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Dauerlauf mit Hindernissen
Elektroautos und Plug-In-Hybriden sind in aller Munde - mehr denn je in den USA. Doch wie schlägt sich ein europäischer Hybride im harten Dauerlauf von West nach Ost? Ein über 4.800 Kilometer langer Roadtrip von Los Angeles nach Detroit bringt viele Erkenntnisse.

Dauerlauf mit Hindernissen

Mini Cooper S E Countryman All4 Yosemite Nationalpark (Foto: Hersteller)

Elektroautos und Plug-In-Hybriden sind in aller Munde - mehr denn je in den USA. Doch wie schlägt sich ein europäischer Hybride im harten Dauerlauf von West nach Ost? Ein über 4.800 Kilometer langer Roadtrip von Los Angeles nach Detroit bringt viele Erkenntnisse.

Wer eine Reise tut, der kann etwas erleben. Tausende zog es in den vergangenen Jahrzehnten aus dem kühlen Nordosten der USA in den gelobten Sonnenstaat Kalifornien. Die meisten kamen mit dem Auto auf der legendären Route 66. Doch gerade im kalten Winter gibt es spektakulärere Strecken und die umgekehrte Route ist von Los Angeles bis ins kalte Michigan nicht nur spannend und erlebnisreich, sondern auch die ideale Teststrecke für einen der modernsten Plug-In-Hybriden, den es aktuell gibt: den Mini Cooper S E Countryman All4 - BMW-Hightech im Kleid des coolen Mini-SUV.

Über 4.800 km durch zwölf Staaten

Die Strecke vom sonnenreichen Los Angeles bis ins kalte Motown Detroit ist gerade im Winter kein Pappenstiel. Während L.A. zumeist auch im Januar + 20 Grad Celsius bietet, warten in Detroit Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt. Zwischen den beiden höchst unterschiedlichen US-Metropolen liegen nicht nur 3.000 Meilen Wegstrecke, sondern auch zahllose Höhenmeter, Skiregionen mit jeder Menge Schnee, endlose Weiten und zwölf US-Bundesstaaten. Denn um den Plug-In-Hybriden auf Herz und Nieren zu testen, geht es mit Zwischenstationen Salt Lake City, den Yellowstone National Park, Billings, Sioux City über Chicago in den Winter Michigans. Wie schlägt sich der 1,5 Liter große Dreizylinder-Turbo mit Elektrounterstützung im Alltag und was kann der Allradantrieb in den winterlichen Rocky Mountains?


Zunächst einmal macht einem das Sonnenmekka Los Angeles den Abschied Richtung Westen ungewöhnlich leicht. Es regnet in Strömen und daran ändert sich abgesehen von einer halbstündigen Regenpause im Großraum Barstow erst einmal nichts. Der hybride Mini Countryman schluckt das üppige Gepäck für eine Woche problemlos mit etwas Ruckeln. Die Sitze sind nicht nur bequem, sondern bieten guten Seitenhalt und die Aufenthaltsqualität könnte auf überschaubarem US-Verkehrsraum (4,30 Metern) größer kaum sein. Das Wetter bleibt lausig, der Abend kommt schnell und in der Dunkelheit punkten die LED-Scheinwerfer mit Nebelleuchten-Unterstützung schneller als gedacht. Der Verkehr in Los Angeles und dem San Bernadino Valley ist nicht zuletzt durch das Wetter noch schlimmer als erwartet. Das sehr gute Navigationsgerät wählt im Minutentakt Ausweichrouten und der Mini zuckelt im Auto-e-Modus durch die Millionenagglomeration. Die ersten 70 Meilen schlucken fast drei Stunden und der Durst des Hybriden hält sich aus dem Mischung zwischen Verbrenner und Elektromotor noch angenehm in Grenzen. Das Anfahren geschieht elektrisch, die normale Fahrt geschieht mit dem Verbrenner und immer wieder schaltet die sich Elektromodul dazu.

Zu kalt für den Hybriden

Doch als es Richtung der heute regnerischen Wüste geht, zeigt sich ein baulicher Nachteil der zwei Antriebsmodule. Der Tank des Mini Cooper S E Countryman All4 fasst gerade einmal 36 Liter. Als es in flotter Fahrt auf die Interstate I-15 Richtung Vegas geht, geht es erstmals zur Tankstelle. Die Gallone Benzin kostet hier gerade einmal 2,49 Dollar und der Tank ist viel schneller gewünscht voll. Die maximale Reichweite des Bordcomputers wirft die Stirn in Falten: 242 Meilen - gerade einmal 390 Kilometer. Mit Dauerregen geht es nach Las Vegas - ehemals die Stadt der Sünde. Im Hotel ist erste Möglichkeit, den Hybriden an der Steckdose zu laden. Ansonsten geht das im Save-Modus auch während der Fahrt durch den Verbrenner. Am nächsten Morgen scheint die Sonne und die elektrische Reichweite des Mini Countryman PHEV zeigt überschaubare 12 Meilen als es Richtung Salt Lake City geht.

Mini Cooper S E Countryman All4 Jackson Hole - zum zweite Mal an einer Ladesäule (Foto: Hersteller)
Mini Cooper S E Countryman All4 - letztlich wurden es 3.000 Meilen (Foto: Hersteller)
Mini Cooper S E Countryman All4 - Zwischenstopp in den Rocky Mountains (Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)

Die Tempi auf dem zunehmend leeren werdenden Highway der Interstate I-15 nordostwärts werden flotter und als es in die Höhen von 6.000 Fuß geht, wird es nennenswert kälter. Aus Regen wird auf Höhe des Fishlake Forest erstmals Schnee und der kleine Brite zieht auf weißem Untergrund Dank griffiger Winterschuhe sicher seine Bahn. Gestern deutete es sich Richtung Nevada an und heute bewahrheitet es sich. Die Reichweite des Mini Countryman PHEV ist alles andere als alltagstauglich. Selbst wenn für weniger als 25 Dollar vollgetankt wird; 210 Meilen - umgerechnet 350 Kilometer - sind mit einer Tankfüllung drin; auch weil einem das Akkupaket kaum zusätzliche Reichweite einschenkt. So lernt man ein paar mehr Tankstellen kennen, als es einem lieb ist und der Proviant wird frischer als erwartet aufgefüllt.


Als es nach dem Zwischenstopp in der Olympiastadt Salt Lake City über den Caribou National Forest am nächsten Tag weiter Richtung Yellowstone Nationalpark geht, sorgt der Zwischenstopp im schneereichen Jackson Hole für eine angenehme Überraschung. Nach dem Hotel in Las Vegas gab es entlang der Route bisher keinen Ladestationen und so holt sich der Countryman am Ortsplatz etwas Energie, um die Hinterachse wieder in Schwung zu bringen. Das ist mehr denn je nötig, denn der Countryman präsentiert sich anders als erwartet und anders als es der Namenszug "All4" vermuten lässt, nicht als echter Allradler. Ist der Akku leer oder das Hybridsystem schaltet sich bei Temperaturen von unter minus zehn bis zwölf Grad Celsius komplett ab, ist es das mit dem souveränen Vortrieb. Allein mit Vorderradantrieb ist man zwischen den zahllosen Subarus, Pick Ups und Geländewagen auf verlorenem Posten. Ein Fahrzeug mit einer elektrischen Hinterachse als echten Allradler anzubieten, ist nicht nur wirres Marketinggeschwafel, sondern bei Fahrten auf Eis und Schnee wie hier in den Rocky Mountains ein schlechter Witz, den man auch in den Alpen nicht erleben möchte.

(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)
(Foto: Hersteller)

In den eigentlichen Nationalpark Yellowstone kommt man im Winter nicht herein. So geht es nach entsprechenden Tankstopps weiter Richtung Billings / Montana an der I-90, von wo aus der Durchstoß nach Osten erfolgen soll. Chicago, die Großen Seen und das finale Ziel Detroit locken. In Billings, einer seelenlosen 100.000-Einwohner-Stadt, ist es fast 20 Grad unter null und beim morgendlichen Start zeigt der Bordcomputer einmal mehr an, dass das Hybridsystem mit seinem 65-kW-Triebwerk an der Hinterachse erst einmal nicht arbeitsfähig ist. Mittlerweile hat sich der Praxisverbrauch auf rund neun Litern eingependelt. Mini verspricht mit vollgeladenem Akku (7,6 kWh) sparsame 2,3 Liter auf 100 Kilometern. Realitäten könnten nicht weiter auseinanderliegen. Auch die versprochenen rund 40 Kilometer elektrischer Reichweite entstammen im amerikanischen Winter dem Reich der Träume. 12 bis 15 Meilen - umgerechnet 20 bis 25 Kilometer, mehr war nie drin und das bei den Fahrprofilen, die in den stark temporeglementierten USA deutlich geneigter als in Autobahn-Country Deutschland sind.

Das insgesamt 165 kW / 224 PS starke Antriebspaket des fast 1,7 Tonnen schweren Mini Cooper S E Countryman All4 mit seinem schnatternden Dreizylinder und dem wenig engagierten Elektromotor ist die wohl schwächste Seite des Mini. Dabei kann der 4,30 Meter lange Brite allemal gefallen. Die wohl konturierten Sitze erfreuen auch auf Langstrecken, die im Winter so wichtige Sitzheizung (leider nur vorne) ist eine Klasse für sich und das Steuer (auch unbeheizt) ist so präzise, wie man es von einem Mini erwartet. Dabei ist der Mini Countryman ideal für zwei Personen, denn wer wirklich in Urlaub fahren möchte, tut sich mit den Lademöglichkeiten im Kofferraum (405 Liter) und auf der Rückbank bei einer Drei-Personen-Besetzung schwerer als schwer. Exzellent schlägt sich das stets hellwache Navigationssystem und die zahlreichen Ablagen sind bei Langstreckentouren mehr als hilfreich.Als es im Nordosten heraus aus den Rocky Mountains geht, gibt es auf dem Weg nach Chicago eine Vielzahl von Routen. Die südlichste führt einen vorbei am Harley-Mekka Sturgis Richtung Sioux Falls und Sioux City, wo sich der Schnee längst verabschiedet hat, die eiskalten Temperaturen jenseits der -10-Grad-Celsius-Marke aber geblieben sind. Nach wie vor kommt das Elektromodul des Countryman nicht dazu, seine Vorteile auszuspielen. Dafür zeigt der größte aller Minis, dass er sich bei langen Autobahnpassagen durchaus in Szene setzen kann. Erlaubt sind in Bundestaaten wie Wyoming, South Dakota, Iowa oder Illinois nie mehr als 80 Meilen pro Stunde - gerade einmal 130 km/h machen sich bei einer Gesamtstrecke von fast 5.000 Kilometern allemal bemerkbar. Vorbei sind auch die Zeiten, als im Bergstaat Montana kein offizielles Tempolimit existierte und die lokalen Ordnungsbehörden nach Gusto einschätzen konnten ob zu schnell oder nicht. Wer es darauf anlegt, bewegt den Countryman mit bis zu 200 km/h. Vergeblich bleibt nach wie vor die Suche nach einer Ladesäule. Selbst in größeren Städten sind kaum Ladesäulen vorhanden; direkt an der Route gibt es selbst an größeren Hotels keinen Strom. Kein Wunder, dass man den letzten Tesla allein in Jackson Hole im Straßenverkehr sah. In den nördlichen Staaten der USA sind selbst Fahrzeuge aus Europa ein Hingucker. Ansonsten fährt man hier Ford F-150, Chevrolet Silverado oder Dodge Ram - alle andere bewegen eine Pick Up mittlerer Dimensionen oder Geländewagen wie einen Jeep Grand Cherokee oder einen Ford Explorer. Sogar das Massenmodell Toyota Camry ist hier nicht mehr als ein Nebendarsteller.In Downtown Chicago schüttelt der Valet-Parker wieder einmal nur den Kopf als man nach einer Ladesäule fragt. "So etwas haben wir nicht", lächelt Sam bei kühlen - 15 Grad, "aber irgendwo in der Nähe soll eine gebaut worden sein." So weit zum Thema Elektromobilität in den USA. Diese gibt es - in kleinen Dimensionen - allenfalls in Küstennähe. Auf der letzten Etappe des Roadtrips wird es kaum wärmer, doch als es Richtung Motown Detroit geht, kommt der Schnee wieder zurück. In die Bredouille wie auf den schneebedeckten Pisten der Rockys kommt der Pseudo-Allradler nicht mehr und erreicht nach knapp 3.000 Meilen ohne Mucken Downtown Detroit. Ladesäulen? Fehlanzeige! Der Mini Countryman ist für einen Roadtrip in den USA alles andere als eine schlechte Besetzung, doch das nächste Mal bitte nicht als Hybridversion, denn ein Durchschnittsverbrauch von 9,2 Litern ist angesichts von Leistung, Gewicht, Größe sowie der gemäßigten Fahrweise auf US-Highways und Landstraßen schlicht indiskutabel. Da würde ein Dieselmotor im Mini Countryman deutlich besser passen. Und die kommen bei den großen Full Size Pick Ups in den Vereinigten Staaten gerade so richtig in Mode. Der 190 PS starke Mini Cooper SD Countryman hat dann auch einen echten Allradantrieb - und kostet das gleiche wie der Hybride.

Autor: Stefan Grundhoff, USA  Stand: 18.01.2018
Fotos: