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Diesel sind gesetzt
Audi-Entwicklungsvorstand Peter Mertens zu Themen wie Diesel-Skandal, autonomem Fahren und Elektroautos.

Diesel sind gesetzt

Peter Mertens, Audi Entwicklungsvorstand (Foto: Hersteller)

Audi-Entwicklungsvorstand Peter Mertens zu Themen wie Diesel-Skandal, autonomem Fahren und Elektroautos.

Frage: Der Dieselskandal setzt den gesamten Automarkt in Europa unter Druck. Wie sieht die Zukunft für den Selbstzünder bei Audi aus?

Peter Mertens: Der Diesel ist in unserem Motorenportfolio eine feste Größe, er bleibt gesetzt, weil an ihm kein Weg vorbeiführt. Das gilt besonders für große Automobile wie Limousine und SUV der Ober- oder Luxusklasse, wo die großen TDI\'s besonders beliebt sind. Daher haben der Audi Q7 ebenso wie auch der neue Audi A8 als unser Flaggschiff und der kommende Q8 Dieseltriebwerke - mit sechs und auch acht Zylindern. Diese stehen im Motorenprogramm nicht zur Diskussion.

48 Volt Technik

Frage: Elektrofahrzeuge sind in aller Munde. Wann wird die Elektromobilität die Verbrenner ablösen?

Peter Mertens: Der Grad der Elektrifizierung steigt mit jedem neuen Fahrzeug in unserer Palette. Wir wollen bei Audi bis zum Jahre 2025 einen hochelektrifizierten Fahrzeuganteil von rund einem Drittel haben. Das ist eine große Herausforderung, die Investitionen in Milliardenhöhe voraussetzt. Wir können ebenso wenig wie die anderen Hersteller genau absehen, wie schnell die Entwicklung im Detail gehen wird. Derzeit kostet eine Kilowattstunde zwischen 100 und 200 Euro - heißt, ein Akkupaket für ein Batterie-Fahrzeug der Ober- oder Luxusklasse schlägt allein mit weit über 10.000 Euro zu Buche. Daher werden neben den reinen Verbrennern die Hybriden bei uns nach wie vor eine Rolle spielen, auch wenn wir natürlich kommendes Jahr unseren ersten Elektro-SUV, den Audi e-tron auf den Markt bringen. Auf einigen Märkten ist der Plug-in-Hybride zudem für den Kunden eine Brücke zum reinen Elektrofahrzeug.


Frage: Was bedeutet im Modellprogramm von Audi zukünftig "hybrid"? Geht es hier rein um Plug-in-Hybriden oder wird auch die 48-Volt-Technik flächendeckend Einzug halten?

Peter Mertens: Es wird bei uns verschiedene Arten der Elektrifizierung und der Hybridisierung geben. Dazu gehören Plug-In-Hybriden, wie wir diese bereits anbieten und die wie die reinen Batteriefahrzeuge e-tron heißen. Der neue Audi A8 wird als besonders leistungsstarke Hybridversion kommen. Ein Hochleistungselektromotor ist dabei mit einem aufgeladenen V6-Benziner kombiniert. Die Systemleistung liegt bei über 450 PS - und bietet Fahrleistungen wie ein Achtzylinder. Jede der Audi-A8-Motorisierungen wird zusätzlich über ein 48-Volt-Bordnetz verfügen. Hiermit gehört der verzögerte Ampelstart der Vergangenheit an, wir können beim Beschleunigen boosten und völlig neue Sicherheitssysteme umsetzen. Bei einem drohenden Seitencrash schießt das eABC-Fahrwerk den neuen Audi A8 zum Beispiel in Bruchteilen von Sekunden 80 Millimeter in die Höhe. Dadurch trifft der Gegner den A8 genau in der Crashstruktur und die Verletzungsgefahr für die Insassen sinkt drastisch.

Was wird aus den Kombis?

Frage: Wird die 48-Volt-Technik auch in kleineren Fahrzeugen kommen?

Peter Mertens: In etwas kleineren ist es denkbar. In den unteren Segmenten wird das auf jeden Fall noch dauern, denn die 48-Volt-Technik ist aufwendig und teuer. Das kann man an Kunden so nicht weitergeben. Doch wir arbeiten hier an anderen Lösungen und wenn die Kosten sinken, ist es langfristig durchaus denkbar, dass 48-Volt-Bordnetze auch in mittleren und unteren Segmenten folgen. Das hat nicht nur Auswirkungen auf Fahrwerk und Sicherheitssysteme, sondern wir können auch einen zusätzlichen elektrischen Turbolader umsetzen wie wir es bereits beim Audi S Q7 tun. Innerhalb des Volkswagen-Konzerns sind wir bei Audi das Kompetenzzentrum für Elektroantriebe. Ich bin der festen Überzeugung, dass wichtige Entwicklungen selbst gelernt und bei uns gemacht werden müssen; nicht beim Zulieferer.

Audi A8 L (Foto: Hersteller)
Audi e-tron Sportback Concept (Foto: press-inform / Audi)
Peter Mertens, Audi Entwicklungsvorstand (Foto: Audi)
(Foto: press-inform / Audi)

Frage: Audi lebt gerade in Zentraleuropa mehr als jede andere Premiummarke von seinen erfolgreichen Kombimodellen. Da die Nachfrage nach Crossover- und SUV-Modellen auch bei Audi klassenübergreifend immer größer wird - lösen diese Fahrzeuge mittelfristig die Kombis ab?

Peter Mertens: Das wird bei uns in den nächsten Jahren nicht passieren. Es stimmt, die Avant-Modelle haben Hauptmärkte, die durchweg in Europa liegen. Doch gerade erst kam wieder eine Anfrage aus Übersee, ob wir hier unseren A6 allroad nicht auch dort auf den Markt bringen können. Unsere Avant-Modelle sind für uns wichtiger denn je. Um die Kundenanforderungen zu befriedigen müssten diese in der Zukunft beim Design nur etwas mutiger werden. Wie so etwas aussehen kann, zeigen wir mit dem kommenden A6 Avant.


Frage: Der Trend zum Downsizing scheint nicht nur bei den Premiumhersteller mittlerweile beendet zu sein. Doch wie ist bei den zukünftigen Fahrzeuggenerationen von Audi? Werden die kommenden Fahrzeuge unverändert hubraum- und zylinderstark unterwegs sein?

Peter Mertens: Sechs und acht Zylinder stehen bei uns derzeit nicht zur Diskussion - weder als Diesel, noch als Benziner. Und auch unser W12-Triebwerk läuft beim Kunden im Topsegment gut. Dies wurde erst jüngst für den gesamten Konzern neu entwickelt und wird daher bei den Audi-Topmodellen vorerst seinen festen Platz behalten.

Frage: Wie sieht es mit dem Thema Fahrerassistenz aus? Alle sprechen darüber, doch abgesehen von Tesla gibt es kaum ein Auto, das auf bestimmten Strecken ernsthaft autonom unterwegs ist.

Peter Mertens: Ich möchte zu Wettbewerbern nichts sagen. Doch der neue Audi A8 ist das erste Serienfahrzeug weltweit, das die Stufe drei des automatisierten Fahrens verwirklichen kann. Es ist das erste Fahrzeug, das über redundante Sicherheitssysteme verfügt und daher wirklich in bestimmten usecases autonom unterwegs sein kann. Wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen gegeben und die Homologationsfragen geklärt sind, werden wir den Staupiloten sukzessive auf den Markt bringen. Damit haben wir unserer Kenntnis nach auch hier einen Vorsprung.

Biographie Peter Mertens:

Dr. Peter Mertens wurde am 30. März 1961 in Bielefeld geboren. Nach seinem Studium der Produktionstechnik an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe erwarb er 1985 einen Master of Science-Abschluss in Industrial Engineering and Operations Research am Virginia Polytechnic Institute in den USA. Von 1985 bis 1990 leitete Peter Mertens die Abteilung Technologietransfer der Universität Kaiserslautern und promovierte in diesem Zeitraum zum Dr.-Ing. 1990 begann Mertens seine Laufbahn in der Automobilindustrie. Bei der Mercedes-Benz AG hatte er mehrere Leitungspositionen inne, bevor er 1996 die Geschäftsführung der Tegaron Telematics GmbH übernahm, einem Gemeinschaftsunternehmen der Daimler Chrysler Services AG und der Deutschen Telekom AG.

2002 wechselte er zur Adam Opel AG, zunächst als Executive Director für mittlere und große Baureihen. 2004 erhielt er die Verantwortung für die kompakten Baureihen von General Motors Europe und ab 2005 für alle kompakten Baureihen von General Motors weltweit. 2010 übernahm Peter Mertens im Management Board von Jaguar Land Rover die Leitung der Corporate Quality für die gesamte Tata Motors Group, inklusive der Marke Jaguar Land Rover. Seit März 2011 war Mertens als Senior Vice President, Research and Development der Volvo Car Group für Forschung und Entwicklung verantwortlich. Seit Mai 2017 ist Dr. Peter Mertens Mitglied des Vorstands der AUDI AG und verantwortet die technische Entwicklung der Marke mit den vier Ringen.

Autor: Stefan Grundhoff  Stand: 17.07.2017
Fotos: