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Blick nach vorn
Nachdem sich in den vergangenen Jahren bei den Elektrozulassungen in Deutschland ebenso wie dem europäischen Ausland deutlich weniger als ehemals erhofft getan hat, sieht es mittlerweile besser aus. Die hohen Subventionen zeigen so langsam Wirkung.

Blick nach vorn

Skoda Octavia Combi iV (Foto: press-inform / VW)

Nachdem sich in den vergangenen Jahren bei den Elektrozulassungen in Deutschland ebenso wie dem europäischen Ausland deutlich weniger als ehemals erhofft getan hat, sieht es mittlerweile besser aus. Die hohen Subventionen zeigen so langsam Wirkung.

Es ist schon einige Zeit her, als die CEOs der deutschen Autohersteller sich zufrieden mit dem Ergebnis eines Autogipfels im Bundeskanzleramt gezeigt hatten. Doch in der vergangenen Woche gab es fast nur zufriedene - wenngleich auch keine strahlenden - Gesichter. Die hohen Subventionen, die es seit längerem für diejenigen Kunden gibt, die sich für ein Elektroauto oder einen Plug-In-Hybriden entscheiden, sorgen für steigende Verkaufszahlen. "Bei uns war im September jeder dritte neu zugelassene Golf ein GTE", sagt Ralf Brandstetter, Vorstandsvorsitzender der Marke Volkswagen, zufrieden. Bei den anderen Marken - egal ob Premium oder Volumen - sieht es kaum anders aus. Elektroautos und Plug-In-Hybriden sind durch die Subventionen von zum Teil über 9.000 Euro wahre Renner geworden. Elektrische Klein- und Kompaktwagen wie der auslaufende E-Golf oder der E-Up sind komplett ausverkauft. Die Nachfrage nach Modellen wie dem elektrischen Mini Cooper SE oder einem Opel Corsa-E ist kaum kleiner. Audi kommt mit den Lieferungen des Audi Q5 PHEV ebenso kaum nach wie BMW oder Mercedes mit ihren Plug-In-Hybriden. Gerade Volumenhersteller wie Ford, Renault, Opel oder Peugeot legen oftmals noch einen imposanten Rabatt obenauf, um die unter Coronabedingungen ambitionierten Verkaufsziele für dieses Jahr zu erreichen. Schließlich geht es nicht zuletzt um den Flottenverbrauch - da zählt jedes mit einem Stecker zugelassene Fahrzeug in der gesamten EU.

Subventionen zeigen Wirkung

Trotz der Corona Krise könnte das Jahr 2020 zu einem Wendepunkt für die europäische Autoindustrie werden. Endlich müssen die Verantwortlichen bei den häufiger werdenden Bühnenauftritten nicht mehr uninteressante Automobil-Nebenschauplätze wie die Niederlande, Belgien oder Norwegen nennen, wenn es um hohe Verkaufsanteile und eine entsprechend hohe Nachfrage nach elektrifizierten Fahrzeugen geht. Bis zum Ende des Jahres werden nach Berechnung der Managementberatung Horváth & Partners in über 370.000 Elektroautos auf deutschen Straßen fahren. Im kommenden Jahr sollen nochmals 200.000 Fahrzeuge dazukommen. "Die Verbreitung von E-Autos erfolgt nun endlich mit der notwendigen Dynamik, unter anderem getrieben von der Corona-Krise", sagt Dr. Oliver Greiner, Studienleiter und Partner bei Horváth & Partners. Im internationalen Vergleich hat sich Deutschland mittlerweile auf den dritten Platz bei Neuzulassungen von elektrifizierten Autos emporgearbeitet. Neben dem seit Mitte des Jahres deutlich erhöhten Bonus für Plug-In-Hybriden und Elektroautos könnte sich auch die Corona-Krise zu einem Booster entwickeln. In der anhaltenden Pandemie ist das Auto für die meisten zum Fortbewegungsmittel Nummer eins geworden. Immer mehr Personen machen einen Bogen um die öffentlichen Verkehrsmittel in der Stadt sowie Flugzeuge und die Bahn.


Ende vergangenen Jahres waren in Deutschland rund 240.000 Elektrofahrzeuge zugelassen, davon mit 137.000 Fahrzeugen mehr als Hälfte rein elektrisch. Damit stieg der Bestand an Elektrofahrzeugen im Vergleich zum Vorjahr nochmals um knapp 60 Prozent. Wird diese Wachstumsgeschwindigkeit beibehalten, würde das zunächst für 2020 und dann für 2022 ausgegebene Millionenziel der Bundesregierung zwar knapp verfehlt; dürfte nach Ansicht von Horváth & Partners aber in der ersten Jahreshälfte 2023 erreicht werden.

Mehr Ladesäulen sind ein Muss

Mit Blick auf die weltweiten Märkte wurden 2019 lediglich in den USA und in China mehr Elektrofahrzeuge neu zugelassen als in Deutschland. Diese Entwicklung ist allemal beachtlich, lag die deutsche Automobilwirtschaft in den Vorjahren in diesem Vergleich nur auf Rang vier bzw. fünf. Die deutschen Neuzulassungen haben sich seit 2017 verdoppelt und lagen 2019 bei knapp 110.000. Damit überholte Deutschland Nationen wie Japan und Norwegen. China und USA liegen als weit größere Absatzmärkte an der Spitze, vermelden allerdings 2019 rückläufige Tendenzen. Doch auch wenn die Anteile deutlich steigen und die Zuwächse beachtlich sind, bleibt der Anteil der stromangetriebenen Autos unter dem Strich vergleichsweise gering. Nach Berechnungen der Experten von Horváth würde bei einem angenommenen PKW-Bestand in Deutschland von rund 45 Millionen Fahrzeugen im Jahre 2022 Elektroautos gerade einmal zwei Prozent ausmachen. Zum Dekadenwechsel im Jahre 2030 wären es demnach zwischen 15 und 20 Prozent.

VW ID.4 (Foto: press-inform / VW)
Honda E (Foto: GCOTY)
Polestar 2 (Foto: GCOTY)
(Foto: Daimler)
(Foto: Seat)
(Foto: Bentley)

Alle Beteiligten sind sich einig, dass der Durchbruch der Elektroautos weniger in größeren Reichweiten oder in einem größeren Fahrzeugangebot liegt. Neben sinkenden Preisen der Neufahrzeuge kommt dem Ausbau der bundesweiten Ladeinfrastruktur eine zentrale Bedeutung zu. Die Anzahl der öffentlichen und halb-öffentlichen Ladepunkte ist 2019 in Deutschland auf 24.000 gestiegen. Das entspricht einem deutlichen Plus von 49 Prozent zum Vorjahr. Bereits 2018 konnte mit 48 Prozent ein ähnlich hoher prozentualer Zuwachs verzeichnet werden. Doch auch die Reichweitenentwicklung hat erneut einen großen Schritt nach vorne gemacht. Die durchschnittliche Reichweite aller 2019 verkauften Elektrofahrzeuge lag entsprechend Herstellerangaben und wie im Vorjahr prognostiziert bei etwa 325 Kilometern. 2018 waren es gerade einmal 267 Kilometer. Die meisten Elektroautos, die neu auf den Markt kommen, bieten mehrere Akkupakete und dem Kunden entsprechend die Wahl zwischen mehreren Reichweiten. Unter 300 Kilometern wird abseits von Kleinwagen wie dem Mini Cooper SE oder einem Honda E kaum mehr etwas angeboten. Die mesten Elektroautos locken mit 400 oder 500 Kilometern ohne nachzutanken und die Plug-In-Hybriden müssen ab Anfang 2022 ohnehin mindestens 60 Kilometer rein elektrisch fahren, um als solche anerkennt zu werden. "Reichweiten über das enge urbane Umfeld hinaus sind für Kunden nach wie vor ein wichtiger Faktor", sagt Oliver Greiner von Horváth & Partners, "2020 wird ein Schlüsseljahr für die Elektromobilität in Deutschland."


Mit über 370.000 E-Autos auf deutschen Straßen wird sich ihre Zahl im Vergleich zum Vorjahr um mehr als die Hälfte gesteigert haben. Ende 2021 dürften es laut Hochrechnungen bereits knapp 600.000 E-Autos sein. In diesem Jahr greifen erstmals die von der EU vorgegebenen CO2-Flottengrenzen, die den CO2-Ausstoß auf im Schnitt 95 Gramm pro Kilometer begrenzen. Bei den Neuzulassungen sind E-Autos weiter auf dem Vormarsch und erreichten im September einen Rekord-Marktanteil von 15 Prozent.

(Foto: Harald Dawo)
(Foto: Volkswagen)
(Foto: press-inform / Mercedes)
(Foto: BMW)
(Foto: Kia)
(Foto: Renault)

Der Umweltbonus, der wohl eine Verlängerung bis 2025 erfahren wird, erfreut sich großer Beliebtheit: Im September wurden mit mehr als 27.000 so viele Anträge gestellt wie noch nie zuvor seit Einführung der Kaufprämie 2016. So kann etwa für den Kauf eines reinen E-Autos eine Unterstützung von bis zu 9.000 Euro bei einem Nettolistenpreis unter 40.000 Euro abgerufen werden. "Dies ist ein wichtiger Beitrag, um den durchschnittlichen Preisaufschlag für ein Elektroauto im Vergleich zum Verbrenner weiter zu reduzieren. Dieser lag in den vergangen zwei Jahren mit jeweils knapp 45 Prozent noch deutlich zu hoch für die große Mehrheit der Käufer", sagt Horváth-Partner Greiner.

Autor: Stefan Grundhoff  Stand: 23.11.2020
Fotos: press-inform / VW