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Galopper des Jahrzehnts
Alles spricht von Elektroautos, Plug-In-Hybriden und Tempolimits. Viele wollen genau das - viele aber auch nicht. Und für all diejenigen ist der Ford Mustang gerade als Shelby GT 500 der heilige Gral. Eine Ausfahrt mit ihm bringt so manche Erleuchtung und feuchte Hände.

Galopper des Jahrzehnts

Ford Mustang Shelby GT 500 (Foto: Ford)

Alles spricht von Elektroautos, Plug-In-Hybriden und Tempolimits. Viele wollen genau das - viele aber auch nicht. Und für all diejenigen ist der Ford Mustang gerade als Shelby GT 500 der heilige Gral. Eine Ausfahrt mit ihm bringt so manche Erleuchtung und feuchte Hände.

Um mit dem Shelby GT 500 seinen Spaß zu haben, braucht man nicht über den Angeles Crest Highway oder im Drift durch die Black Bear Mountains zu donnern. Ein Druck auf den Starterknopf in der Tiefgarage und die Welt steht einen Augenblick still. Wenn der von einem mächtigen Kompressor gepeinigte 5,2-Liter-Achtzylinder zum Leben erwacht, brüllt keine Horde wilder Löwen. Es ist so viel mehr als das, denn vielmehr scheint die Garage nebst darüberliegendem Gebäude einzustürzen, so gewaltig tönt das Kraftwerk unter der durchlöcherten Motorhaube. 559 kW / 760 PS und 847 Nm maximales Drehmoment bei 5.000 Touren - nie war ein Mustang gewaltiger; niemals sah er gefährlicher aus. Denn selbst wenn man sich nicht für den optionalen Karbonkit entscheidet, mit dem man den meistverkauften Sportwagen der Welt wie einen Indianer auf dem Kriegspfad nachschärft, bleiben Augen und Münder der Passanten regungslos offenstehen.

Applaus auf der Straße

In Zeiten von 48-Volt-Bordnetzen, Eletrifizierungen und gemäßigtem Fahrzeuggenuss ist dieser Shelby GT 500 ein wahrer Porno auf breiten Rädern. Und zwar einer, der am Sonntagvormittag um 10 Uhr vor dem Portal der Dorfkirche steht und eine Rauchfahne hinterlässt. Doch für einen großen Auftritt muss man nicht hinaus in Dorf oder Kleinstadt. Selbst in Downtown Los Angeles, einer Stadt, die auf ihren Straßen jede Sünde mehr als einmal bestaunt hat, ist der Ford Mustang in seiner schärfsten Form eine grandiose Schau. Auf dem Parkplatz in Little Bangladesh direkt neben einer zwielichtigen Burgerbraterei werden Mobiltelefone gezückt und ein kleiner Mexikaner kommt auf den PS-Protz hinzugelaufen, als man einbiegt. "Ist der neue 500er, oder?", lächelt der Mittzwanziger und betet die wichtigsten Leistungsdaten sicher herunter, "hoffentlich kann der jetzt auch besser um Kurven fahren. Ich hatte bis vor kurzem selbst einen BMW M3 SMG. In den Bergen habe ich die Mustangs immer abgehängt."


Das hat gesessen. Ein mittelamerikanischer Kenner der Materie; aber einer, der hinter dem Steuer noch keine Erfahrung mit dem neuen Über-Galopper hat. Natürlich ist die gewaltige Motorleistung beeindruckend, der Lärm je nach Fahrprogramm nicht allein für die Umgebung beängstigend und jeder Spurt die Sünde pur. Doch man würde dem potentesten aller Mustangs Unrecht tun, würde man ihn bei der Kurvenjagd ausklammern. Der Schub ist durch den Kompressor, der das letzte aus dem 5,2 Liter großen Achtzylinder herausholt mächtig, gewaltig, ja schier unglaublich. Dabei fährt man der Hightech-Konkurrenz aus Europa und auch dem Wettbewerbern aus dem Hause General Motors auf Highway und Autobahn überraschend hinterher, denn der stärkste aller Zossen wurde bei 290 km/h abgeriegelt. Nicht, weil seine Motorleistung nicht gut für knapp 340 km/h wäre. Der hauseigenen Entwicklungsabteilung in Dearborn / Michigan war es schlicht und einfach zu teuer, das beste Pferd im eigenen Stall für derart Höchstgeschwindigkeiten auszulegen, weil die Kunden wohl nur allzu selten über 300 km/h fahren. Hätte man den GT 500 für derartige Tempi weit jenseits der 300er-Marke ausgelegt, wie diese bei Porsche, Lamborghini, Ferrari oder selbst einer Corvette Gang und Gebe sind, wäre die Entwicklung unverhältnismäßig teurer geworden Das eingesparte Geld wollte man lieber für Aerodynamik, Fahrwerk und Getriebe ausgeben. Das ist allemal gelungen, auch wenn das siebenstufige Doppelkupplungsgetriebe nicht zu den besten auf dem Markt gehört und einen von der prächtig knochigen Handschaltung des kleinen Bruders GT 350 träumen lässt.

Blick zurück

Der Ford Mustang behält auch neben dem voreiligen Tempolimit seine bekannten Unzulänglichkeiten. Die Verarbeitung ist allenfalls Mittelmaß, die Bedienung mäßig und die Instrumente haben in Design und Funktion schon ein paar Jahre auf dem Buckel. Der alles andere als üppig dimensionierte Navigationsbildschirm, die lieblosen Instrumente, dazu billige Kippschalter und eine Klimabedienung wie aus den 80ern - alles typisch Mustang. Doch wen soll das stören, denn an sich bewegt man - vortrefflich in dem wohl konturierten Sportsitzen gehalten - eine Kanonenkugel, von der nicht nur Fans von Ponycars mehr als einmal geträumt haben, sie zu reiten. Wer einen GT 500 oder den kleinen Bruder GT 350 fährt, merkt schnell, wie mäßig ein normaler Mustang ist. Mit dem 4,81 Meter langen Shelby GT 500 tanzt man nicht nur wegen des brüllenden Triebwerks, das seine Hitze immer wieder über die offenen Nüstern in der Haube abbläst, in der ersten Liga der Supersportler. Eine Liga, in der sonst nur die Besten der Besten gegen sich, Rennstrecken und überforderte Piloten kämpfen. Lamborghini Aventador, Ferrari 488, Porsche 911 Turbo S oder Corvette ZR1 - sie alle sind hier unterwegs und der galoppierende Hengst aus den legendären Flat-Rock-Werk in Michigan muss sich nicht verstecken.

Ford Mustang Shelby GT 500 (Foto: Ford)
Ford Mustang Shelby GT 500 (Foto: Ford)
Ford Mustang Shelby GT 500 (Foto: Ford)
(Foto: Ford)
(Foto: Ford)
(Foto: Ford)

Über Taster am griffigen Alcantara-Lenker kann man über lieblose Hartplastik Einfluss auf Dämpfer oder Lenkung nehmen. Dabei muss man es auch auf kurvenreicher Piste nicht zu ambitioniert angehen lassen. Im Normalmodus ist die Steuerung prächtig und die Modi Sport und Track braucht keiner, weil sich 305er Reifen vorn und 315er hinten im warmen Zustand bestens mit der Fahrbahnoberfläche verzahnen. Das gilt auch für die Dämpferabstimmung, denn der GT 500 ist eine harte Kiste, die gerade noch genügend Restkomfort bietet. Mehr Härte sollte man sich per Knopfdruck allenfalls auf einer ebenen Rennpiste ins Fahrzeug holen. Die siebenstufige Doppelkupplungsgetriebe ist dem gewaltigen Drehmoment geschuldet. Fast 850 Nm bei 5.000 Touren lassen es entbehrlich werden, die einzelnen Schaltstufen bis an die rote 7.500er-Marke zu pressen. Laune macht es trotzdem und wer dann auf den bergigen Straßen die Auspuffklappe im Sportmodus geöffnet hat, verursacht ganz nebenbei wohl so manchen akustischen Wildschaden und lässt das verschrockene Getier orientierungslos zurück.


Der zum Piloten gewordene Fahrer ist begeistert, will mehr. Mehr Drehzahl, mehr Power und Tempo. Dazu das Klasse-Fahrwerk, das nicht die filigrane Abstimmung eines Porsche 911 GT3 hat und dessen Doppelkupplung meilenweit von der eines Ferrari 488 GTB entfernt ist. Und doch ist die Fahrt in dem immerhin 1,9 Tonnen schweren Ford Mustang GT 500 ein wahrer Lustgewinn, der keine Grenzen kennt - Caroll Shelby und den technikverliebten Ford-Entwicklern in Michigan sei Dank. So viel Dampf, so viel Spaß, so viel Lust für gerade einmal 72.900 Dollar - das gibt es wohl nirgends anders in einem Auto. Zeitreise und Alltagsnutzen inklusive. Auch Dank 2+2 Sitzplätzen und 380 Litern Kofferraum.

(Foto: Ford)
(Foto: Ford)
(Foto: Ford)
(Foto: Ford)
(Foto: Ford)
(Foto: Ford)

Autor: Stefan Grundhoff, Los Angeles  Stand: 21.11.2019
Fotos: Ford