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Das große Ziel
Immer mehr Märkte setzen auf die automobile Elektromobilität. Selbst der indische Subkontinent, sonst für knatternde Zweiräder und Billigautos bekannt, schwenkt langsam auf Elektroantriebe um. Bis 2030 soll immerhin knapp ein Drittel der Neufahrzeuge elektrisch unterwegs sein.

Das große Ziel

Auf den Straßen von Indien (Foto: press-inform)

Immer mehr Märkte setzen auf die automobile Elektromobilität. Selbst der indische Subkontinent, sonst für knatternde Zweiräder und Billigautos bekannt, schwenkt langsam auf Elektroantriebe um. Bis 2030 soll immerhin knapp ein Drittel der Neufahrzeuge elektrisch unterwegs sein.

Damit aus einem zarten Beginn ein spürbarer Elektrotrend wird, plant die indische Regierung die Elektrifizierung von Massenverkehrsmitteln wie Bussen, Zwei- und Dreirädern mit Hochdruck nach vorne zu treiben. Das soll nicht nur die eigene Bevölkerung auf den rechten Weg bringen, sondern auch die eigene Autoindustrie stärken. Bereits in den vergangenen Jahren haben lokale Automobilhersteller und Zulieferer zusammen mit der Zentralregierung in Delhi sowie in den einzelnen Staaten politisch vom reinen Verbrennermodell auf Elektroantriebe umgeschwenkt, um einen der größten Automärkte der Welt zukunftsfähig zu machen. "Zweiräder, Dreiräder und Busse sind eindeutig die Hauptnutznießer der Regierungsprogramme, während die E-Fahrzeuge für den Personenverkehr derzeit eher im Hintergrund stehen", erläutert Bakar Sadik Agwan, Analyst bei Global Data, "der hohe Anteil der drei Segmente an der Gesamtbevölkerung rechtfertigt jedoch den Grund dafür, und diese Segmente können dazu beitragen, das Ziel von 30 Prozent elektrifizierter Neufahrzeuge bis 2030 zu erreichen. Elektroautos für den Personenverkehr sind eine teure Anschaffung und stehen vor der Herausforderung, auf dem preissensiblen indischen Markt Volumen für die persönliche Mobilität zu gewinnen. Außerdem haben sie mit Gegenwind durch Faktoren wie Reichweitenangst, fehlende Ladeinfrastruktur und Fahrzeuge mit alternativem Kraftstoff (CNG) zu kämpfen."

30 Prozent Elektromodelle bis 20230?

Wenn in Delhi der Luftqualitätsindex bei 169 steht, ist das ein guter Wert. Es gibt schon mal Tage, an denen ein Vielfaches erreicht wird und einem das Atmen dementsprechend schwerfällt - das soll die Elektromobilität ändern. Doch was die Elektromobilität angeht, ist Indien ein echtes Entwicklungsland. Die Gründe sind offensichtlich. Zum einen fehlt es an der Infrastruktur. In vielen Gegenden haben die Menschen nicht einmal fließendes Wasser; von einer Wallbox ganz zu schweigen. Indien, das ist für viele in erster Linie der Ambassador. Er gehörte auf genauso Indiens Straßen, wie das sagenhafte Taj Mahal auf fast jede Postkarte. Die barocke Limousine, die auf den 1957 eingestellten britischen Morris Oxford Serie III basiert, war als Taxi und als Politiker-Limousine beliebt und prägte über Jahrzehnte die automobile Landschaft Indiens. Vor allem die Taxler pflegten das hochbeinige Gefährt mit einer Hingabe, die ihres Gleichen suchte. Der Ambassador galt als unverwüstlich und falls doch etwas kaputt ging, konnte man die einfache Technik selbst reparieren.


Die geplanten 30 Prozent Elektroanteil der Neuzulassungen stehen auf tönernen Füßen, wenn man sich vor Augen hält, dass die Lebensdauer eines indischen Autos bei neun bis zwölf Jahren liegt und im Verkehr der großen Metropolen, wie Mumbai oder Delhi sind Elektromobile noch echte Exoten. Immerhin soll das Zeitalter der Verbrenner-Tuk-Tuks sich dem Ende zuneigen und die belieben Beförderungsmittel ab 2026 nur noch mit Elektroantrieben unterwegs sein. Auch bei den motorisierten Dreirädern scheint die Zielvorgabe angesichts der Realität ein optimistischer Wunschtraum zu sein. Jenseits der Millionenstädte ist von einer Lade-Infrastruktur noch keine Spur und auch das Stromnetz ist mehr als fragil. Kaum vorstellbar, was passiert, wenn jetzt Ladesäulen Energie benötigen, selbst die kleinen Batterien der Elektro-Mopeds dürften die Kapazität sprengen. Bei den alternativen Antrieben hinkt Indien dem Weltmarkt aktuell zehn Jahre hinterher.

Moderne Benziner bei Citroen und Skoda

Dass Indien noch einige Zeit von klassischen Verbrennungsmotoren angetrieben wird, zeigt auch die Tatsache, dass sich in den nächsten Jahren die Zahl der Tankstellen von 50.000 auf 100.000 verdoppeln soll. Aktuell plant die indische Regierung die Installation von 2.636 Ladestationen, die in 62 Städten und 24 Bundesstaaten sowie Unionsterritorien aufgestellt werden, davon sollen immerhin 1.633 Schnellladestationen sein. Angesichts einer Landesfläche von immensen 3.287.000 Quadratkilometern (fast zehnmal so groß wie Deutschland) und der Einwohnerzahl von gut 1,3 Milliarden erscheint diese Zahl nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn die Elektromobilität in Indien Fuß fasst, dann wird das zunächst in den Ballungsräumen der Fall sein.

Auf den Straßen von Indien (Foto: press-inform)
Auf den Straßen von Indien (Foto: press-inform)
Auf den Straßen von Indien (Foto: press-inform)
(Foto: Skoda)
(Foto: Skoda)
(Foto: Skoda)

Eine Marke wie Skoda bringt mit dem Kushaq nunmehr einen kleinen, bezahlbaren Crossover nach Indien und Stellantis will mit einem lokal produzierten Citroen C3 auf dem aktuell drittgrößten Einzelmarkt der Welt neue Kunden anlocken. "Der neue C3 ist ein wesentlicher Bestandteil dieser internationalen Expansion und die erste Etappe der Wachstumsstrategie. Das weniger als vier Meter lange Fahrzeug zielt auf ein wichtiges Segment in Indien und Südamerika", sagt Citroen-CEO Vincent Cobée, "modern, vernetzt und auf die lokalen Bedürfnisse zugeschnitten, ist der neue C3 perfekt geeignet, um das Wachstum von Citroen zu unterstützen."


Obwohl der indische Markt für Elektro-PKW gemessen am Gesamtvolumen aktuell winzig klein ist, birgt er ein gewaltiges Wachstumspotenzial und wird daher seit mehr als 20 Jahren von den meisten großen Autoherstellern wachsam beäugt. So sind auch die meisten Automobilhersteller mittlerweile optimistisch, was die Zukunft von Elektroautos in Indien angeht und konzentrieren sich mittel- bis langfristig auf elektrifizierte Fahrzeuge. Aktuell gibt es jedoch noch kein nennenswertes Produktangebot an Elektroautos. Ausländische Marken - speziell aus dem Premiumsegment - planen Fahrzeuge mit elektrifizierten Antrieben zu importieren, da eine lokale Elektroproduktion mehr denn je in den Anfängen steckt. Daher will die indische Regierung mit elektrischen Zwei- und Dreirädern einen ersten Schritt machen, der sich schneller umsetzen lässt. Ähnlich sieht es mit dem Massenverkehrsmittel Bus aus, der nicht nur die ländlichen Regionen anbindet.

(Foto: Volkswagen)
(Foto: Volkswagen)
(Foto: Volkswagen)
(Foto: Volkswagen)
(Foto: Volkswagen)
(Foto: Volkswagen)

"EVs befinden sich in Indien noch in der Anfangsphase. Während erschwingliche E-Fahrzeuge an Fahrt gewinnen, ist es für Luxusautohersteller aufgrund der hohen Einfuhrzölle schwierig, Fahrzeuge als CBUs zu importieren, um die Markttrends und das Kaufverhalten der Kunden zu beobachten", sagt Bakar Sadik Agwan, "Automobilhersteller wie Tesla und Mercedes haben ihre Besorgnis über die weltweit höchsten Steuern zum Ausdruck gebracht, die ihre Fahrzeuge im Vergleich zu entwickelten Märkten wie den USA und Europa bis zu doppelt so teuer und damit in Indien unerschwinglich machen. Der Aufbau einer Montage/Produktion für ein kleines Volumensegment ist für diese Luxusautohersteller wirtschaftlich nicht sinnvoll. Begrenzte Importe könnten dabei helfen, den Markt abzuschätzen und schließlich ihre zukünftigen Strategien zu planen. Das Rennen um die Elektrifizierung in Indien ist kein kurzer Sprint, sondern ein Marathon, der sorgfältige Planung und Ausführung erfordert."

Autor: Patrick Soberg  Stand: 06.10.2021
Fotos: press-inform