziert. Allerdings fehlt auch in dieser Einstellung der in Europa beliebte E-Punch. Trotz des maximalen Drehmoments von 290 Newtonmetern. Die elektrohydraulische Lenkung wird von dem Fahrmodus nicht beeinflusst und reagiert etwas gefühllos. "Wir haben nicht auf möglichst hohe Beschleunigung, sondern auf Alltagstauglichkeit Wert gelegt", sagt Techniker Schweickhardt. Diese Mission ist dem Schwaben in chinesischer Mission gelungen. Immerhin beschleunigt der 117-PS-Motor den Stromer in 14 Sekunden von null auf 100 km/h und die Spitzengeschwindigkeit beträgt 150 km/h. Da steht die B-Klasse mit 177 PS und 340 Nm besser im Futter. Lässt man den Denza in China richtig fliegen, reicht das schon für einen Strafzettel, denn die erlaubte Höchstgeschwindigkeit beträgt 130 km/h. Bei den notorisch schlechten Straßen im Reich der Mitte ist der Komfort wichtig. In dieser Disziplin schlägt sich die China-B-Klasse ziemlich wacker und steckt auch ein Schlaglochfeuerwerk weg, ohne die Bandscheiben der Passagiere zu malträtieren.

Der Denza ist 4,64 Meter lang (Foto: Hersteller)
Das Cokpit ist übersichtlich (Foto: Hersteller)
Hinten ist viel Platz (Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)

An der mitgelieferten Sieben-kW-Wallbox ist die Batterie innerhalb von sieben Stunden wieder aufgeladen. Die installiert der Ladestation-Zulieferer ABB beim Kunden. Bei der 22-kW-Variante hat der Energiespeicher schon nach drei Stunden wieder volle Leistung. Schließt man den Denza an eine normale Haushaltssteckdose an, erhöht sich die Ladezeit auf 32 Stunden. Die chinesische Regierung steckt 16 Milliarden Euro in den Aufbau einer Ladestruktur. Dann müssen 30 Prozent der Parkplätze für die Starkstrom-Ladestationen reserviert werden. Erste reine E-Parkhäuser werden bereits erprobt. Auch Immobilienfirmen wollen ihre Wohnanlagen mit Strom-Tankstellen ausrüsten, um den Erwerb ihrer Objekte attraktiver zu machen. Für Flottenkunden plant Denza zusammen mit dem ABB auch 55-kW-Superlader. Dann sind die Batterien nach einer Stunde wieder gefüllt.


Der Denza kostet mindestens 369.000 Yuan (rund 45.500 Euro). Da die chinesische Regierung die Elektromobilität forciert, gibt es einige Zuschüsse, die den Preis auf 235.000 Yuan (circa 26.0000 Euro) reduzieren. Zur Auswahl stehen zwei Ausstattungen. Eine Basisvariante und die rund 30.000 Yuan (3.600 Euro) teurere Executive-Version. Die bietet einiges: Ledersitze, ein übersichtliches Cockpit mit unterschäumten Flächen und digitalen Instrumenten. Das Touchscreen-Display, das in die Mittelkonsole integriert ist, ähnelt einem Tablet und lässt sich ohne große Probleme bedienen. Zwar erreicht die Verarbeitungsqualität nicht ganz das gewohnte Mercedes-Benz-Niveau, ist aber meilenweit entfernt der Klapperkisten-Anmutung früherer chinesischer Modelle. Platz ist im China-Stromer genug. Im geräumigen Fond können sich die Gäste lang machen, ohne den Vordermann die Knie in den Rücken zu drücken. Die Platz-Opulenz ist damit noch nicht zu Ende: auch der Kofferraum punktet mit einem Ladevolumen von 460 Litern.

(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)

Den Denza gibt es ab September in Shanghai, in Bejing und in Shenzhen. Weitere Händler sollen folgen. Die Produktion bei BYD kann fünfstellige Fertigungszahlen stemmen. "Wenn die Chinesen 2020 fünf Millionen Elektro-Autos auf der Straße haben wollen, soll es an uns nicht scheitern", macht der deutsche Denza-Co-Chef Arno Röhringer klar. Diese Leistung ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass der Startschuss zur Entwicklung erst 2010 gefallen ist. Aus einer Rumpftruppe ist eine schlagkräftige Einheit geworden: Neben 60 Daimler-Mitarbeitern arbeiten 200 Chinesen bei Denza. Die Wege sind kurz, die Entscheidungen schnell. Planspiele für weitere Modelle laufen bereits. An Arbeitskräften mangelt es nicht. Auf einem kleinen Platz der BYD-Fabrik, in der der Denza entsteht, werden die neuen Angestellten gedrillt. "Rekruten" nennt Schweickhardt die im Gleichschritt marschierende uniformtragende Truppe unter der auch Frauen sind. Von denen ist Schweickhardt übrigens sehr angetan. Beruflich. "Das sind sehr gute Ingenieure. Die denken sehr logisch." Kann also gut sein, dass das nächste Denza-Modell ein Frauenauto wird.

 

 

Autor: Wolfgang Gomoll, Shenzhen  Stand: 29.08.2014
Fotos: Hersteller