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- Veröffentlicht: 30. Mai 2023
Die schwelgen in grenzenlosem Luxus, spektakulär bequemen Ledersitzen, genießen die grandiose Stille während der Autobahnfahrt Richtung Garmisch. Die Verarbeitung, das Ambiente – spektakulär und klassisch. Trotzdem ist das ein oder andere in die Jahre bekommen. Die Instrumente wirken trotz moderner Darstellung ebenso betagt wie die Klimabedienung, die man in Sachen Drehreglern und Temperaturrädern nicht verändert hat. Sie ist typisch Rolls-Royce, jedoch optisch angestaubt. Hier täte selbst einer elitären Luxuslimousine wie dem Phantom eine Frischzellenkur vorne wie hinten gut. Die Bedienung per Touch ist wohl nicht majestätisch genug, denn der Zentralbildschirm befindet sich ebenso hinter einer Schutzscheibe wie die Kunstinstallation vor dem Beifahrersitz, die der bestens betuchte Kunde ganz nach Gusto festlegen kann. Das hier fehlende Beifahrerdisplay gibt es in den Rückenlehnen der Frontsitze, sodass die beiden Fondinsassen hier nicht nur allein in den Langflorteppichen ihre Füße verstecken, sondern auch Filme schauen oder im Web surfen können. Den Spagat zwischen gestern und heute bekommt der Rolls-Royce Phantom nicht nur beim Außendesign perfekt hin – gerade im Innern ist die Nobellimousine eine wahre Schau. Und wem die bereits mehr als imposante Normalversion nicht reicht, der kann sich für die Variante mit verlängertem Radstand entscheiden, dann gibt es in der zweiten Reihe für ein paar Zehntausend Euro noch mehr Platz, Luxus und weitere Möglichkeiten zur Individualisierung.
Es wankt
Der Fahrer hinter dem gewohnt dünnen Steuer weiß es jedoch nicht erst bei Park- und Rangiermanövern am Comer See zu schätzen, in der Normalversion unterwegs zu sein. Bereits sie bringt den entgegenkommenden Verkehr in den kleinen Schweizer Ortschaften an ihre Grenzen. Der Reise- und Federungskomfort ist dabei ebenso spektakulär wie das Geräuschniveau, denn es huscht auch bei höheren Tempi kaum mehr als ein leises akustisches Lüftchen durch die belederte Kabine. Das V12-Triebwerk aus dem Hause BMW wurde traditionsbeladen auf 6,75 Liter Hubraum erweitert, während die Leistung mit 420 kW / 571 PS auf dem gleichen Niveau liegt, wie zuletzt der deutlich sportlicher ausgelegte BMW M 760i. Auf der Autobahn zeigt der Phantom auf Wunsch bis zu 250 km/h und animiert Sportwagenfahrer und Golf-GTI-Clubs bisweilen zu einem Zwischenspurt. Nicht weniger als eine Majestätsbeleidigung und kein Grund in die Hochgeschwindigkeitsetappen einzusteigen.
Der Phantom ist ein großer Reisewagen – vielleicht einer der letzten seiner Art. Sein Reisekomfort ist nicht weniger als einzigartig. Dabei geht es nicht allein um das Geräuschniveau, die dutzende Kilo von verstecktem Dämmmaterial, Doppelglasscheiben oder die Luftfederung, sondern die Symbiose aus allem. Dazu gehört für jeden Insassen eben auch das Ambiente, die spektakuläre Verarbeitung und die Bedienung. Rolls-Royce ist eben in erster Linie Rolls-Royce – hier passt der schwäbische Slogan „das Beste oder Nichts“ erstmals wirklich. Der Reisekomfort nach ein paar Stunden hinter dem Steuer ist einzigartig, wenn man es nicht zu flott angehen lässt. Dabei ist die Leistungsentfaltung kaum weniger beeindruckend als der Reisekomfort, doch er Chauffeur muss sich an die präzise, aber allzu leichtgängige Lenkung ebenso erst gewöhnen wie an den spürbaren Wankbewegungen bei schnell gefahrenen Schweizer Kurvenpassagen zwischen Scoul und Sankt Moritz. Der Phantom ist bedingungslos auf den Komfort der Fondinsassen ausgelegt und verbietet dadurch jegliche Härte bei einer Wankstabilisierung. Auch wenn Rolls-Royce mit seiner exzellenten Achtgang-Automatik aus guten Gründen auf Fahrprogramm verzichtet – hier wären wechselnde Modi durchaus zeitgemäß, um Dämpfer und Luftfederung anzupassen, wenn die 900 Nm maximales Drehmoment einmal artgerecht eingesetzt werden sollten. Doch wie flott oder schnell man auch unterwegs sein mag – das Geräuschniveau bleibt nahezu auf Null-Niveau und insofern müssen sich die potenziellen Kunden der zukünftig elektrischen Royce-Modelle nicht umstellen. Die Sitze lassen sich auch im Fond zahllos elektrisch verstellen, klimatisieren und in eine Ruheposition bringen, sodass der dortige Gast mit Blick in den LED-Sternenhimmel träumen kann. Was fehlt, ist die elektrische Verschattung der hinteren Scheiben – doch bestellen lässt sich beim Phantom ohnehin fast alles – selbst, wenn es einmal nicht in der Liste der Extras stehen sollte.