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Kleine Brötchen backen
In der kommenden Woche öffnet die Internationale Automobil-Ausstellung in Frankfurt ihre Tore. Die Vorzeichen könnten schlechter kaum sein, denn die Branche ist mehr unter Druck denn je. Dazu kommt, dass die einstige Weltmesse kaum mehr ist, als eine nationale Leistungsschau.

Kleine Brötchen backen

Audi IAA 2019 (Foto: BMW)

In der kommenden Woche öffnet die Internationale Automobil-Ausstellung in Frankfurt ihre Tore. Die Vorzeichen könnten schlechter kaum sein, denn die Branche ist mehr unter Druck denn je. Dazu kommt, dass die einstige Weltmesse kaum mehr ist, als eine nationale Leistungsschau.

Die Liste der Autohersteller, die sich frühzeitig von der diesjährigen IAA zurückgezogen haben, scheint kaum ein Ende zu kennen. Abgesehen von Honda haben sich alle japanischen Marken von der einstigen Leitmesse am Main verabschiedet. Damit nicht genug: die amerikanischen Automarken fehlen ebenso wie die Franzosen und die Italiener - alles große Autonationen. Aus Korea ist nur noch Hyundai dabei, während Volvo und Tesla ebenfalls abgewunken haben. So fällt kaum ins Gewicht, dass mit Wey und Byton immerhin zwei chinesische Marken einen Abstecher ins Messezentrum machen. Schneller als erwartet ist die einst so weltmännisch auftretende Leitmesse der Autoindustrie zu einer nationalen Leistungsschau geworden, die kaum mehr beheimatet als Mercedes, BMW, den Volkswagen Konzern und schmückendes Beiwerk. Die Heimspieler wollten in zunehmend schweren Zeiten der IAA und dem Veranstalter VDA dann doch nicht mit einer Absage kommen; haben jedoch deutlich kleinere Messestände und viel weniger Geld als in den Jahren zuvor in die Hand genommen, um das Publikum zu verzaubern.

Mehr als ein Dutzend Absagen

Besonders plakativ ist die Reduzierung auf das Wesentliche bei BMW, die bei den vergangenen Frankfurt-Messen mit gigantischem Aufwand die gigantischen Auftritte von Audi und Mercedes gekontert hatte und den diesjährigen Auftritt massiv verkleinerten. Aus den zuletzt rund 11.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche bleibt in diesem Jahr gerade einmal ein Drittel übrig. BMW-Pressesprecher Eckhard Wannieck: "Die IAA ist und bleibt eine unserer wichtigsten globalen Automobilmessen - auch in Zeiten aufstrebender alternativer Formate. Hier können wir unverändert unsere Themen optimal kommunizieren und unsere Produkte erlebbar machen. Entsprechend werden wir 2019 auf der IAA erneut einen der größten Auftritte in unserem globalen Messeportfolio hinlegen - mit Standflächen von 3.000 qm für BMW und 600 qm für Mini."


Deutlich verkleinert hat sich auch der Daimler-Konzern, der seit Jahren in der ehrwürdigen, aber betagten Festhalle groß auftrumpft. "Unsere Standfläche ist in diesem Jahr 30 Prozent kleiner als 2017", erläutert Daimler-Marketingchefin Bettina Fetzer beim Rundgang über die Messebaustelle, "und wir konnten die Kosten signifikant senken." Trotzdem klotzt Daimler mehr als alle anderen; empfängt die Besucher auf der IAA mit einer alten Welt im 2.600 Quadratmeter großen Forum und einer 6.200-Quadratmeter-Erlebniswelt in der jedoch nur noch partiell umgebauten Festhalle. "Gerade in Zeiten, in denen sich immer mehr virtuell abspielt, wollen wir den Besuchern auf der IAA etwas zum Anfassen geben", ergänzt Fetzer. Der Aufbau der Frankfurter Daimler-Welt dauert mehr als sechs Wochen. Die Kosten: noch immer deutlich im zweistelligen Bereich. Die Ersparnisse im Vergleich zu letzten IAA in 2017 soll bei rund einem Drittel liegen.

VW und Daimler bleiben stark

Der Volkswagen Konzern bekennt sich nach wie vor zur IAA; auch wenn der Fokus des Konzerns mittlerweile mehr denn je auf China liegt. Audi wollte die Internationale Automobil-Ausstellung ebenso wenig absagen, wie die anderen VW Konzernmarken. "Die IAA hat für uns immer noch einen besonderen Stellenwert - nicht nur, weil der Auftritt hier natürlich für einen deutschen Premiumhersteller Heimspiel ist - gemeinsam mit starken Wettbewerbern", erklärt Audi-Pressesprecher Josef Schlossmacher. Die Ingolstädter haben auf ihrem Messestand in der Konzernhalle 3.1 eine Fläche von 3.120 Quadratmetern, auf denen sich 34 Autos tummeln. "Alle Modelle, die wir dort zeigen sind neu", unterstreicht Audi-Chefdesigner Marc Lichte, "von den RS-Modellen bis hin zu unserem neuen AI:Trail." Drei Wochen wird auf- und sechs Tage abgebaut, ehe die Fahrzeuge unter den insgesamt 1.700 Scheinwerfern ins rechte Licht gerückt wurden, die 60 km Stromleitungen verlegt und 138 Tonnen Stahlbau positioniert sind.

BMW IAA historisch (Foto: BMW)
Audi IAA historisch (Foto: Audi)
Audi IAA 2019 (Foto: Audi)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Opel)
(Foto: Audi)

Doch die großen Auftritte können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Frankfurter IAA als deutsche Leistungsschau selbst ins europäische Nachbarland nicht mehr hereinragt. Damit geht es ihr nicht besser als dem Automobilsalon in Paris im vergangenen Herbst. Frankfurt und Paris wechseln sich mit ihren Herbstmessen im Zwei-Jahres-Rhythmus alternierend ab. Letztes Jahr gab es an der Seine eine ähnlich peinliche Vorstellung wie diese am Main zu befürchten ist. Selbst Volumenhersteller wie Volkswagen oder Ford kehrten der Pariser Messe in 2018 den Rücken. Nicht überraschend, dass Peugeot, Citroen, DS, Renault und Nissan sich die kostenintensive IAA sparen und nur Opel als PSA-Ableger noch in Frankfurt vertreten ist.


Die Rüsselsheimer Franzosen stellen auf dem knapp 1.000 Quadratmeter großen Stand in Halle 11 insgesamt 13 Fahrzeuge aus. "Die IAA ist noch immer eine der wichtigsten Automessen weltweit. Mehrere hunderttausend Besucher zeugen vom großen Interesse am Automobil und der Mobilität der Zukunft. Das wollen wir nutzen, um vor allem mit Corsa und Grandland X zu zeigen, wie die automobile Zukunft bei Opel Realität wird", erläutert Opel-Pressechef Harald Hamprecht, "und natürlich ist die IAA unsere Heimatmesse: Von Rüsselsheim zum Frankfurter Messegelände sind es nur wenige Kilometer."

(Foto: BMW)
(Foto: BMW)
(Foto: BMW)
(Foto: Daimler)
(Foto: Daimler)
(Foto: Daimler)

Die internationalen Messen sind schon einige Jahre unter Druck. Die Autohersteller scheuen die millionenteuren Investments, deren Rückfluss sich nur allzu schwer messen lässt. Zudem steht die europäische Autowelt mit seinen gesättigten Märkten und festgefahrenen Imagewerten längst nicht mehr im Fokus. In den USA gibt es dagegen ungenutzte Potenziale und speziell in China gibt es trotz aktueller Marktschwäche nennenswerte Volumina. Doch aus den beiden großen Weltmärkten schaut kaum jemand nach Paris oder Frankfurt. In den Hoch-Zeiten der IAA ließen sich die deutschen Premiumhersteller das gesamte Messeengagement alle zwei Jahre bis zu 50 Millionen Euro oder mehr kosten. Da wurden in wochenlanger Arbeit Erlebniswelten erschaffen, deren Planung nicht selten zwei Jahre in Anspruch nahm. Jedoch nur schwer messbar, was von der bunten Markenwelt beim Kunden hängenbleibt.

Mehr denn je schauen Marken auf neue Konzepte, entwickelt eigene Großveranstaltungen, die die ungeteilte Aufmerksamkeit garantieren und besuchen andere Messen. Porsche enthüllt seinen elektrischen Hoffnungsträger Taycan nicht erstmals unter dem Messeturm, sondern zog das Tuch von seinem Tesla-Jäger bereits knapp eine Woche oder der IAA. Volkswagen will sich in Frankfurt auf der elektrischen ID. 3 konzentrieren. Der neue VW Golf 8, ertragreiches Massenmodell der Wolfsburger, wird im Oktober separat vorgestellt. Einzelevents und neue Formate sieht man auch bei Mazda. "Mazda hat schon früh damit begonnen, Marke und Produktpalette neben dem Auftritt auf klassischen Automobilmessen auch im nicht-automobilen Umfeld zu präsentieren", erklärt Mazda-Pressesprecher Jochen Münzinger, "auf Veranstaltungen wie der Photokina in Köln und der IFA Berlin kommt das Unternehmen seit 2014 immer wieder mit einem völlig neuen Publikum in Kontakt: jung, technikaffin, an Mode, Trends und Lifestyle interessiert. Denn auf einer nicht-automobilen Messe oder im Umfeld des neuen Pop-up-Standes "Mazda Experience" lässt sich die Einzigartigkeit der Marke Mazda viel klarer transportieren als auf einer reinen Automobilmesse, auf der der einzelne Hersteller kaum herausragt." Bleibt abzuwarten wie es auf den nächsten Automessen aussieht - speziell in Europa.

Autor: Stefan Grundhoff, Frankfurt  Stand: 03.09.2019
Fotos: BMW