Die Serienausstattung des Mercedes 200 Diesel ist wie bei vielen Diesel-123ern dünn, denn der Erstbesitzer ergänzte das ohnehin dünne Standardpaket seinerzeit nur mit einer Servolenkung, Mittelarmlehne, Colorverglasung und einer Zentralverriegelung bevor der Wagen am 12. Mai 2982 ausgeliefert wurde. Auf dem Armaturenbrett klebt ein Armeekompass und ein kleines Kamel, während nach Lastwagenmanier am Plastiklenkrad ein Lenkknauf das Kurbeln erleichtert. Die Lammfellbezüge haben schon bessere Jahrzehnte gesehen, als das aktuelle und damit immer der rechte Weg eingeschlagen wird, sind die Kartentaschen in den Türen prall mit ebensolchen Karten gefüllt. Am Heckdeckel hat der 200-D-Schriftzug die Torturen auf den verschiedenen Kontinenten ebenso überstanden wie der D-Aufkleber, der seinerzeit die Passage einiger Grenzen erleichtern sollte.
Die Tour geht weiter - rund um L.A.
Markus Besold hatte den 123er zunächst als Alltagsauto mit einer Laufleistung von 232.665 Kilometern im August des Jahres 1994 für 4.990 D-Mark erstanden. Damit der Wagen erkundungstauglich und geländegängig wurde, bekam er über die Jahre nicht nur vier Zusatzscheinwerfer, sondern insbesondere einen mächtigen Dachgepäckträger für Ersatzreifen, zehn Ersatzkanister und Panzerplatten für das Anfahren im weichen Sand. Um für alle Wetter- und Straßenbedingungen auf den Kontinenten gerüstet zu sein, gab es zusätzlich Öl- und Tropenkühler, Unterfahrschutz nebst Höherlegung, Schmutzfänger und Dieselvorwärmer. Mit dem vergrößerten Tank des seinerzeitigen Topmodells 280 E mit 80 Litern Volumen und dem Kanisterkonglomerat auf dem Dach schaffte der sparsame Diesel-Benz ohne Tankstopp eine Reichweite von über 3.000 Kilometern. "Ich benötigte ein Auto, in dem es sich angenehm Reisen lässt, das für vier Personen einschließlich Gepäck ausreichend Platz bietet und mit dem ich auch bei den weitesten Strecken keine Gedanken an eine Panne verschwenden muß. Bis dahin waren meine längsten Autoreisen Nürnberg und Reutte gewesen, beide mit Passat und auf beiden kam es zu Ausfällen", so Markus Besold auf seiner eigenen Website.
Auf seinen Reisen sah der "braune Benz" wie Weltenbummler Besold ihn nannte und er noch heute durch Netz geistert, unzählige Länder, Regionen und Klimazonen. Es gilt zahllose Bilder von Wasserdurchfahrten in Costa Rica, Abstecher in die Wüste von Tobruk oder Kufra / Lybien. Dabei holte sich der 123er zahllose Unfälle, Dellen, Beulen und Beschädigungen. Mit dem 1994 in der Mercedes-Niederlassung Gersthofen erstandenen Mercedes 200 D hat der braune Benz heute trotzdem noch das meiste gemein. Nach Jahren der Vergessenheit holte ihn Blue Nelson ins Leben zurück und will ihn nun genauso erhalten, wie er ist - mit allen Beschädigungen und einer Orgie in Rost. Der automobile Lochfraß wäre ihm im vergangenen Sommer beinahe zu noch Verhängnis geworden, denn als Nelson auf dem Weg zu der Oldtimerveranstaltung Legends of the Autobahn fahren wollte, die als einer der Höhepunkte der spektakulären Pebble Beach Autoweek gilt, fiel ihm während der Fahrt das Bodenblech vor seinem Fahrersitz heraus und er schaute auf den nackten Highway. "Als das Bodenblech herausfiel, habe ich mir mit einem Stück Holz beholfen", lacht Blue Nelson, "ich will den Wagen genauso erhalten wie er ist. Er ist eben ein Stück Zeitgeschichte." Genau das wird er auch bleiben. Neu ist nur die edle Schatulle, die Blue Nelson im Kofferraum des löcherigen 200ers transportiert. Auf einer darin liegenden Urkunde hat das Mercedes Classic Center in Irvine offiziell bestätigt, dass der braune Benz auf der halben Welt mehr als 750.000 Kilometer gelaufen hat. Wer\'s immer noch nicht glaubt: ein Ordner mit historischen Fotos liegt gleich nebenan.
Fotos: press-inform
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- Veröffentlicht: 23. Januar 2019