Drucken
Der nächste Versuch
Wie oft hat es Lotus in den vergangenen Jahrzehnten schon versucht, zu einem Porsche-Jäger zu werden? Die Zuffenhausener haben die vermeintlichen Angriffe bisher nur müde belächelt und behielten dabei Recht. Doch jetzt greifen Geely und sein CEO Li Shufu ins Geschehen ein.

Der nächste Versuch

Lotus-CEO Feng Qingfeng (Foto: Lotus)

Wie oft hat es Lotus in den vergangenen Jahrzehnten schon versucht, zu einem Porsche-Jäger zu werden? Die Zuffenhausener haben die vermeintlichen Angriffe bisher nur müde belächelt und behielten dabei Recht. Doch jetzt greifen Geely und sein CEO Li Shufu ins Geschehen ein.

Lotus dümpelt seit Jahrzehnten weitgehend orientierungslos vor sich hin. Dabei sollte die zweite Dekade des dritten Jahrtausends die dauerbrüchigen Briten wieder an Glanz und Gloria alter Zeiten heranführen. Auf dem Pariser Salon des Jahres 2010 hatten Lotus und sein einstiger Lenker Dany Bahar mächtig auf den Putz gehauen. Ein gigantischer Messestand auf zwei Etagen mit VIP-Bereich und fünf neue Modelle, die auf einer mehr als standesgemäßen Bühne ins rechte Licht gerückt standen, sollten die Wiederauferstehung der britischen Traditionsmarke unterfüttern. Auf 860 Quadratmetern gab es das neue Portfolio mit Modellen wie Exige, Elite, Eterne, Esprit und Elise zu bestaunen. Auch ein kleines Elektro- und Hybridfahrzeug war im Gespräch. Lotus-Chef Dany Bahar tönte: "Früher war unser Messestand nicht einmal ein Drittel so groß." Das Publikum staunte, hatte Lotus in den Jahrzehnten zuvor doch nicht viel zustande gebracht, dass sie zu einem ernsthaften Konkurrenten für etablierte Sportwagenfirmen wie Porsche, Aston Martin, Ferrari oder Maserati hätten werden können. Der gigantische Auftritt an der Seine überraschte viele Experten und schnell wurden erste Stimmen laut, dass hinter der großen Show nicht viel Inhalt stecke. Vieles deutete darauf hin, dass sich die malayisch-britische Braut hübsch machen wollte für einen neuen Investor, am besten aus China.

Geely will Volkswagen-Vorbild folgen

Doch Dany Bahar wischte die Kritik mit einem lässigen Handstreich fort und pochte mehr denn je auf die hoch gestochenen Pläne. "Kein Stein werde bei Lotus auf dem anderen bleiben", so einst Dany Bahar, der 2009 von Ferrari zu Lotus gewechselt war und sein Geld vorher bei Red Bull verdiente. Aus den kaum mehr als 2.000 verkauften Modellen sollten in einem ersten Schritt 10.000 weltweite Lotus-Verkäufe werden. Danach sollte es weiter nach oben gehen, um Porsche anzugreifen. Die mäßig beschäftigten 1.200 Mitarbeiter im Werk Hethel bei Norwich sollten nach der 2010er-Planung zusammen mit der Produktausweitung verdoppelt werden. Der Proton-Konzern, in dessen Besitz sich das Erbe des 1982 gestorbenen Colin Chapman mittlerweile befand, verlor schneller als gedacht den Spaß an Lotus. Nur ein Bruchteil der avisierten Investitionen von knapp einer Milliarde Euro wurde überhaupt getätigt. Die Entwicklung der neuen Modelle wurde kaum ernsthaft vorangetrieben und auch die ambitionierten Zukunftstriebwerke mit vier, sechs und acht Zylindern und einem Leistungsspektrum von 320 bis 650 PS sind bis heute ebenso Zukunftsmusik wie die Implementierung von Allrad- oder Hybridantrieben und eine nennenswerte Ausweitung der Zusammenarbeit mit Toyota. Aus der gesamten Autobranche wurden Topleute zu Lotus geholt um die neuen Modelle auf die Spur zu bringen.


Seit Mitte 2017 befindet sich Lotus zu 51 Prozent im Eigentum der Zhejiang Geely Holding Group und damit in Händen von Li Shufu, der Daimler in diesem Februar mit einer knapp zehnprozentigen Beteiligung schockte. Der erfolgreiche chinesische Geschäftsmann will seinen Geely-Konzern nach Vorbild des Volkswagen-Markenkonsortiums zu einer Weltmacht umbauen. Die Kernmarke Geely ist dabei für das Volumen zuständig, Volvo bringt Premiumcharme und Lotus soll zu einem echten Porsche-Konkurrenten aufgebaut werden. Wieder einmal - und diesmal sogar rein elektrisch. Mit ruhiger Hand ordnete Li Shufu die britische Klassikermarke seit der Übernahme neu - im Hintergrund mit Berater und Aufsichtsratsmitglied Carl-Peter Forster; einst in Diensten von BMW, Opel und Jaguar Land Rover. In diesem Zusammenhang musste auch der ehemalige PSA-Topmanager Jean-Marc Gales seinen Chefposten bei Lotus räumen und wurde in die zweite Reihe geschoben. Er wurde als CEO von Feng Qingfeng ersetzt, der bis dato als Entwicklungschef für die Geely Auto Group tätig war. Im Frühjahr 2018 hatte Gales noch stolz die Arbeit an zwei Lotus-Sportwagen und einem SUV bestätigt. Danach wurde Uday Senapati als neuer Direktor für Produktstrategie und -management ins Boot geholt, der nunmehr schrittwiese die in die Jahre gekommene Palette austauschen soll. "Mit einer Fülle von Erfahrung im Automobilsektor verfügt Uday über eine nachgewiesene Erfolgsbilanz bei der Führung erfolgreicher Teams in Automobilunternehmen des Premiumsegments", so Lotus-CEO Feng Qingfeng, "bei Lotus wird er die Führung bei der Entwicklung und Bereitstellung unserer Produktpläne übernehmen und er wird eine wichtige Rolle spielen, da Lotus weiterhin Innovationen in die Zukunft sieht."

Elektrische SUV

Zuvor war Uday Senapati für Marken wie General Motors, Jaguar Land Rover und Bentley in leitenden Positionen tätig. Neben neuen Sportwagen sollen unter ihm zwei Lotus-Crossover völlig neue Kunden zu den chinesisch-malaysischen Briten bringen. Eine technische Basis ist durch Volvo und deren Modelle XC40 sowie XC60 / XC90 mit den Plattformen CMA und SPA vorhanden. Während die Sportwagen noch über Verbrenner mit elektrischer Unterstützung verfügen, sollen die SUV für Mittel- und Oberklasse rein elektrisch angetrieben werden. Die enge Kooperation mit Geely ermöglicht es Lotus-Mutter Proton, deren Technologien und Plattformen für eigene Fahrzeuge zu nutzen. "Dieser neue Rahmen wird uns helfen, die nächste Entwicklungsstufe für Proton-Fahrzeuge zu erreichen und der Marke zu helfen, ihr volles Potenzial in Malaysia und Südostasien sowie weltweit durch Nutzung neuer Energietechnologien zu nutzen die Kernkompetenzen der malaysischen Automobilindustrie", so Geely-CEO Li Shufu. Der Fokus von ihm liegt auf Asien und hier speziell auf China. Speziell dort ist Porsche durch seine imposanten Verkäufe von Cayenne und Macan nach wie vor eine SUV- und keine Sportwagenmarke wie in Europa.

Lotus 3 Eleven - so stellen sich viele eine typischen Lotus vor (Foto: Lotus)
Lotus Evora 414E - in Zukunft elektrisch (Foto: Lotus)
Lotus Verkaufsraum in Dubai (Foto: Lotus)
(Foto: Lotus)
(Foto: Lotus)
(Foto: Lotus)

So ganz ohne Europa geht es für die Chinesen natürlich nicht. In Coventry werden die London-Taxis gefertigt und wenn England im Frühjahr 2019 aus der EU austritt, gibt es immer noch den mächtigen Volvo-Standort in Schweden. Und bei vielen Komponenten könnten sich zukünftige Lotus-Modelle speziell hier bedienen. Schließlich bringt Volvo 2021 die nächste XC90-Generation - auch als reine Elektrovariante. Und dann ist da noch der reine Elektro-Ableger namens Polestar. Ob hier noch Platz für die x-te Wiederauferstehung von Lotus ist, wird sich zeigen.

Autor: Stefan Grundhoff  Stand: 23.10.2018
Fotos: Lotus  

(Foto: Lotus)
(Foto: Lotus)
(Foto: Lotus)
(Foto: Lotus)
(Foto: Lotus)
(Foto: Lotus)