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Der rollende Nasenwärmer
In Zeiten von Elektroautos und Elektrofahrrädern wirkt die Solex 3800 wie ein Relikt aus einer anderen Epoche. Doch schlechter ist sie nicht - nur simpler.

Der rollende Nasenwärmer

Die Solex 3800 ist die bekannteste Solex. (Foto: Marcel Sommer)

In Zeiten von Elektroautos und Elektrofahrrädern wirkt die Solex 3800 wie ein Relikt aus einer anderen Epoche. Doch schlechter ist sie nicht - nur simpler.

Solex. Ein Kunstwort, das in der Welt der Zweiräder noch heute für strahlende Gesichter sorgt. Denn die Fahrzeuge des 1905 in Frankreich gegründeten Unternehmens Solex sind fahrende Relikte aus der Nachkriegszeit. Einer Zeit, in der die zerstörte Infrastruktur den Wunsch nach einer kostengünstigen Volksmotorisierung aufwirft. So schön und so schnell ein Automobil auch ist, über Bombenkrater, gewaltige Schlaglöcher und Co. kann dies auch nicht fahren. Da ist ein Fahrrad oder am besten noch ein von irgendetwas angetriebenes Rad ein wahrer Segen. Das denken sich auch die beiden französischen Firmengründer Maurice Goudard und Marcel Mennesson und entwickelten in ihrem Automobilzulieferer-Unternehmen den ersten Solex-Zweitaktmotor. 38 Kubikzentimeter fasst sein Hubraum und bereits ein Jahr später thront er über dem Vorderrad eines Alcyon-Herrenfahrades. Auf den Solex-Kosenamen Nasenwärmer musste also nicht lang gewartet werden. Der Reibrollenantrieb besteht aus einer einseitig gelagerten Kurbelwelle und einem schwimmerlosen Vergaser mit Kraftstoffpumpe.

Endlich mit Fliehkraft-Kupplung

Und so kommt es, dass 1946 das Velosolex zum ersten Mal und leicht modifiziert in Serie und in einer Stückzahl von rund 4.000 pro Jahr auf die Straße rollt. Der Hubraum ist um sieben Kubikzentimeter auf 45 und die Leistung auf 0,4 PS angewachsen. Auf eine Kupplung und eine komfortable Gasregelung wird allerdings noch immer verzichtet, so dass kein Weg an der binären Fahrweise vorbeiführte: Vollgas oder Bremse. Da solch Bedienung schon ab Tag eins nach dem Kauf einen guten und vor allem verfügbaren Service benötigt, wird Gaston Chapelle von den beiden Solex-Gründern beauftragt ein Servicenetz zu erstellen. 250 Stationen sind im Frühjahr 1951 bereits im Dienst. Ein Jahrzehnt später sind es schon fast 1.000 - und das nicht nur in Frankreich, sondern auch in Asien und Nordafrika.


Wer solch großen Erfolg hat, bleibt nicht lang konkurrenzlos. 1959 stellt die Firma ABG-VAP ihr Modell VeloVap auf dem Pariser Salon vor. Sein Vorteil gegenüber den Solex-Produkten liegt in der hier verbauten Fliehkraftkupplung, die dem Benutzer ein Wiederantreten nach kurzen Stehzeiten erspart. Das ist den Solex-Gründern natürlich nicht entgangen und sie reagieren schnell. Das Resultat ist das Modell 1700 mit einer automatischen Fliehkraft-Kupplung (Compound-Kupplung) und einem leicht vergrößerten Tank, da das neue Lichtmaschinenrad zum Lüfterrad erweitert und damit breiter wurde. Der Grund: Der Motor läuft jetzt auch im Stand, also muss er auch im Stand gekühlt werden. Die erste Trommelbremse folgt im Jahr 1964 mit dem Modell 3300.

Fast ein Vierteljahrhundert nach der ersten Serien-Solex, genauer gesagt 1968, geht es bei Solex zum ersten Mal mit der heute noch bekanntesten 3800 bunt zur Sache: die Farben Blau und Rotorange stehen ab sofort zur Wahl. Ein Grund mehr für das Sexsymbol der 50er und 60er Jahre Brigitte Bardot sich auch auf solch einem laut knatternden Gefährt filmen zu lassen. Die größte Neuerung ist jedoch nicht das Farbangebot, sondern die Gasdrehgriff. Noch bis 1988 laufen insgesamt sechs Millionen Velosolex beim französischen Vergaserhersteller Solex-Sinfac aus den Werkshallen. Noch bis 2002 werden die nun bis zu 0,8 PS starken Solex in Lizenz in Ungarn nachgebaut.

Bis zu 25 km/h ist sie schnell. (Foto: Marcel Sommer)
0,58 kW ist die Solex 3800 stark. (Foto: Marcel Sommer)
In den Niederlanden und in Frankreich ist sie häufiger zu sehen. (Foto: Marcel Sommer)
(Foto: Marcel Sommer)
(Foto: Marcel Sommer)
(Foto: Marcel Sommer)

Autor: Marcel Sommer  Stand: 19.05.2017
Fotos: Marcel Sommer  

(Foto: Marcel Sommer)
(Foto: Marcel Sommer)
(Foto: Marcel Sommer)
(Foto: Marcel Sommer)
(Foto: Marcel Sommer)
(Foto: Marcel Sommer)