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Der Feind hört mit
WLTP - diese vier Buchstaben haben die Autowelt zuletzt mächtig in Wallung gebracht. Der neue Zyklus soll die Verbräuche realitätsnaher und die Fahrzeuge sparsamer machen. Ab Anfang 2020 will die EU zudem den Verbrauch jedes einzelnen überwachen. Wie genau, weiß jedoch noch keiner.

Der Feind hört mit

WLTP II (Foto: Daimler)

WLTP - diese vier Buchstaben haben die Autowelt zuletzt mächtig in Wallung gebracht. Der neue Zyklus soll die Verbräuche realitätsnaher und die Fahrzeuge sparsamer machen. Ab Anfang 2020 will die EU zudem den Verbrauch jedes einzelnen überwachen. Wie genau, weiß jedoch noch keiner.

Nachdem die Umstellung des Verbrauchszyklus NFZ (Neuer Europäischer Fahr Zyklus) auf WLTP (World Light Vehicle Test Procedure) in den vergangenen zwei Jahren viele Fahrzeuge von den Verkaufslisten strich, droht mit dem nächsten Schritt WLTP-II neues Ungemach. Dabei sind es nicht die neuen Messverfahren, die den Autobauern Kopfschmerzen bereiten. Diesmal sind es die Autofahrer selbst, die an die Kandare genommen werden sollen. Die Europäische Union hat sich das Recht verschafft, den Verbrauch jedes einzelnen Autofahrers überprüfen zu dürfen. Das Ganze heißt zunächst wenig auffällig FCM - Fuel Consumption Monitoring. Hierbei wird der reale Verbrauch jedes einzelnen Autofahrers im Fahrzeug aufgezeichnet und gespeichert. Dadurch will die EU-Kommission garantieren, dass die Autobauer Fahrzeuge bauen, die nicht nur auf dem Papier sparsam sind, sondern auch von jedem Autofahrer möglichst sparsam bewegt werden.

Überwachungsstaat

Bereits ab dem 1. Januar 2020 wird der Realverbrauch jedes neu entwickelten Fahrzeugs aufgezeichnet. Ein Jahr lang gibt es noch eine Übergangszeit für Fahrzeuge, die nicht komplett neu entwickelt wurden. Ab dem 1. Januar 2021 fällt die Ausnahmeregelung der Abgasprüfung gemäß Euro6d-Temp-ISC / Euro6d-ISC und alle neu zugelassenen Fahrzeuge müssen ihre Daten speichern. In diesem Zusammenhang wurden auch die im Fahrzeug verbauten Bordcomputer genauer gemacht. Ihre Abweichung darf nunmehr maximal fünf Prozent vom Realverbrauch bezahlen. Gespeichert wird der Verbrauch bei den neuen Fahrzeugen ohnehin schon.


Doch während die diesmal die meisten Autobauer ihre Hausaufgaben gemacht haben, hapert es an der EU und den nationalen Verbänden. Die Daten werden spätestens zum 1. Januar 2020 zwar in den Fahrzeugen gespeichert. Doch weiß niemand, wie diese Daten real kontrolliert werden sollen und as später damit geschieht. Denkbar wären hierfür zufällige Tests in Flotten, die Übertragung während der Fahrt per Funk oder das Abgreifen der Daten über die Onboard-Schnittstelle bei der nächsten TÜV-Prüfung. Dabei scheint nicht nur zumindest zweifelhaft, was die EU mit den höchst unterschiedlichen Verbrauchsdaten jedes einzelnen anstellen will. Auch dürfte der ein oder andere Autofahrer ein Problem damit haben, dass sein Verbrauchsprofil - wenn auch anonymisiert - von einer Organisation bzw. der EU abgegriffen wird. Denn wenn der eigene Verbrauch öffentlich gemacht wird, wäre es mittelfristig ein leichtes, eine Realsteuer abzugreifen, je nachdem wie sparsam der Autofahrer unterwegs ist. Dem Überwachungsstaat sind durch das Monitoring Tür und Tor geöffnet.

Hybriden unter Druck

Schwierig könnte der Realverbrauch in erster Linie für die Plug-In-Hybriden werden, die derzeit auf dem Papier mit mikroskopischen Verbrauchswerten locken und diese zumindest annährend erreichen können, wenn man regelmäßig an der Steckdose tankt. Untersuchungen in den einzelnen europäischen Staaten haben ergeben, dass viele die Plug-In-Hybriden ebenso wie die Elektroautos in erster Linie wegen der hohen Subventionen gekauft haben und das Ladekabel oftmals ungenutzt im Kofferraum bleibt. Das würde durch das Fuel Consumption Monitoring ans Tageslicht kommen. Die Autohersteller gerieten unter einen noch größeren Druck, Fahrzeuge zu verkaufen, die auch in der Realität sparsam sind.

WLTP II (Foto: Daimler)
WLTP II (Foto: Daimler)
WLTP II (Foto: Daimler)
(Foto: Mercedes)
(Foto: Mercedes)

Ebenfalls zum WLTP-II-Verfahren gehört die modifizierte Version des obligatorischen Verdampfungstests (EVAP), bei dem nahezu alle Motor-Getriebevariationen erforderlich sind, um die Fahrzeuge zu zertifizieren. Dabei wird überprüft, wie viel Kraftstoff aus dem jeweiligen Modell in die Umgebungsluft verdampft, wenn es 48 Stunden nicht bewegt wurde. Der Test ist nicht neu; jedoch betrug der Testzeitraum bisher gerade einen Tag mit 24 Stunden; heißt: die Tests dauern schlicht doppelt so lang wie bisher. Spricht man mit Entwicklern der großen Autofirmen, so maulen diese, dass die neuen Tests pro Auto unter 14 Tagen nicht zu machen sein. Manche Modelle schaffen die aufwendige technische Abnahme gar erst nach drei Wochen. Entsprechend groß sei nicht nur der personelle, sondern auch der logistische Aufwand in den Entwicklungszentren.


Nicht nur in Ingolstadt und Wolfsburg klingeln daher seit Monaten alle Alarmglocken während die bisherigen noch nicht einmal verklungen sind. Der Volkswagen Konzern prüft zusammen mit Unternehmen wie Daimler seit Monaten die nächste Zertifizierungsstufe WLTP II und hat begründete Sorgen wegen der Veränderungen beim neuen Verdampfungstests. Der Großteil der angebotenen Fahrzeuge muss sich mit der Vielzahl an Motor- und Getriebevarianten neuen, zeitaufwendigen Tests stellen, die die Lieferfähigkeit von Modellen erneut ins Wanken bringt. Daher kann kaum ein Hersteller Engpässe bei der Lieferung bestimmter Modellvarianten ausschließen. "Im Vergleich zu 2018 sind wir zuversichtlich, dass wir die Auswirkungen der zweiten Stufe erheblich abschwächen können", so Christian Dahlheim, Vertriebschef von Volkswagen, "dennoch können wir zeitweilige Einschränkungen für einige der Modelle in unserem Sortiment in der zweiten Hälfte dieses Jahres nicht ausschließen."

Der seit Herbst letzten Jahres verbindliche WLTP-Zyklus dauert mit 30 Minuten 50 Prozent länger als zuvor und die Standzeit reduzierte sich von knapp 24 auf 13 Prozent. Im Gegenzug verlängerte sich die gefahrene Strecke von 11 auf 23 Kilometer und das Maximaltempo erhöhte sich von 120 auf 131 km/h, um Autobahnfahrten besser abbilden zu können, was sich auch in einer höheren Durchschnittsgeschwindigkeit (46 statt bisher 34 km/h) bemerkbar macht. Ergänzend dazu sind die Prüfvorgaben nunmehr strenger als bisher und es wird nicht wie bisher nur die Basisvariante des jeweiligen Modells getestet, da Sonderausstattungen Einfluss auf die Messwerte haben.

Autor: Stefan Grundhoff  Stand: 04.12.2019
Fotos: Daimler