Andere Länder - andere Sitten
Was wäre ein Auto ohne die entsprechende Ausstattung? Doch diese Ausstattungen sehen international und gerade weltweit völlig unterschiedlich aus. Besonders karg sind die Fahrzeuge in Europa und hier speziell in Ländern wie Deutschland, Italien oder Frankreich ausgestattet.
Jedes Auto verfügt - zumeist abhängig von Motor und der jeweiligen Ausstattungsvariante - über ein entsprechendes Serienpaket und zudem ein mehr oder weniger großes Portfolio an Extras, mit denen der Kunde das eigene Modell ganz nach seinen Wünschen individualisieren kann. Dabei ist ein VW Golf in Deutschland völlig anders ausgestattet als anderswo und auch selbst in der Schweiz oder Frankreich gibt es Ausstattungspakete, die sich sehr deutlich voneinander unterscheiden.
75 Sonderausstattungen für den VW Golf
Der Grund liegt auf der Hand, denn wenn es um die Ausstattung von Fahrzeugen geht, gibt es mitunter gravierende Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen der Welt. Das wiederum spiegelt sich auch in den Autos der verschiedenen Marken aus Amerika, Asien und Europa wider. Amerikanische Fabrikate gelten nicht erst seit den 1960er Jahren insbesondere als komfortorientiert und geräumig. Asiatische Hersteller zeigen seit den 1980ern dagegen nicht selten einen Hang zur Elektronikverspieltheit. Und die Europäer setzen meist auf hochwertige Verarbeitung und aufwendige Technik. Besonders deutlich werden die Unterschiede jedoch bei Umfang und Ausrichtung der Serienausstattung. Was bei einem Hersteller bereits ab Werk eingebaut ist, gibt es beim anderen als Sonderausstattung und bei wiederum anderen nicht mal gegen Aufpreis. Die Analysten von Jato Dynamics hat sich dazu einmal die deutschen Zulassungszahlen im vergangenen Jahr angesehen und die Bestsellermodelle verschiedener Hersteller aus verschiedenen Regionen miteinander verglichen.
Dazu wurden exemplarisch für allzu gängige Fahrzeuge ausgesucht. So tritt der VW Golf für Deutschland an, der Ford Focus für die USA, der Hyundai Kona für Korea sowie der Volvo XC60 für das vermeintlich exotische Schweden und der kleine Toyota Yaris für Japan. Die Unterschiede sind gewaltiger denn je, wenn vom aktuellen VW Golf der Generation 8 gibt es derzeit 67 verschiedene Versionen, verteilt auf zwölf Ausstattungslinien. Die Kunden können aus durchschnittlich 75 Sonderausstattungen (Einzeloptionen und Optionspakete) wählen, davon 16 verschiedene Lackierungen. Zudem werden derzeit drei unterschiedliche Antriebsvarianten angeboten: elf Trims mit Verbrennungsmotor, vier mit Mild-Hybrid und zwei Trims mit Plug-In Hybrid.
Dünne Serienausstattungen in Europa
Für den amerikanischen Ford Focus gibt es elf Trims und unglaubliche 186 Versionen mit einer Auswahl aus durchschnittlich 45 Sonderausstattungen (davon 19 Lackierungen) bei zwei Antriebsvarianten. Für den Golf werden im Vergleich die meisten Sonderausstattungen angeboten, während Kunden des Toyota Yaris lediglich aus zwölf Extras auswählen können. Und die betreffen zu drei Vierteln die Lackierung. Auch bei anderen Herstellern fällt die große Auswahl an Lackierungen auf. Die Farbe wird also herstellerübergreifend und unabhängig von der Region als wichtige Möglichkeit zur Individualisierung des Fahrzeugs verstanden.
Doch wie verhält es sich mit der Serienausstattung an sich? Vergleicht man die beiden Extreme - den Golf mit durchschnittlich 75 verfügbaren Sonderausstattungen und den Toyota Yaris mit zwölf - dann fällt auf, dass für den Volkswagen vergleichsweise wenige Details serienmäßig angeboten werden. Dafür gibt es jedoch viel Raum zur Individualisierung per Sonderausstattung. Beim Toyota sieht es genau umgekehrt aus. Zwar werden für das japanische Fabrikat nur wenige Extras angeboten, dafür kann sich aber die Serienausstattung deutlich mehr sehen lassen als beim deutschen Gegenüber. Diese umfasst unter anderem einen adaptiven Tempomat mit aktivem Spurhalteassistent und automatischer Notbremse mit Gurtstraffern sowie beheizbare Vordersitze und LED-Scheinwerfer. Der Blick auf die anderen Fahrzeuge in diesem Vergleich zeigt ähnliche Verhältnisse: Eine große Auswahl an Extras geht einher mit einer geringeren Serienausstattung. Interessant ist dabei, dass jeder Hersteller andere Schwerpunkte setzt, die sich aus der Serienausstattung ablesen lassen.
Volkswagen vermittelt besonders großes Vertrauen in die Langlebigkeit des Golfs. Das machen die vergleichsweise langen Service- und Inspektionsintervalle deutlich. Während bei den anderen Fabrikaten bereits alle 30.000 km die große Inspektion ansteht, dürfen beim Golf stolze 60.000 km gefahren werden, ehe es in die Werkstatt geht. Volvo bremst seine Kunden mit einer elektronisch begrenzten Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h frühzeitig ein bietet intelligente Airbags, die Gewicht und Position des Fahrers mitberücksichtigen. Und Ford setzt sich mit dem Focus mit Features wie Mehrzonen-Klimaautomatik, WiFi und Parkassistent eher auf eine komfortorientierte Serienausstattung.
Die beiden asiatischen Modelle Hyundai Kona und Toyota Yaris stechen vor allem wegen ihrer Technikausstattung heraus. So findet man beim Kona ein kamerabasiertes Park-Distance-System, einen volldigitalen Tacho und Keyless Entry / -Start. Auch der Yaris bietet den volldigitalen Tacho. Außerdem gibt es einen automatischen Fernlichtassistenten und eine Einparkhilfe. Deutlich kleiner ist das Delta bei Plug-In-Hybriden und Elektroautos, denn diese sind zumeist mit einer besseren Serienausstattung versehen, um den Variantenreichtum bei Bestellung, Produktion und Länderspezifizierung einzudämmen. Die Ausstattungen unterscheiden sich jedoch bei höherwertigen Fahrzeugen enorm. So sind in den USA viele Fahrzeuge serienmäßig mit elektrischen Ledersitzen, einem elektrischen Schiebedach oder einem guten Soundsystem ausgestattet - alles Details, die sich gerade auch die Premiumhersteller wie Audi, BMW, Mercedes oder Porsche in Europa teuer extra bezahlen lassen. In den Emiraten oder Asien gibt es oftmals nur eine bereits sehr gute Serienausstattung, die nur noch geringfügig nach oben aufgestockt werden kann. Der Grund liegt darin, dass die meisten Fahrzeuge auf diesen Märkten vorkonfigurierte Stockfahrzeuge sind, die auf die interkontinentalen Märkte gesandt werden, weil eine Einzelstellung zu lange dauern würde.
Ein Markt wie die USA hat dabei genügend Druck, auch Sonderausstattungen durchzusetzen, die es sonst kaum geben würde. Viele europäische Fahrzeuge haben in den USA deutlich größere Becherhalter oder gar eine geänderte Klimaführung. Gleichzeitig fehlen in den USA Ausstattungsvarianten wie Laserlicht oder digitale Außenspiegel, weil die Sicherheitsbehörden diese - insbesondere, um die nationalen Zulieferer zu schützen - nicht zulassen. Verschiedene Modelle von General Motors oder Chrysler verfügen zum Beispiel über eine Fernstartfunktion per Fernbedienung, um den Wagen aufzuheizen oder kühlen zu lassen und Sportwagenfahrer fahren in den USA besonders gern eine manuelle Handschaltung, um die eigene Sportlichkeit nach außen zu tragen. Der Hauptgrund, weshalb BMW bei seinen Sportmodellen M3 / M4 ebenso eine Handschaltung anbietet wie Porsche bei seiner Sportskanone 911 GT3. Volkswagen oder Kia bieten beispielsweise neue Elektromodelle etwas überraschend in Europa oftmals nicht mehr mit echten Ledersitzen an, um sich einen zusätzlichen Ökoanstrich zu geben. In vielen asiatischen Ländern oder den USA werden die Fahrzeuge jedoch mit Ledersitzen angeboten, weil sonst die komfortgewöhnten Kunden abspringen würden. So wird auch hier ebenso wie bei den Sonderausstattungen mit sehr unterschiedlichem Maß gemessen - jeder bekommt letztlich nicht nur das, was er will, sondern was ihm vom Hersteller zugestanden wird.