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Erwarte das Unerwartete
Die Goldgräberstimmung im Automarkt China ist verflogen, dennoch kann im Reich der Mitte mit Automobilen immer noch gutes Geld verdienen, die Frage ist nur wie. Zudem wollen die chinesischen Hersteller Mercedes, BMW & Co. das Leben schwermachen.

Erwarte das Unerwartete

Große Tablet Displays gehören in China zu einem modernen Cockpit (Foto: Tim Adler / press-inform)

Die Goldgräberstimmung im Automarkt China ist verflogen, dennoch kann im Reich der Mitte mit Automobilen immer noch gutes Geld verdienen, die Frage ist nur wie. Zudem wollen die chinesischen Hersteller Mercedes, BMW & Co. das Leben schwermachen.

Für Jaguar Land Rover läuft es in China momentan nicht rund. Die Verkäufe im größten Automarkt der Erde waren 2018 um 21,6 Prozent rückläufig. "Jaguar Land Rover ist ziemlich abhängig vom Range Rover und SUV alleine reicht eben nicht mehr", erklärt Dr. Jan Burgard, Geschäftsführer der Beratungsfirma Berylls. Doch die Briten sind nicht die einzigen, die auf diesem wichtigen Terrain Rückschläge einstecken müssen. Die PSA-Gruppe verlor im vergangenen Jahr 34 Prozent, die GM-Tochter Buick 14 Prozent und VW zwei Prozent. Dagegen legten chinesische Marken, wie GAC (sechs Prozent), Geely (20 Prozent) und Roewe (24 Prozent) zu.

Der Begriff Premium ändert sich

"Die Chinesen kaufen verstärkt Autos einheimischer Hersteller", weiß Jan Burgard. Doch so einfach ist die Antwort auf die veränderten Rahmenbedingungen im asiatischen Riesenland eben auch nicht. Premium zieht nach wie vor. Die deutschen Spieler in diesem exklusiven Marktsegment, wie BMW (inklusive Mini); Audi und Mercedes (inklusive Smart) freuten sich vergangenes Jahr über Zuwächse. Doch die Experten heben warnend den Finger, denn auch dieser Trend wird irgendwann einmal enden. Statussymbole sind nach wie vor in China gefragt. Doch die Definition, was Status ist, befindet sich in einem steten Wandel, genauso, wie die Käufer der Mercedes S-Klasse immer jünger werden.


Neben dem Stern auf dem Kühlergrill, der damit verbundenen Geschichte und dem guten Ruf des Autobauers, sind auch die großen Monitore im Innenraum der Luxuslimousine zunehmend ein entscheidender Kaufgrund für die Chinesen. "Ein Auto muss technologische Überlegenheit ausstrahlen", sagt Berylls-Berater Willy Lu Wang und die großen Displays im Innenraum der S-Klasse strahlen das mehr aus, als der eher traditionelle Bildschirm eines BMW 7ers, der bei manchen Chinesen schon den Spitznamen "Grabstein" aufgrund seiner Anbringung, die über die Armaturentafel hinausragt, bekommen hat. Nicht ohne Grund wirbt das chinesische automobile Start-Up Byton mit seinen "von Küste zu Küste" 48 Zoll großen Bildschirmen im Cockpit ihrer Prototypen.

Chinesische Marken auf dem Vormarsch

Das zeigt, dass sich die Definition von Premium in China zunehmend verändert, weg vom klassischen Luxus und Markenimage hin zu Eckpfeilern, wie Elektromobilität, autonomen Fahren, Mobilitätsdienstleistungen und vor allem Konnektivität. China ist für Automobilhersteller kein Selbstläufer mehr. Das Käuferverhalten ist immer schwerer vorhersehbar. Markentreue ist den Chinesen ohnehin fremd. Damit gehen bewährte Strategien nicht mehr auf. Nur Deutsch und Premium mit Gütesiegel "Autobahn getestet" reichen nicht. Vor allem in den großen Metropolen im Osten des Landes verliert der Markt an Schwung, neue Umsatzfelder müssen her. Die dürften vor allem im Osten des Landes liegen.

Status zählt in China nach wie vor (Foto: Tim Adler / press-inform)
Große Displays, wie hier bei Byton, demonstrieren in China technologische Überlegenheit (Foto: Byton)
Haval will den deutschen Autobauern das Leben schwermachen (Foto: press-inform / Gomoll)
(Foto: press-inform / ZF)
(Foto: Tim Adler / press-inform)
(Foto: Tim Adler / press-inform)

China entwickelt sich zu einem sogenannten "Build to Stock"-Markt, also einem, in dem, wie in den USA die Autos mehr oder weniger vom Hof des Händlers weggekauft werden. Eine umfangreiche Individualisierung, wie das in Deutschland der Fall ist, wird nicht bevorzugt. Auf der einen Seite kann diese Reduzierung der Modellvielfalt Kosten senken, auf der anderen Seite, fliegen die Autobauer dann auf Sicht. Und das in einem hochvolatilen Markt, in dem das, was heute noch "hip" ist, morgen schon altmodisch sein kann. "Erwarte das Unerwartete" lautet die neue Prämisse. Das macht es nicht nur für Mercedes, Audi & Co. schwierig, sondern auch für Geschäftspartner, wie den Lieferanten ZF. Früher war klar, dass eine gewisse Menge an Teilen oder Modulen von den Kunden abgenommen wurde, jetzt gibt es diese Sicherheit nicht mehr. Sicher ein Grund, warum sich der schwäbische Zulieferer auf Geschäftsfelder vorwagt, die bisher den Autobauern vorenthalten waren. Als Beispiel sei hier nur das autonome Fahren genannt.


Damit nicht genug. Die chinesischen Marken, wie Great Wall (Haval) oder Geely, zu denen Volvo gehört und die bei Mercedes eingestiegen ist, wollen auch in Europa und den USA erfolgreich sein. Die Stellhebel sollen eben genau jene Attribute, wie Elektroautomobile, autonomes Fahren und eben Konnektivität sein. Alles Felder, die die Mobilität der Zukunft definieren. Die chinesische Regierung unterstützt dieses Vorhaben und stampft dazu südlich von Beijing die "Stadt der Zukunft der Zukunft" Xiong\'an aus dem Boden. Dort soll das Autofahren als Teil eines gesamtheitlichen Ökosystems perfektioniert werden. Letztlich geht es dabei auch um das Thema "Künstliche Intelligenz" und "Daten", also Bereiche, in denen Tech-Riesen, wie Google und Apple noch das Sagen haben.

(Foto: BMW)
(Foto: press-inform / Audi)
(Foto: press-inform / Gomoll)
(Foto: Geely)
(Foto: BMW)
(Foto: Daimler)

Autor: Wolfgang Gomoll, Shanghai  Stand: 20.03.2019
Fotos: Tim Adler / press-inform