Das gute an der neuen Testzyklus WLTP (World Harmonized Light Vehicle Test Procedure): die mitunter allzu üppigen Abweichungen sollen spätestens ab diesem Herbst etwas kleiner werden. Zumindest, wenn es nach dem Willen der umtriebigen UN bzw. Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) sowie der Europäischen Union geht. Bisher wurde der Verbrauch, der Datenblättern, Werbeprospekten und Fahrzeugdaten zugrunde gelegt wird, seit 1992 nach dem so genannten NEFZ / NEDC (Neuer Europäischer Fahrzyklus / New European Drive Cycle) berechnet. Was viele nicht wissen: der NEFZ dient keinesfalls dazu, den realen Verbrauch des Fahrzeugs im Alltag abzubilden. Vielmehr geht es darum, die Fahrzeuge besser miteinander vergleichen zu können. So wird der Normverbrauch nicht im turbulenten Straßenverkehr, sondern einem seelenlosen Rollenprüfstand abgespult - unter alles andere als realistischen Laborbedingungen. Der Grund liegt auf der Hand: die Fahrbedingungen sollen nachvollziehbar und insbesondere unbegrenzt reproduzierbar sein - und das nicht nur innerhalb eines Landes, sondern innerhalb ganz Europas und der ganzen automobilen Welt.
20 Prozent mehr Verbrauch auf dem Papier?
Jetzt produzieren die meisten Hersteller ihre Fahrzeuge jedweder Größe, Klasse oder Bauart nicht nur für ein Land oder eine Region, sondern bieten den vermeintlichen Traumwagen bisweilen auf der ganzen Welt an. Doch die Verbräuche miteinander zu vergleichen, ist ein Ding der Unmöglichkeit, denn die Testzyklen sind in Japan, Korea, den USA, Brasilien, Russland oder Deutschland überaus unterschiedlich. Die Idee einer Harmonisierung war lange überfällig und vor rund einem Jahrzehnt überaus gut gemeint. Doch der so genannten WLTP (World Harmonized Light Vehicle Test Procedure) geht bereits vor ihrer flächendeckenden Einführung die Luft aus. Es gibt zahllose Sonderregelungen und Ausnahmen, sodass von einer weltweit vergleichbaren Regelung trotz bester Ansichten kaum noch eine Rede sein kann, denn die WLTP gilt in der EU, Großbritannien, Norwegen, Island, Schweiz, Lichtenstein, Türkei und Israel. Erste Abweichungen gibt es in Ländern wie Japan oder Südkorea. Russland, Australien und eine Reihe von Staaten im Mittleren Osten, Asien sowie in Südamerika bleiben beim NEFZ; die Vereinigten Staaten, Brasilien und verschiedene andere Länder haben andere Zyklen. China als Autonation Nummer eins verwendet für die neueste Emissionsstufe den WLTP nur als Testverfahren. Für die Verbrauchsermittlung wird dort heute unverändert der NEFZ verwendet und für die Zukunft ist ein eigenes Messverfahren geplant. Selbst in Europa gibt es Abweichungen, weil die normale Umgebungstemperatur von 23 Grad Celsius hier vielen zu hoch war. So gibt es eine eigene Messung bei 14 Grad. Der Aufwand, ein Auto auf den neuen Testzyklus einzustellen ist gigantisch. Denkt man an das gesamte Modellportfolio eines Herstellers, das bis 31. August 2018 neu zertifiziert werden muss, ist einem klar, weshalb in ganz Europa derzeit kaum Rollenprüfstände zu bekommen sind und Nachtschichten geschoben werden müssen.
Dabei besteht zunächst einmal kein Zweifel daran, dass die WLTP im Vergleich zum über 25 Jahre alten NEFZ realitätsnäher am alltäglichen Kundenbetrieb ist. Der neue Zyklus dauert mit 30 Minuten immerhin 50 Prozent länger als bislang und die Standzeit reduziert sich von knapp 24 auf 13 Prozent. Im Gegenzug verlängert sich die gefahrene Strecke von 11 auf 23 Kilometer und das Maximaltempo erhöht sich von 120 auf 131 km/h, um Autobahnfahrten besser abbilden zu können, was sich auch in einer höheren Durchschnittsgeschwindigkeit (46 statt bisher 34 km/h) bemerkbar macht. Ergänzend dazu sind die Prüfvorgaben strenger als bisher und es wird nicht wie bisher nur die Basisvariante des jeweiligen Modells getestet, da Sonderausstattungen Einfluss auf die Messwerte haben. Jedoch konnten sich die Organisationen zum Beispiel nicht darauf einigen, wie eine eingeschaltete Klimaanlage Einfluss in die Messung nehmen soll. So bleibt einer der größten Verbraucher neben Sitz-, Lenkrad- und Scheibenheizungen bis auf weiteres bei den Messungen außen vor.
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- Veröffentlicht: 26. Januar 2018