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Wir wollen führen, nicht folgen
Wolf-Henning Scheider ist erst wenige Monate als ZF-Chef im Amt. Doch im Interview schlägt der CEO des Zulieferers selbstbewusste Töne an und äußert sich zu der Gefahr des Wissens-Abgreifens durch die Chinesen und die Zukunft der Automobilindustrie.

Wir wollen führen, nicht folgen

Der neue ZF-Chef Wolf Henning Scheider fürchtet die Konkurrenz aus China nicht (Foto: press-inform / ZF)

Wolf-Henning Scheider ist erst wenige Monate als ZF-Chef im Amt. Doch im Interview schlägt der CEO des Zulieferers selbstbewusste Töne an und äußert sich zu der Gefahr des Wissens-Abgreifens durch die Chinesen und die Zukunft der Automobilindustrie.

Frage: In China heißt die neue Prämisse von China für die Welt. Auf Messen, wie der CES Asia, findet man einige Dienstleister, die ebenfalls Sensorik und virtuelle Cockpits anbieten. Fürchten Sie diese Konkurrenz?

 

Wolf-Henning Scheider: Grundsätzlich nehmen wir Wettbewerb immer sehr ernst. Wir rechnen fest damit, dass aus aufstrebenden Märkten wie China Konkurrenten entstehen werden. Aber wir können mit Selbstbewusstsein sagen, dass ZF nicht nur die Entwicklungs- und Systemkompetenz besitzt, sondern auch das breiteste Produktprogramm für Pkw, Nutzfahrzeuge und die Industrietechnik im Markt anbietet. Wir müssen unsere Stärken konsequent ausspielen, deswegen arbeiten wir verstärkt an der Systemtechnik. Natürlich wird sich der eine oder andere Wettbewerber etablieren, aber ich mache mir keine Sorgen, dass wir da nicht mithalten können.

 

 

Frage: Verschiedene chinesische Automobilhersteller kaufen wichtige Technik von Zulieferern zu. Wird dieses Geschäftsgebaren nicht zum Bumerang, da die Chinesen das Wissen abgreifen?

 

Scheider: Wir entwickeln unsere Produkte und Kompetenzen ständig weiter. Wenn wir stehenbleiben, besteht die Gefahr, dass man uns einfach kopieren kann. Aber wenn wir ständig immer wieder neue Ideen generieren und investieren, sind wir immer eine Nasenlänge voraus - und das ist unser Ziel. Das wissen unsere Ingenieure und das macht ihnen auch Spaß! Wie gesagt: Wir unterschätzen die Konkurrenz aus China keineswegs und manchmal kommen von dort auch Ideen, auf die wir nicht gekommen sind. Auch das spornt unsere Leute an, denn wir wollen führen, nicht folgen.

 

 

Frage: Wie sehen Sie die Zukunft der Zulieferer bei der Elektromobilität?

 

Scheider: Es wird sowohl Generalisten als auch Spezialisten geben. Das hängt auch von unseren Kunden, den Autoherstellern ab. Manche werden den Elektroantrieb selbst entwickeln, da steuern die Zulieferer nur einzelne Komponenten bei - das können dann mehrere. Aber es gibt eben auch viele Automobilhersteller, sich kompetente Systemanbieter wie ZF wünschen, weil wir komplette Module in das Fahrzeug hinein entwickeln können. Daher glaube ich, dass diese Pluralität auch in Zukunft Bestand hat.

 

 

Frage: In den letzten Jahren war für die Zulieferer eine räumliche Nähe zu den Produktionsstandorten der Automobilhersteller wichtig. Wird das auch in Zukunft so sein?

 

Scheider: Im Entwicklungsbereich wird die bereits enge Zusammenarbeit zwischen Kunde und Zulieferer weiter zunehmen. Man arbeitet weniger mit einer Schnittstelle, die Lastenheft heißt, also der eine schreibt, der andere führt aus. Man agiert heute viel mehr gemeinsam im einem Entwicklungsprozess, der ständig parallel läuft. Der Grund für diese engere Verzahnung ist schlichtweg die erforderliche Geschwindigkeit, in der die Projekte absolviert werden müssen. Das haben wir letztendlich von den Start-ups gelernt. Ein Beispiel ist Professor Schuh mit seiner e.Go Mobile AG, mit dessen Team wir in unserem Joint Venture sehr dynamisch zusammenarbeiten. Das gleiche Modell praktizieren wir auch zunehmend mit unseren etablierten Kunden. Dafür ist eine räumliche Nähe der Entwickler nötig, insofern sehe ich eher einen Ausbau unserer dezentralen Entwicklungszentren dort, wo unsere Kunden ihre Standorte haben.

 

 

Frage: Also entwickelt sich das Verhältnis zu den Automobilherstellern immer mehr in Richtung Augenhöhe?

 

Scheider: Ja, vor allem in Europa waren Zulieferer und Hersteller im Entwicklungsprozess schon immer sehr eng vernetzt, aber das hat sich in den vergangenen Jahren noch einmal gesteigert.

 

 

Frage: Wo geht die Entwicklung von ZF hin?

 

Scheider: Wir haben vier Felder definiert, bei denen wir entweder schon Weltmarktführer sind oder es werden wollen. Das erste nennen wir "Vehicle Motion Control", also alles, was das Fahrzeug bewegt. Dazu gehören Lenkung, Bremse, elektrischer Antrieb und die Dämpfersysteme. In diesen Komponenten stecken noch viele Entwicklungsmöglichkeiten, vor allem, wenn wir automatisch fahren wollen. Damit Sie sich wohl fühlen, muss sich das automatisiert fahrende Auto noch ruhiger bewegen als bisher, weil Sie ja kaum noch auf die Straße schauen, sondern andere Dinge machen. Ich kenne kein anderes Unternehmen außer ZF, das alle diese Komponenten in einer Hand hält. Jetzt vernetzen wir sie zu Systemen, die dann zentral von einem Hochleistungsrechner wie ZF ProAI gesteuert werden.

 

 

Frage: Also entwickelt sich ZF noch mehr zum Generalisten, der für jede Anforderung der Automobilhersteller eine Lösung hat?

 

Scheider: Genau! Das ist unser Alleinstellungsmerkmal.

 

 

Frage: Und die anderen Felder, die Sie im Fokus haben, sind?

 

Scheider: Zum einen die Elektromobilität, denn hier haben wir eine sehr gute Ausgangsbasis mit unseren Getrieben. Auch hier gibt es einen Systemaspekt, denn mit einem integrierten starken Elektromotor können wir sie als Plug-in-Hybride anbieten. Der Elektromotor kann aber auch in einem reinen E-Fahrzeug zur Anwendung kommen. Das dritte Feld ist die integrierte Sicherheit. Wir sind bereits einer der größten Anbieter für Sicherheitssysteme weltweit und verfolgen auch hier einen systemorientierten Ansatz. Wenn wir im Auto anders sitzen als wir es bisher gewohnt sind, weil das Fahrzeug selbst fährt, brauchen wir völlig neu durchdachte Sicherheitssysteme. Der vierte Bereich ist natürlich das automatisierte Fahren. Außerdem wollen wir in den stark wachsenden Märkten, vor allem in China, unsere Position noch stärker ausbauen.

 

 

Frage: Sie sagten unlängst, dass Sie sich wieder größere Zukäufe vorstellen können. Gibt es da schon Kandidaten, die ZF bei der Elektromobilität und dem autonomen Fahren weiterbringen können?

 

Scheider: ZF hat in den vergangenen drei Jahren eine gute operative Performance hingelegt und konnte den sehr großen TRW-Kauf schon fast vollständig tilgen. Deswegen haben wir die Finanzkraft, um wieder einen größeren Zukauf durchzuführen. Wir sind bereit und schauen uns die Möglichkeiten an, aber es gibt aktuell keine konkreten Pläne. Mit den Themenfeldern haben Sie recht, die Elektromobilität und das autonome Fahren sind unsere Hauptzielfelder und dazu gehören auch mögliche Zukäufe. Das können kleinere Unternehmen sein, aber wenn sich eine Gelegenheit für eine größere Akquisition bieten würde, würde sie uns in diesem Bereich am besten gefallen.

 

 

Frage: Sie stecken dieses Jahr über zwei Milliarden Euro in die Entwicklungsabteilung. Für ZF ist das eine beachtliche Summe, wo genau fließt die hin?

 

Scheider: Grundsätzlich haben wir einige sehr gut etablierte Bereiche, in denen wir in den nächsten Jahren ein solides Wachstum erwarten, wie zum Beispiel Brems- und Lenksysteme. Dort geht die Entwicklung evolutionär weiter. Wir haben aber auch zwei Felder aus dem Bereich der disruptiven Technologien, das eine ist die Elektromobilität und das andere sind automatische Fahrfunktionen. Und hier ist es eben erforderlich, dass wir jetzt überdurchschnittlich investieren, um uns von Anfang an eine starke Position im Weltmarkt zu erarbeiten.

 

 

Frage: Bleiben die Investitionen auf diesem Niveau?

 

Scheider: Ja, das wird auf hohem Niveau weiter gehen. Das sind Technologien, die auch in den nächsten Jahren viel Entwicklungsaufwand erfordern und deswegen gehe ich nicht davon aus, dass wir die Investitionen nach unten fahren, sondern im Gegenteil, es geht weiter nach oben.

Autor: Wolfgang Gomoll, Friedrichshafen  Stand: 02.07.2018
Fotos:   

Die ZF-Zentrale in Friedrichshafen (Foto: press-inform / ZF)
Die Elektromobilität spielt eine große Rolle in den ZF Plänen (Foto: press-inform / ZF)
ZF will sich noch stärker als System-Zulieferer etablieren (Foto: press-inform / ZF)
(Foto: press-inform / ZF)
(Foto: press-inform / ZF)
(Foto: press-inform / ZF)

Autor: Wolfgang Gomoll, Friedrichshafen  Stand: 02.07.2018
Fotos: press-inform / ZF  

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