Dabei hatte es einmal völlig anders ausgesehen. Detroit war durch die Big Three ein Boomtown und die Autoindustrie war der Motor. Das legendäre Modell Ford T lief im Ford-Werk Highland Park erstmals im Jahre 1909 von Band und läutete weltweit eine neue Ära der Mobilität ein. Immer mehr Autohersteller und Zulieferer siedelten sich an und innerhalb weniger Jahre stieg die Bevölkerungszahl von knapp 500.000 um 1910 auf knapp zwei Millionen in den 50er und 60er Jahren. Doch seither geht es in und mit Detroit abwärts - die Einwohnerzahl sank zuletzt auf unter 700.000 - Tendenz weiter fallend. Außer der Autoindustrie gibt es in Wayne County kaum nennenswerte Wirtschaftszweige. Zahllose Großfabriken verfallen seit Jahrzehnten. Das Areal der mächtigen Packard-Fabrik soll seit Jahren wiederbelebt werden - auch wenn es hier erste hoffnungsvolle Ansätze gibt - bisher ohne echten Erfolg. Immerhin: Ford will der 1913 erbauten Michigan Central Station im Corktown District als Ideencampus in den nächsten Jahren neues Leben einhauchen.
Der Autobauer sucht Ford derzeit Investoren, um mindestens 250 Millionen Dollar an Steuergeldern und anderen Anreizen zur Unterstützung der Entwicklung der fünf Corktown-Standorte zu sammeln. Die Gesamtkosten in Höhe von 740 Millionen US Dollar werden voraussichtlich in den nächsten vier Jahren zur Verfügung stehen. Die historischen Gebäude des Corktown Campus sollen Teil des Mobilitätskorridors von Ann Arbor über Dearborn nach Detroit werden. Nach Angaben von Ford soll die ehemalige Station zu einem Magneten für Hightech-Talente und einer regionalen Destination mit modernen Arbeitsplätzen, Einzelhandel, Restaurants sowie Wohnraum werden. Detroit ist Grenzstadt zur kanadischen Stadt Windsor und seit Jahrzehnten bekannt für seine hohe Kriminalität. Legendär sind die Rassenunruhen im Jahre 1967. Hunderttausende von Einwohnern verließen Detroit in den 70er und 80ern. Viele Häuser sind bis heute verfallen und wurden nie wieder bezogen. Seit rund zehn Jahren bemüht man sich, Detroit wieder auf lebendige Beine zu bringen. Herunter gekommene Viertel werden abgerissen, neue Wohn- und Geschäftsviertel erstellt. Bauten wie das Renaissance Center, die Joe-Louis-Arena oder das Stadion Comerica Park bringen immerhin erste verheißungsvolle Ansätze. Hoffnung auf Besserung hatten viele auch in den jungen Bürgermeister Kwame M. Kilpatrick, der im Alter von 31 Jahren 2001 das Regiment übernahm; jedoch zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Weder sein Nachfolger Kenneth Cockrel Jr. noch Mike Duggan konnten an dessen Aufbruchsstimmung anknüpfen. Seit zahllosen Jahren gilt Detroit als gefährlichste Stadt der USA. Die düsteren Viertel der Stadt befinden sich diesseits der legendären 8-Mile-Line. Während diesseits viele Häuser verfallen und brennende Mülltonnen keine Seltenheit sind, geht es jenseits der 8-Mile-Road überaus hübsch zu. Nette Einfamilienhäuser mit gepflegten Gärten sind ein krasser Gegensatz zu den Bauruinen ein paar hundert Meter weiter in den schwarzen Vierteln.
Bleibt die Frage, ob Detroit den seit Jahrzehnten herbeigebeten Wechsel zu einer lebendigen Metropole doch noch einmal schafft. Erste coole Läden sind in die City eingezogen, alte Hochhäuser werden mit schicken Wohnungen auf Vordermann gebracht. Da käme eine erstarkte Automesse wie die North American International Autoshow als lautstarkes Lebenszeichen gerade recht. Doch dem wegbrechenden Trend folgend erscheint es unwahrscheinlich, dass die Autohersteller, die die NAIAS nunmehr verlassen haben, im Juni 2020 noch einmal zurückkommen. Und die großen drei US-Hersteller General Motors mit seiner Zentrale unweit der Cobo Hall, die Ford Motor Company aus dem südwestlich gelegenen Dearborn oder Fiat Chrysler Automotive in Auburn Hills haben mit ihren schlechten Verkaufszahlen derzeit ganz andere Sorgen, als eine Automesse in Downtown Detroit mit Millionen US Dollar zu unterstützen. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Und wie schon die Jackson Five von Motown Records einst sangen: I want you back!
Fotos: Oliver Schwarz
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- Veröffentlicht: 14. Januar 2019