Der Bentley Continental ist eines der ältesten Modelle auf dem Automarkt. Ende 2002 sorgte mit einer Kombination aus Eleganz, Antrieb und Exklusivität für offene Münder. Viele Modellpflegen und zahllose Sondermodelle hielten die Kunden über zehneinhalb Dekaden bei Laune, sodass sich der Continental weltweit bis heute verkauft wie handwarme Semmeln an einem kühlen Sonntagmorgen. Frech ist gestern aus Crewe nach Nordspanien gekommen, um den neusten Stand der Prototypen abzunehmen. Seit einer halben Stunde brüllt das automobile Zwillingspärchen durch namenlose Straßen im Norden der iberischen Halbinsel. Gegenverkehr gibt es allenfalls im 15-Minuten-Takt. "Die Straßen hier sind bestens für unsere Erprobungen geeignet", erzählt Cameron Petersen, "aber natürlich sind wir auf der ganzen Welt unterwegs, um die Prototypen ran zu nehmen. Im September waren wir sehr viel in den USA unterwegs und bald beginnt die heiße Phase der Wintererprobung." Der Rest - bis hin zu den ersten Crashtests - findet am Computer statt.
Abgespeckt für mehr Dynamik
Bei den aktuell 25 Prototypen ist es nicht geblieben. Bis zu diesem Frühjahr kamen in der finalen Phase der Abstimmungen nochmals 45 hinzu. Wenn die gesamte Entwicklung geschafft hat, hat das Team von Rolf Frech dann doch fast 150 Autos zerschlissen. Die bestehen dann schon aus Teilen, die Maschinen im Werk produziert haben. Die beiden Modelle, die sich mittlerweile in der durchbrechenden Sonne aalen können, sind augenscheinlich wild zusammengeschustert. Rolf Frech dreht die einzelnen Gänge aus, schaltet über die Pedale am Lenkrad durch und lässt den Drehzahlmesser immer schneller zucken. Wenn der nächste Gang hereinschnalzt, ist keine Zugkraftunterbrechung zu spüren. "Wir haben uns letztlich im neuen Continental für ein Doppelkupplungsgetriebe von ZF entschieden. Es gab auch Gegenstimmen; doch letztlich hat die Technik Anfang 2016 alle überzeugt. Für uns war klar, dass das neue Auto deutlich sportlicher werden muss - ohne dabei seinen Komfort zu verlieren." Je schneller der Prototyp mit dem britischen Kennzeichen DH 65 KXE wird ist zu merken, dass das überstarke Untersteuern der Vorgängergeneration der Vergangenheit angehört. "Wir haben etwas Porscheness in den Continental gepackt", legt Frech sichtlich zufrieden nach. Als es im flotten Galopp über Land- und Bergstraßen mit enger werdenden Radien geht, ist der Beweis schnell erbracht. Die Wankbewegungen sind im Vergleich zum aktuellen Modell minimal und die wie nebensächlich erwähnten 200 Kilogramm Mindergewicht sind zumindest bei flotten Tempi zu spüren. Ein Leichtgewicht ist das Allradcoupé damit noch immer nicht. In den technischen Daten werden ab Herbst 2017 rund 2.200 Kilogramm Leergewicht stehen.
Der Bentley Continental ist und bleibt ein Allradler, doch die feste Kraftverteilung vergangener Zeiten ist passé. Im Normalfall werden über den bis zu 22 Zoll großen Radsatz 100 Prozent an die Hinterachse übertragen. Je nach Fahrprogramm, Untergrund und Tatendrang des Piloten gelangt ein guter Teil der üppigen Motorleistung auch an die Vorderachse. Es ist mittlerweile spätes Frühjahr und nun muss der "Conti" wie ihn hier die meisten nur nennen, an der walisischen Küste zeigen, dass er in knapp fünf Jahren Entwicklungszeit erwachsen geworden ist. Die hässlichen schwarzen Tarnmatten sind zumindest im Innenraum verschwunden. Der Blick fällt auf edle Hölzer und animierte Instrumente - ein großer Schritt gerade zum noch jungen Bentley Bentayga. Die Lederstühle passen sich perfekt an, das Lenkrad lädt zu Kurbelorgien ein und mit einem Druck auf dem Starter erwecken Prototyp und walisisches Umland, während der Wind vom Atlantik hereinpeitscht.
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- Veröffentlicht: 04. Juli 2017