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Die Show der Anderen
Zwei der wichtigsten internationalen Automessen finden in diesem Jahr praktisch zeitgleich statt. Während die Shanghai Motor Show ihre Pforten schon vorgestern öffnete, begann nur einen Tag später auf der anderen Seite der Weltkugel die New York International Auto Show.

Die Show der Anderen

NYIAS 2019 (Foto: Hersteller)

Zwei der wichtigsten internationalen Automessen finden in diesem Jahr praktisch zeitgleich statt. Während die Shanghai Motor Show ihre Pforten schon vorgestern öffnete, begann nur einen Tag später auf der anderen Seite der Weltkugel die New York International Auto Show.

Das spiegelt das politische Selbstverständnis beider Nationen perfekt wider, brachte aber die international agierenden Autobauer in die Bredouille: Wer geht wohin? Mercedes und Porsche spielen die große Nummer und sind auf beiden Messen in gewohnter Manier vertreten. Audi fokussiert sich auf China und ist in den USA nur mit einem kleinen Messeteam zugegen - was durchaus auch der Rolle von Audi in Nordamerika gerecht wird. Und BMW kehrt New York ganz den Rücken. Das verschafft den US-Herstellern und den in Nordamerika produzierenden japanischen und koreanischen Marken in New York mehr Platz und mehr Gewicht. Ohnehin hat die NYIAS, die älteste Automesse der USA, einen anderen Charakter als viele andere Messen: Hier geht es stärker um das konkrete Verkaufen. Concept-Cars sind selten und opulente Messestände rar. Stattdessen würden die Amis am liebsten große Kauf-mich-Aufkleber an jedem Exponaten platzieren. Cadillac enthüllt in New York den neuen CT5. Die überraschend sportlich wirkende Limousine beerbt im Sortiment von Caddy gleich zwei Modelle: den CTS und den ATS, deren Architektur der CT5 aber weiter nutzt. In seinen Abmessungen konkurriert der Neue mit BMW 3er und Mercedes C-Klasse. Den 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbomotor mit 237 PS (in den USA zu rund 40.000 Dollar angeboten) werden viele als nicht so standesgemäß empfinden wie den 3,0-Liter-V6 mit 350 PS. Allradantrieb ist für beide Motorisierungen optional, serienmäßig dagegen die 10-Gang-Automatik. Technisch aufgerüstet und im Vergleich zu den Vorgängern deutlich zeitgemäßer wirkt der Innenraum.

710 PS im Ford Mustang

Ein paar Stände weiter zeigt Ford das neue Kompakt-SUV Escape - ein Fahrzeug, das auch für den deutschen Markt relevant ist: Hierzulande ist er als Kuga bekannt. Der Neue ist gefällig und verzichtet auf stilistische Experimente. So kann er auch in Europa gut ankommen. Und was Ford bislang verschlief, soll der neue Escape jetzt in Windeseile aufholen. Zunächst kommt er als Hybridmodell, 2020 folgt die Plug-in-Hybrid-Version. Beim Antrieb können US-Kunden zwischen einem 180 PS starken 1,5-Liter-Dreizylindermotor mit zusätzlicher Zylinderabschaltung oder dem 250 PS starken 2,0-Liter-Vierzylinder wählen. Wer ein Modell mit Hybridisierung wählt, landet automatisch bei einem 2,5-Liter-Atkinson-Motor. Diese alt bekannte Brennraumkonstruktion nutzen auch einige andere Hersteller für Hybridmodelle. Je nach Ausführung leistet der Escape 198 PS beziehungsweise als Plug-in-Hybrid 209 PS. Zusätzlich packt Ford ein komplettes Programm an Assistenzsystemen in den neuen Escape, um mindestens auf Augenhöhe mit dem Wettbewerb zu kommen. Auch ein Verwandter der Escape gibt in New York sein Debüt: der Lincoln Corsair, der die gleiche Plattform nutzt. Auch wenn er künftig der kleinste SUV im Angebot von Fords Edelmarke ist, ist er durch andere Proportionen und Außenabmessungen größer und eigenständiger. Damit rückt er in Richtung Mercedes-Benz GLC oder Range Rover Evoque. Dazu passen die beiden verfügbaren Vierzylindermotoren mit 250 und 280 PS.


Auf diese verzichtet traditionell auch Ford-Rennstallbesitzer und -Tuningpapst Jack Roush. Er zeigt in New York, wie man mit Hilfe der Kompressortechnik den Mustang zum Supersportwagen macht. Sein Mustang Stage 3 bringt es auf satte 710 PS. Basis dafür ist die 5,0-Liter-V8-Maschine des GT, die dank der zusätzlichen Zwangsbeatmung 827 Newtonmeter leistet. Zum Vergleich: Das Serienfahrzeugen kommt mit 466 PS und 569 Nm aus. Damit die Leistung auch optisch zur Geltung kommt, verpasst Roush dem Mustang ein Aero-Paket. Wer will, kann außerdem die Sportauspuffanlage via Smartphone-App nach Herzenslust konfigurieren und seinen eigenen Sound kreieren. Der eigentliche Hammer ist aber der Preis: Für den Mustang Stage 3 verlangt Rush 70.000 Dollar, rund 62.000 Euro, wobei der Basis-Ford schon inkludiert ist. Mehr Leistung gibt es für diesen Betrag wohl nirgendwo.

Genesis Mint

Wo es gerade um heiß gemacht Modelle geht: Nissan feiert auf der NYIAS den 50. Geburtstag von GT-R und des legendären Datsun 240Z. Dass der GT-R in der Nismo-Version nachgeschärft wird, ist noch das größte Highlight, denn seine Leistungsdaten bleiben unangetastet. In Summe soll er aber trotzdem näher an das GT3-Rennfahrzeug rücken. Ebenfalls kein Fall für Deutschland ist die neue, vierte Generation des Toyota Highlander. Am Crossover mit den drei Sitzreihen wurde optisch nachgelegt, technisch aber kaum. Und das, obwohl der Highlander jetzt auf der Erfolgsplattform TNGA-K basiert. Auch die Neuheiten rund um den Yaris haben hierzulande keine Relevanz: Zwar zeigt Toyota auf der Messe den neuen Yaris Hatchback, der aber ein gänzlich anderes Fahrzeug als das in Europa angebotene Modell ist. Tatsächlich verbirgt sich hinter dem US-Yaris ein Mazda 2, der von einem 106-PS-Benziner angetrieben wird. Mehr Bedeutung hat dagegen der neue Outback, den Subaru in sechster Generation in New York zeigt. Er kommt Ende 2019 in den USA in den Handel und könnte im Jahr darauf den Sprung nach Europa schaffen. Äußerlich unterscheidet sich der Allrad-Kombi, für den der Begriff SUV zu hoch gegriffen wäre, nur unwesentlich vom letzten US-amerikanischen Modelljahr, das hierzulande nicht erhältlich war. Er basiert jetzt auf der gleichen Plattform wie Impreza und Forester und bietet das, was man von ihm erwartet: Boxermotoren (jetzt auch wieder als Turbo-Benziner), Allradantrieb und Höherlegung. Preise wurden noch nicht genannt.

Genesis Mint (Foto: Hersteller)
Mercedes GLS (Foto: Hersteller)
Ford Escape (Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)

Hyundai bringt ebenfalls eine Weltpremiere nach New York. Neben dem erst vor einem Monat vorgestellten neuen Sonata steht dort auch ein neues SUV. Es ist künftig das kleinste und billigste und hört auf den Namen Venue. Sein Design ist durchaus ansprechend, was die Chancen erhöht, das Mini-SUV auch einmal in Deutschland begrüßen zu können. Nach gegenwärtigem Stand gibt es nur eine Motorisierung, ein 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner. Mehr Spielräume lässt dagegen der Kia HabaNiro zu. Er ist einer der wenigen Concept-Cars der Schau und vor allem weit mehr als nur eine zweitürige Version des aktuellen Niro. Das elektrische Mini-Crossover ist durchaus cool gestaltet - und trotz nach oben öffnender Türen, farblich abgesetzter C-Säule und jeder Menge elektronischer Gimmicks nichts, was man nicht schon irgendwo mal gesehen hat. Nur das Cockpit mit seiner Lenkschale ist wirklich sehenswert.


Und noch eine Studie hat es nach New York geschafft. Auch sie stammt aus Korea, allerdings von dem Luxusableger von Hyundai, Genesis. Sie macht es sich zur Aufgabe, die doch sehr restriktiven Vorgaben der urbanen Lebenswelt mit Komfort und Fahrfreude aufzuwerten. Das bedeutet einerseits einen vollelektronischen Antrieb und kompakte Abmessungen, andererseits originelle Ideen für mehr Platz und Lebensqualität. So kann zum Beispiel der Automatikwählhebel zusammengeklappt und in die vordere Sitzbank integriert werden, die so zu einem Sofa wird.

(Foto: Hersteller)
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(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)

Das größte Neuheiten-Feuerwerk zündet Mercedes-Benz. Wichtigster Baustein ist dabei der neue GLS, der jetzt endlich das hält, was sein Name verspricht. War er bisher eine Art verlängerter GLE, bietet der neue GLS mehr Größe, mehr Technik und vor allem mehr Luxus. Er durchbricht jetzt auch das Längenmaß von 5,20 Metern, was zeigt, wohin die meisten GLS wohl gehen werden: in die USA. Weil auch da die Zeiten unbegrenzten Benzinkonsums vorbei sind, liefern die Schwaben den GLS 580 4Matic mit einer besonderen Technik aus. Er ist der erste Mildhybrid-V8-Benziner der Welt, 48-Volt-Netz und Startergenerator inkludiert. Damit bringt es der 580er auf angemessene 489 PS und 700 Newtonmeter Drehmoment. Neben dem GLS pflastert Mercedes seinen Messestand mit zahlreichen weiteren Neuheiten. Dazu zählt das überarbeitete GLC Coupé und die nachgeschärften AMG-Versionen von GLC und GLC Coupé. Überhaupt nimmt AMG gehörig Platz auf dem Messestand ein, denn zusätzlich debütieren auch die beiden neuen Versionen A35 AMG 4Matic Limousine und CLA35 AMG 4Matic.

In der eigenen Geschichte hat auch Porsche gekramt. Und was kann man am besten? Richtig: 911. Und was noch? Derivate des 911. So bestaunt das Publikum in New York einen neuen 911 Speedster - mit allem, was den Namen so magisch macht: flache Windschutzscheibe, Hutzen hinter den Sitzen und puristische Ausstattung. In diesem Fall heißt das unter anderem auch: Handschalter. Da jubelt das US-Publikum. Den meisten ist dabei egal, dass der 911 Speedster noch auf der alten 911er-Plattform basiert, dem Typ 991, obwohl seit einem halben Jahr doch schon der Typ 992 am Start ist. Und im Grunde spielt das auch keine Rolle: ein 911 wird nicht alt, sondern nur wertvoller.

Autor: Wolfgang Hörner, New York  Stand: 18.04.2019
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