Die größte Panzerhistorie in Europa hat jedoch Mercedes. Für die Schwaben ist das Geschäft mit den Panzerfahrzeugen seit neun Jahrzehnten lebensrettender Alltag. Gepanzerte Limousinen gibt es dabei keinesfalls erst seit der Zeit, als die Rote Armee Fraktion die Bundesrepublik Deutschland in den 70er Jahren vor ihre härteste Bewährungsprobe stellte. Die Historie der Panzerfahrzeuge begann in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Bereits der Mercedes Nürburg 460 aus der Baureihe W 08 war in politisch problematischen Zeiten als Panzerversion zu bekommen. Als erster internationaler Staatsmann ließ sich der japanische Kaiser Hirohito zu Beginn der 1930er Jahre von einem stark gesicherten Mercedes-Benz Typ 770 durch sein asiatisches Reich bewegen.
Rote Armee Fraktion
Bevor der legendäre Mercedes 600 (Baureihe W 100) ab Mitte der 60er Jahre bei vielen Nationen als Staats- und Repräsentationslimousine Einzug in den Fuhrpark hielt, produzierte Mercedes auf besonderen Wunsch gefährdeter Kunden Sonderschutzvarianten des Typs 500 und des 770ers. Ihnen allen gemein war eine tonnenschwere Stahlpanzerung an Türen und Karosserieteilen, während die Sicht nach außen wie innen von zentimeterdickem Panzerglas gewährleistet wurde. Bis heute gilt der 1963 vorgestellte 600 Pullman als die Staatslimousine schlechthin. Seine filigranen Formen, der elegante Auftritt und die großen Glasflächen machten ihn über Jahrzehnte zum Liebling von Prominenten, Stars, Wirtschaftsbossen, Kaisern, Königen, Scheichs und Politikern. Der legendäre 600er war bis in die frühen 90er Jahre die deutsche Staatslimousine und zurückhaltender Ausdruck einer selbstbewusster werdenden Bundesrepublik. Mit ihr untrennbar verbunden Fahrer wie Wolfgang Wöstendieck, der die Staatsgäste mit seinem automobilen Liebling über Jahrzehnte in aller Zurückhaltung gefahren hat: den Kaiser von Japan, Lady Di oder Johannes Paul II. Von 1971 bis 1993 war er zusammen mit drei anderen Fahrern der offizielle Chauffeur der deutschen Staatslimousine. Wenn der Besuch eines hohen Gastes anstand, orderte das Auswärtige Amt bei Mercedes-Benz in Stuttgart das bewährte Doppel aus Wöstendieck und seinem schwarzen Pullman, Kennzeichen S-VC 600 aus dem Baujahr 1965. Die exklusivste deutsche Nachkriegslimousine wurde von 1963 bis 1981 immerhin 2.677 Mal gebaut.
Weniger repräsentativ, aber von zahlreichen Politikern und Wirtschaftsgrößen innig geliebt waren die Panzerversionen der späteren Mercedes-Benz S-Klassen. Egal ob die frühe Chrombaureihe W 116, der moderne W126er oder der opulente W 140 - es gab keinen Staatsbesuch, keinen Wirtschaftskongress, auf der die gepanzerten S-Klassen die gefährdeten Personen nicht nur sicher, sondern auch überaus komfortabel an Ziel gebracht hätten. Während das Personenschützer von BKA oder Polizei während der wilden 70er Jahre im W 116 zumeist im gesicherten Mercedes-Benz 350 SE unterwegs waren, reisten die Politiker bevorzugt im kraftvolleren 450 SEL mit langem Radstand. Das wollte der bayrische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß nicht auf sich sitzen lassen und ließ 1977 zwei gepanzerte BMW 733i bauen, weil der bekennende Mercedes-Fan Strauß nicht in einem Fremdfabrikat aus dem Nachbarbundesland unterwegs sein wollte.
- Details
- Veröffentlicht: 22. Januar 2018