Drucken
Kirschkern-Weitspucken um die Reichweite ist ein deutscher Hype
BMW Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich offenbart die Pläne des Münchner Autobauers bei der E-Mobilität und erklärt, warum er am teuren Carbon festhält.

Kirschkern-Weitspucken um die Reichweite ist ein deutscher Hype

BMW Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich: "Elektromobilität ist für uns bereits heute eine Selbstverständlichkeit." (Foto: BMW)

BMW Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich offenbart die Pläne des Münchner Autobauers bei der E-Mobilität und erklärt, warum er am teuren Carbon festhält.

Frage:

Erst 2021 soll der iNext kommen. Ist die Zeitspanne bisdahin nicht sehr lange? Zumal der i3 im Vergleich zum Wettbewerb nicht zwingendein Reichweiten-Monster ist.

 

Klaus Fröhlich:

Der BMW iNext wird zwar einen Elektroantrieb haben, aber imMittelpunkt steht bei diesem Auto das vollautonome Fahren. Elektromobilität istfür uns bereits heute eine Selbstverständlichkeit. Bis Ende 2017 werden wirzehn elektrifizierte Fahrzeuge anbieten. Mehr als jeder andere Hersteller. Undwir wollen bereits 100.000 elektrifizierte Fahrzeuge in 2017 verkaufen. BeimBMW i3 ging es nie um die Reichweite allein. Es ging immer um ein urbanesFahrzeug, das nachhaltig ist. Eine Batterie, die 700 bis 900 Kilogramm wiegt,in ein Auto zu verbauen, ist alles andere als nachhaltig und nicht unser Weg.Das Kirschkern-Weitspucken um die Reichweite ist ein deutscher Hype. Mitzunehmender Energiedichte der Batterie wird sich das erledigen.

 

Frage:

Warum?

 

Fröhlich:

Die Batterie macht das Elektroauto teuer - und ich sehe mitzunehmender Nachfrage nicht fallende Rohstoffpreise für die Batteriechemie.Daher ist es wichtig, an der Energiedichte in der Batterie zu arbeiten. Wirbauen hier Kompetenzen intern auf. Ich bin mir sicher, dass zukünftigReichweite und Leistung differenzierend sein werden wie heute Hubraum undPS-Zahl. Es wird Einstiegsmodelle mit geringerer Reichweite geben. Und Fahrzeugemit höherer Reichweite werden teurer sein. Das Highend-Elektroauto wird dannstarke E-Maschinen, eine große Batterie und einen Allradantrieb haben.

 

Frage:

Aber ein entscheidendes Kaufargument ist doch die Reichweite...

 

Fröhlich:

Die Kosten der Reichweite werden mittelfristig an den Kundenweitergegeben werden. Der wird dann abhängig von seiner Nutzung entscheiden,welche Reichweite für ihn passend ist. Wie heute auch, wenn er sich zwischenBenzin-, Hybrid- und Dieselfahrzeugen entscheidet. Bei den von unserenWettbewerbern angekündigten Solitären ist der Verkaufspreisbetriebswirtschaftlich nachrangig. Es sind Lernprojekte wie unser project i.Die eigentliche Kunst ist zu industrialisieren und zu skalieren. Und hier sindwir bereits einige Schritte weiter. Wir können aufgrund unsererFahrzeugarchitektur bereits heute jedes Fahrzeug als Plug-in-Hybrid anbieten -bei entsprechender Kundennachfrage. Mit der Weiterentwicklung der Architekturensind wir ab 2021 in der Lage, in jeder Modellreihe auch ein reinesbatterieelektrisches Fahrzeug zu produzieren. Bis 2025 sollen bis zu 25 Prozentunserer verkauften Fahrzeuge reine Elektrofahrzeuge sein. Das sind über einehalbe Million Fahrzeuge.

 

Frage:

Bei der Entwicklung des i3 spielte Carbon eine ganzentscheidende Rolle. Wenn man sieht, dass andere Hersteller eine ähnlicheGewichtsreduktion mit weniger Aufwand und geringeren Kosten erreichen, ist dannCarbon nicht ein kostenintensiver Irrweg?

 

Fröhlich:

Beim project i ging es uns um Elektrifizierung,Nachhaltigkeit und Leichtbau. Wir haben hier viel gelernt. Während beim i3 das Carbonnoch in einer Schalenbauweise verwendet wurde, was nicht ideal ist, haben wirbeim i8 bereits die ersten Strangprofile eingesetzt. Wie dann auch beim BMW7er. Das hat die Kosten bereits deutlich reduziert. CFK werden wir gerade inden großen Baureihen weiterhin einsetzen, um dort Gewicht zu reduzieren. Dieintelligente Mischung der Materialien ist entscheidend.

 

Frage:

Dann bleibt aber immer noch das Problem des Verschnitts,also der Abfälle, die bei der Produktion des Carbons anfallen. Das kann man sichbei einem teuren Werkstoff nicht leisten ...

 

Fröhlich:

Der i3-Nachfolger und auch andere Autos werden wenigerVerschnitt haben. Wir haben da die Fertigungsverfahren enorm vorangetrieben.

 

 

Frage:

Also setzen Sie weiter auf Carbon?

 

Fröhlich:

Ja, wir werden auch nach dem i3 ein Auto haben, bei dem sehrviel Carbon eingesetzt wird. Sowohl Funktions-Carbon als auch Sicht-Carbon. Wirsind bereits heute der Hersteller, der am meisten Carbon in seinen Fahrzeugenverwendet. Das wollen die Kunden auch sehen.

 

 

Frage:

Trotzdem bleibt Carbon ein teures Extra?

 

Fröhlich:

Wir arbeiten seit zehn Jahren mit Carbon und haben seitdemdie Kosten schon halbiert bis gedrittelt und auch die Taktzeiten verkürzt. Ichbleibe da einfach auf dem Gas. Wir werden das Thema Carbon weiter vorantreiben.

 

 

Frage:

Demnach ist BMW kein Nachzügler, wie die "SüddeutscheZeitung" postulierte?

 

Fröhlich:

Diese Aussage hat mit der Realität gar nichts zu tun. Anderekündigen für 2020 an, was wir bereits 2013 realisiert haben. Elektromobilitätist für uns, wie gesagt, eine Selbstverständlichkeit, die wir bereits in dieGroßserie bringen. Ich bin dabei zu industrialisieren und zu skalieren und sodie Kosten weiter zu optimieren.

 

 

Frage:

Wie wird sich ein BMW E-Motor von dem der Konkurrentenunterscheiden?

 

Fröhlich:

Wie wir die E-Mobilität emotionalisieren können, ist für unsein ganz wesentliches Thema. Da spielt der Motor eine wichtige Rolle. Wirachten darauf, dass die E-Maschine kurzzeitig eine hohe Leistung abgeben kann,um eine dynamische Leistungscharakteristik zu ermöglichen. Außerdem müssen wires schaffen, mit möglichst wenig Gewicht, bei möglichst geringen Kosten, möglichsthohe Fahrleistungen zu erzielen. Gleichzeitig müssen wir die Lebensdauer derBatterie absichern. Dazu müssen wir die Chemie der Batterie verstehen. Daherbeschäftigen wir uns auch so intensiv mit den Batteriezellen.

 

 

Frage:

Das bedeutet?

 

Fröhlich:

Wir werden eine höhere Performance und Lebensdauer aus derBatterie herausbekommen, weil wir sie anders konfigurieren.

 

 

Frage:

Mit einer standfesten Batterie und einem kräftigen Motor istes aber noch nicht getan. Ein BMW soll ja auch um die Ecke fahren können ...

 

Fröhlich:

Ein E-Antrieb spricht sehr spontan an und diese Spontanität mussauch am Rad ankommen. Deswegen entwickeln wir gerade passendeTraktionskontrollsysteme, die die Vorteile des E-Motors BMW typisch auf dieStraße bringen.

 

 

Frage:

Sie sprachen eben von einer dynamischen Leistungsentfaltung.Wird es auch einen E-BMW M geben?

 

Fröhlich:

Um zukunftssicher zu sein, werden wir auch bei BMW M weiterdie CO2-Emissionen absenken, zum Beispiel mitNiedrigvolt-Rekuperationssystemen. Sie sehen es ja auch bei denSupersportwagen: Dieser Boost durch den E-Motor hat was Sportliches. Sowas wirdim nächsten Jahrzehnt sicherlich in die M Produkte kommen.

 

Frage:

Allerdings ist die E-Mobilität momentan noch einVerlustgeschäft ...

 

Fröhlich:

Das ist richtig. Der Weg zur E-Mobilität ist ein Marathon.Wir investieren heute Milliardenbeträge und haben noch eine sehr geringePopulation an E-Autos. Es ist aber eine Investition in die Zukunft und sichertlangfristig den Unternehmenserfolg.

 

Frage:

Also müssen die Kosten runter. Wie wollen Sie das erreichen?

 

Fröhlich:

Einen leistungsstarken E-Antrieb zu bauen, ist keine großeHerausforderung, aber ein Auto mit einem solchen Motor muss auch bezahlbarsein. Das lässt sich durch Synergien bei den Architekturen erreichen. Deshalbhaben wir zum Beispiel schon 2010 entschieden, dass bei allen unserenHeckantriebs-Fahrzeugen das Plug-in-Hybrid-Modul sich immer an der gleichenStelle befindet. Dabei ist es egal ob 3er oder 7er ist. Es gibt ja noch vieleWettbewerber, die die Batterie noch im Kofferraum durch die Gegend fahren undda gehört sie definitiv nicht hin.

 

 

 

Autor: Wolfgang Gomoll, Las Vegas  Stand: 10.01.2017
Fotos:   

"Wir werden auch nach dem i3 ein Auto haben, bei dem sehr viel Carbon eingesetzt wird. (Foto: BMW)
"Wir arbeiten seit zehn Jahren mit Carbon und haben seitdem die Kosten schon halbiert bis gedrittelt und auch die Taktzeiten verkürzt." (Foto: press-inform)
"Wie wir die E-Mobilität emotionalisieren können, ist für uns ein ganz wesentliches Thema. Da spielt der Motor eine wichtige Rolle." (Foto: Hersteller)
(Foto: press-inform)
(Foto: press-inform / BMW)
(Foto: Marcel Sommer)

Autor: Wolfgang Gomoll, Las Vegas  Stand: 10.01.2017
Fotos: BMW  

(Foto: press-inform / BMW)
(Foto: press-inform / BMW)
(Foto: press-inform / Denso)